Zwischen kollektiver Gewalterfahrung und »Queer Joy« – Trans* Erfahrungen in Comics und Graphic Novels

Zwei unterschiedliche Generationen, zwei unterschiedliche Herangehensweisen an Comics, zwei unterschiedliche Erfahrungen, trans* zu sein: Auf dem Papier könnten Steven Appleby und Ari Ban kaum unterschiedlicher sein. Wir haben uns mit den beiden darüber unterhalten, für wen sie Comics machen, wie ihre trans* Erfahrungen ihre Arbeit beeinflussen und warum es mehr »Queer Joy« braucht.

Trans* Comics zum Nachlesen

Einiges Lesenswertes aus den letzten Jahren

Dass innerhalb weniger Monate vier neue Comics am deutschsprachigen Markt erscheinen, die sich alle mit nicht-normativen Geschlechtserfahrungen beschäftigen, ist leider ungewöhnlich, aber derzeit zum Glück der Fall. Drei Übersetzungen, zwei Erstlings­werke und eine große Bandbreite an Stilistiken und Themen. Hier eine kurze Beschreibung davon sowie weitere Empfehlungen zum Thema trans* Erfahrungen im Comic.

Lee Lai »Steinfrucht«

»Steinfrucht« von Lee Lai ist soeben in der deutschen Übersetzung erschienen und erzählt die Beziehung zwischen einer Cis-Frau, einer trans* Frau und der Nichte, auf die die beiden regelmäßig aufpassen. Das Buch ist nicht nur subtil und sorgsam erzählt, sondern zeigt auch bildgewaltig die fantastische Wandel­barkeit menschlicher Körper, ganz egal ob trans* oder nicht. Mehr als eindrucksvoll für ein Debüt.

Lina Ehrentraut »Melek + Ich«

»Melek + Ich« von Lina Ehrentraut handelt nicht im engsten Sinn von einer trans* Erfahrung, sondern beschäftigt sich mehr mit Queerness, (Selbst-)Liebe und körperlicher Fremderfahrung. Die Protagonistin ist Physikerin, die sich einen künstlichen Körper baut, um damit in andere Universen zu reisen, und sich dort in ein alternatives Selbst verliebt. Die spröde Ästhetik changiert zwischen hartem Schwarz-Weiß sowie Farbexplosionen und ist im besten Sinne queer. Der auch von der Verarbeitung eindrucksvolle Band ist kürzlich erschienen.

Tillie Walden »Auf einem Sonnenstrahl«

»Auf einem Sonnenstrahl« von Tillie Walden erzählt eine poetische Science-Fiction-Geschichte in einem Universum, das nur von Frauen und non-binary Personen bevölkert ist, ganz ohne dass dies einer Erklärung bedürfte. Die reduzierten Farben, detaillierten Architekturen und fantastischen Landschaften ziehen einen in die Welt. Die einfühlsam gezeichneten Charaktere behalten einen dort bis zum Ende. Der Band ist vor wenigen Monaten in der deutschen Übersetzung erschienen, aber auch auf Englisch als Webcomic frei verfügbar.

Steven Appleby »Dragman«

»Dragman« von Steven Appleby ist gerade eben in der deutschen Übersetzung erschienen. Es ist ein Mash-up aus Flughafen-Thriller, Superheld*innen-Comic, philosophischer Spekulation und Coming-out-Geschichte. Der titelgebende Held erlangt Superkräfte, sobald er Frauenkleider anzieht, und lebt ein geheimes Doppelleben. Der Comic ist gleichzeitig surreal und geerdet, unterhaltsam und fordernd. Der Stil ist kleinteilig und abstrahiert, strotzt aber vor witzigen und über­raschenden Details.

Nele Peer Jongeling »Hattest du eigentlich schon die Operation?«

»Hattest du eigentlich schon die Operation?« von Nele Peer Jongeling ist letztes Jahr erschienen und ein kleiner, aber feiner Band, der die Unterschiede in den verschiedenen Erfahrungen von trans* Menschen sichtbar macht. Wenn auch streckenweise etwas erklärend, wird die Perspektive der Protagonist*innen nachvollziehbar gemacht. Der charmante Stil tut ein Übriges.

Joris Bas Backer »Küsse für Jet«

»Küsse für Jet« von Joris Bas Backer ist ebenfalls letztes Jahr erschienen. In den 90ern verortet, erzählt es die Geschichte von Jet und wie sie ihre eigene Geschlechtsidentität hinterfragt. Obwohl der Comic hin und wieder etwas klischeebehaftet und wenig innovativ ist, zeichnet er seine Protagonistin und ihre Geschichte höchst einfühlsam und in einem gefälligen sowie zugäng­lichem Stil.

Annie Mok »Pink Juice«

»Pink Juice« von Annie Mok ist nur digital auf der Plattform itch.io erhältlich. Es umfasst über ein Jahrzehnt an Comics, Essays und visuellen Experimenten, die sich fast alle um die eigenen trans* Erfahrungen der Autorin drehen. Der Band bietet eine immense Bandbreite sowohl an stilistischen als auch thematischen Zugängen und strotzt nur so vor queerer Sensibilität.

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