Der Starfotograf und Musikvideo-Regisseur Anton Corbijn hat nach seinem viel beachteten Joy-Division/Ian-Curtis-Biopic „Control“ auch mit seinem zweiten Film „The American“ eine herausragende Arbeit abgeliefert. Gunnar Landsgsell hat ihn interviewt.
Diesmal in Farbe, mit dem Hollywood-Star George Clooney, aber einer ebenso konzentrierten und intimen Erzählweise wie schon in „Control“. „The American“ ist ein Thriller, in dem statt Action und Konspiration, gefühlte Gefahr und die Antizipation eines Profikillers in den italienischen Abruzzen für Hochspannung sorgen. „The American“ ist eine der spannendsten Filmarbeiten des Jahres. Anton Corbijn über seinen Film im 15 Minuten Slot.
Sie reisen gerade auf Promo-Tour von einer Stadt in die nächste. Viel Aufmerksamkeit, wie geht es Ihnen damit?
Die Filmindustrie arbeitet global und pusht die Aufmerksamkeit ordentlich. Ich habe die letzten 35 Jahre als Fotograf und Musikvideo-Regisseur ganz gute Arbeit geleistet. Dann macht man einen Spielfilm und steht plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Das ist eine nette Erfahrung und gibt einem ein Gefühl, wie diese ganze Filmstar-Industrie funktioniert. Jeder möchte daran teilhaben.
… anders als beim Dokumentarfilm, hätten Sie „Control“ als Doku über Ian Curtis und Joy Division gedreht, wäre das Echo wohl auch kleiner gewesen. Obwohl Tom DiCillo mit seinem Film über die Doors überraschend breit rezipiert wurde.
Haben Sie den Film gesehen, wie war er? Johnny Depp hat doch als Erzähler seine Stimme geliehen.
Ja, schöne Arbeit. Wie auch „The American“. Es fällt auf, wie viel Raum Sie dem Zuseher hier geben, um zu beobachten, zu antizipieren, etwas von der Sicht des Protagonisten aufzunehmen.
Ich finde es auch privat sehr schön, auf einer Terrasse zu sitzen und die Leute zu beobachten. Ich wollte auch dem Film jene Zeit und jenes Tempo geben, das er braucht, um solche Räume zu schaffen. Filme, die das Auge an bestimmte Objekte oder Handlungsabläufe zwingen, so wie es das Actionkino macht, sind jedenfalls nichts für mich. Da gibt es dann immer viele Schnitte, die einen durch bestimmte Bildabläufe bevormunden.
Sie zeigen in einer Szene detailliert, wie George Clooney aus altem Blech einen Schalldämpfer für seine Waffe herstellt. Das geschieht mit großer Sorgfalt und Hingabe. Hegen Sie da auch Zweifel, ob das Publikum davon ebenso fasziniert ist wie Sie?
Er baut keinen Schalldämpfer, sondern…, mir fällt der Begriff jetzt nicht ein. Egal. Das Interessante für das Publikum ist doch, wie dieser einsame Typ mit all seinen Gefühlen dieses Gerät zusammenbaut. Das ist seine Liebe, das ist sein Leben. In Szenen wie dieser liegt eine Schönheit, die ich sehr mag.
Das erinnert an „The Conversation“ von Coppola, wo der Protagonist eine ähnliche Haltung zur Welt da draußen, aber auch zu den Arbeitsgegenständen seiner eigenen Welt hat.
Ja, ein großartiger Film, mit einem großartigen Gene Hackman. Das waren die 70er Jahre, da ließ das Kino stärker ein anderes Erzähltempo und Intensität zu.
George Clooney war noch nie so düster, durchtrainiert und trocken zu sehen. Manchmal muss man sich erst vergegenwärtigen, dass er diesen Killer spielt.
Die Idee kam mir bei „Syriana“, wo er in einigen Passagen so erscheint. George war noch nie so abgründig wie in „The American“. Er hat sicherlich seine beste schauspielerische Leistung erbracht. Ich bin wirklich glücklich über diese Geschichte. Das Projekt half auch, George Clooney von seinem Image loszueisen. Der Charakter, den er spielt, führt weit über seine üblichen Rollen hinaus.
Wie haben Sie Clooney auf die Rolle vorbereitet?
Es war gar nicht schwer, wir haben uns darüber unterhalten und George wusste recht bald, was ich mir vorstellte. Im Wesentlichen geht es, wie schon in „Control“, um Dunkelheit und Einsamkeit. George konnte das als erfahrener Schauspieler sehr klar umsetzen. Der Film hat jetzt allerdings ein anderes Ende, ein weniger optimistisches, als ich es geplant hatte. Ich habe es auf den Wunsch von George hin geändert. Der Film endet jetzt mit einer wundervollen Szene, aber ohne Hollywood-Ende.
Mit Clooney wählten Sie einen Hollywood-Schauspieler in der Hauptrolle. Anders als bei „Control“, für den Sie Sam Reilly ja entdeckt haben. Er hat seither in mehreren Produktionen mitgewirkt. War das eine Umstellung bei Ihrer zweiten Regiearbeit?
„Control“ hatte ganz andere Voraussetzungen, das war ein Biopic, bei dem die Rahmenhandlung sehr exakt definiert war. Ich hatte hier wenig Spielraum, war fast wie bei einem Dokumentarfilm sehr an die Fakten gebunden. Bei „The American“ war alles möglich, ich hatte große Freiheit, mir die Bilder, die Szenerien auszudenken.
Fällt es Ihnen schwer, von Videoclips auf Kinofilme umzustellen, oder ist das ganz im Gegenteil etwas, das Sie gesucht haben?
Musikvideos sind eine ganz andere Disziplin. Hier kommen Sie, fast egal, was Sie machen, praktisch immer ungestraft davon. Hier geht’s um die Musik, die alles Visuelle und Dramaturgische überschreibt, was Sie tun. Sie können sich Storys und Bilder ausdenken, sie werden in der Wahrnehmung gegen die Musik nicht standhalten. Nicht so beim Kinofilm, wo Musik einem helfen kann, das Narrativ und die Schauspieler besser inszenieren zu können.
Hat sich auch aus dieser Erfahrung der Wunsch entwickelt, Filme zu drehen?
Das hat etwas damit zu tun. Aber ich dachte mir immer wieder, da draußen in der Welt gibt es Tausende von guten Filmemachern, die einen besseren Job machen würden als ich. Als die Idee aufkam, über Ian Curtis einen Film zu machen, dachte ich, zumindest bin ich hier sehr stark emotional beteiligt. Ich habe ihn sehr gut gekannt, ich mit großer Sorgfalt und Hingabe mit ihm gearbeitet, es gab eine Nähe zwischen uns und er bedeutet mir bis heute sehr viel. Das gab mir das Vertrauen, dieses Projekt zu realisieren.
Nach welchen Kriterien haben Sie „The American“, den Stoff Ihrer zweiten Regiearbeit gewählt?
Ich wollte nicht mehr so berechenbar wirken. Wollte weg von all den Themen, die man mit mir verband: Musik, die 70er Jahre, Schwarz-und-Weiß-Film, England. Ich dachte, wenn ich guter Regisseur werden möchte, muss ich Erfahrung sammeln. Ich habe Drehbücher ganz unterschiedlicher Genres gelesen und bin dann auf diese spannende Geschichte gestoßen. Wir haben das Drehbuch in einigen Schritten adaptiert und dann kam der Film. Mal sehen, was das nächste Filmprojekt wird. Ich kann mir da viel vorstellen.
Hatten Sie für „The American“ rasch eine bestimmte Ästhetik vor Augen?
Die Abruzzen fand ich gut als Landschaft, sie geben dem Film auch einen Hauch von Italo-Western. Hier ging das Konzept auf, viel in Totalen zu erzählen, um die Einsamkeit dieser Figur deutlich zu machen.
Die Zeit ist um, heißt es. Danke für das Gespräch und alles Gute auf Ihrer Promo-Tour. Wissen Sie eigentlich, in welcher Stadt Sie gerade sind?
Ja natürlich. Es ist doch schön hier in Stuttgart…
The American läuft ab 17.9. in österreichischen Kinos. Zum Trailer geht es i>hier.