Der Rückblick auf zehn Jahre soll keine Selbsträucherung werden. Darum geht das Tanzquartier Wien voller Arbeitslust in die elfte Saison und überlegt wie man aktiv die interkulturelle, künstlerische Zukunft mitgestalten kann. Das TQW soll weitgehend als Motor zur Internationalisierung der Tanz und Performance Szene in Österreich beitragen.
Zahlen sind immer gut: Nach insgesamt 450.000 Besucherinnern, 1400 Vorstellungen, 660 verschiedenen Produktionen und 250 Eigen- und Koproduktionen ist der runde Geburtstag gerade so verdaut.
Auf die Plätze, Fertig, Los
Der Startschuss in die 11. Saison fällt am 1. 10. und wird ganz im Zeichen des „interkulturellen Dialogs“ stehen. Aufgrund von aktuellen politischen Ereignissen will das Tanzquartier gerade jetzt, die künstlerische Entwicklung im Bereich „interkultureller Dialog“ vorantreiben. Man denke etwa an den Arabian Spring oder radikalisierte Jugendliche in London, Athen, Paris und Madrid.
Der Eröffnungsabend konzentriert sich auf vier Künstlerkonstellationen, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen, unter ungleichen Bedingungen arbeiten müssen und verschiedene Interessen vertreten. Eines verbindet jedoch alle: Die Frage nach der Wirksamkeit von Choreographie im alltäglichen, sozialen und politischen Leben.
Den Anfang macht Kat Valastur mit Lang und setzt sich dabei mit der Form und Veränderung von purer Bewegung auseinander. Taoufiq Izeddiou findet in dem Stück "Aleef" den Zugang zum Leben über den marokkanischen Tanz.
Im zweiten Programmpunkt muss sich der Zuseher entscheiden: Entweder bei Forecasting von Giuseppe Chico und Barbara Matijevic mit gegenwärtigen und zukünftigen Erzählungen dynamisch beschäftigt sein oder bei Dragana Bulut, Eduard Gabia, Maria Baroncea mit "E.I.O." die eigene Wertschöpfung überdenken.
Highlights der Tanzsaison 2011/2012
Ein gern gesehener Gast im Quartier ist Meg Stuart, die mit ihrer Company Damaged Goods die Besucher wieder in zeitgenössischen Tanz einführt. Sie gibt mit „Violet“ ein Rätsel vor, ein abstraktes Durcheinander inspiriert von Drogenräuschen und Halluzination.
Ein gesellschaftskritisches Stück kommt aus der Feder des DV8 Physical Theatre. In „Can We Talk About This“ greifen sie Tabuthemen auf und thematisieren Rassismus, Religionsstreits, Zensur und politische Umschwünge, auf der Basis von Befragungen und Archivmaterial. Dadurch soll für eine künstlerische Diskussion Platz geschaffen werden.
Die Szene der österreichischen Künstler gebührend vertreten werden unter anderem Alexander Gottfab mit „Moved By Faith“, wo er ein kollektives Bewegungsmaterial darstellt, das in religiösem Kontext entstand und Philipp Gehmacher mit „In Their Name“. Drei Performer stellen ein Zusammenspiel von Text und Landschaften, Name und Körper, Bewusstsein und Realität her.
In der Programmreihe "Feedback" werden zehn Künstler die österreichische Perfomanceszene aus dem Blick des Tanzquartiers beleuchten. Themenschwerpunkt ist die Produktion, wie diese unter den derzeitigen ökologischen Bedingungen funktionieren kann.
Blick hinter die Kulissen
Nach dem Motto „Learning by doing“ gibt es neben den Tanzauftritten und Performances auch Workshops, Redereihen, Vorträge sowie Morgen- und zeitgenössische Trainings.
Neben der Redereihe „Die Listen des Lachens“, wo die Rolle des Lächelns in dem Chaos in dem wir leben, zwischen Brüchen und Abweichungen im Rhythmus thematisiert wird, gibt es die Lectures Series "Philosophy on Stage" in Kooperation mit der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften.
„Für Künstler von Künstlern“ wird bei Workshops und Redereihen hinter die Kulissen geblickt um so Theorie und Praxis verbinden zu können.
Walter Heun, Leiter des TQW bezeichnete dabei die Spielzeit und Projekte im Oktober/November als exemplarisch für den Entwurf Tanzquartier, wie es in Zukunft sein soll. Ein wichtiger Punkt ist auch, bestehende Partnerschaften fortzusetzen. Unter anderem mit Wien Modern, den Wiener Festwochen und dem Mumok wird es wieder Veranstaltungen geben.