Mit nur zwei Takes und ohne Musik kommt der neue Film "My Talk With Florence" des Regisseurs Paul Poet aus. Die Doku wird am 6. Dezember gezeigt und ist ab Jänner im Kino zu sehen.
Das Thema Kommune beschäftigt dich auch in deinem Film "Empire Me" (2011). Das scheint dir ja am Herzen zu liegen?
Ich bin so zerrissen aufgewachsen, zwischen so vielen verschiedenen Lebensformen. Als Kind bin ich mit meinen Eltern immer woanders gewesen, im nahen Osten, in Afrika. Seit der Pubertät war ich dann in Wien, hab aber mit dem System immer grundlegende Probleme gehabt, mit dem eingeschränkten österreichischen Horizont. Ich suche also durch meine Arbeit die Essenz im Menschen. Dazu, den Menschen in ihrer Vielfarbigkeit gerecht zu werden, ist unser System ja nicht gerade das beste. Im Prinzip ist die Kommune eine Liebeserklärung an die Vielfalt, weil der Planet und die Menschheit eine Biodiversität braucht. Diese Diversität suche ich. Wie können Menschen glücklich sein? In diesen kleinen Einheiten ist das eher möglich.
Im zweiten Teil des Films beschreibt Florence auch den durchgeplanten Alltag im Friedrichshof. Das ist ja alles andere als Freiheit, oder?
Ja, Otto Mühl hat da seine eigene Vergangenheit, sein faschistisches Trauma, eingeholt. Sein Aufwachsen in einer rechten und patriachalen Familie, das nie aufgearbeitet wurde, kam raus. Der hat den ganzen Hass nach außen gelassen dadurch. Auch durch die aktionistische Kunst.
Eine Anekdote: Er unterrichtete die Kinder der Kommune im Kunstunterricht darin, dass es drei große Künstler gegeben hat: Mozart, Stalin und Hitler. Er sei der nächste in der Reihe. Und der „Fickplan“, dem die Bewohner vom Friedrichshof folgen mussten, das ist ja auch ein Werkzeug der Hitlerjugend gewesen.
Das widerspricht ziemlich dem Bild einer Kommune das die meisten vor Augen haben.
Klar, das ist ideologisch durch die 60er sehr links geprägt, die nach dem Krieg alles Faschistische abschütteln wollten. Diese Trennung ist heute faktisch aufgelöst. Es gibt auch rechtsradikale Neonazi-Ökodörfer, hab ich im Zuge meiner Recherche für "Empire Me" kennengelernt. Die Ideologien mischen sich.
Aber das Zurückkehren zu kleinen Einheiten, zu Kommunen, das beschäftigt die Menschen im Moment, jenseits von jeder Ideologie. Laufen wir zum kompletten Konsumtotalitarismus über oder zerfallen wir in lauter kleine Einheiten? Rebellionsbewegungen wird es immer mehr geben, das ist meine Prognose.
War das Erzählen ihrer Geschichte für Florence eine Art Katharsis?
Es war essenziell für sie. Zwanzig Jahre lang hat sie darum gekämpft, es nach außen zu tragen. Sie ist mit ihrem späteren Mann, Othmar Bauer, aus der Kommune geflohen.
Vor allem wegen der Kinder dort und ihrer eigenen war es ihr ein großes Anliegen.
Im Prozess gegen Mühl wurden vor allem die Kinder befragt, die waren natürlich indoktriniert. Florence‘ Aussage änderte dann alles. So konnte er schließlich verurteilt werden. Nach dem Prozess hat sie eben versucht, ihr Wissen weiterzugeben und Leute aufmerksam zu machen, was da in der Kommune und in ihrem eigenen Leben passiert ist.
Keiner wollte ihr zuhören und sie kämpfte um die Aufarbeitung. Über einen gemeinsamen Bekannten ist sie dann auf mich gestoßen und unsere Freundschaft hat es ermöglicht, diesen Film zu machen. Nachdem er fertig war, kam irgendwann der Moment der Erleichterung und sie konnte gehen lassen, und sich dann endlich auf die Gegenwart konzentrieren, auf ihre Kinder und Enkel. Sie versucht, Frieden zu finden. Das ist natürlich als Filmemacher ein großes Kompliment, wenn man durch die Arbeit zu so etwas beitragen kann.
Und durch die Selbstdarstellung kannst du dein Intimstes offenbaren und eine Wahrheit finden, eine Stärke, dein eigenes Leben zu formulieren. Das sind Techniken, die extrem faszinierend sind, und Florence sehr geholfen haben ihre Klarheit zu finden. Sie schafft es, den ganzen Schrecken sprachlich auszuformulieren. Sie nimmt Mühls Technik dazu und verwendet sie gegen ihn.
Sie schafft es, so etwas wie eine persönliche Freiheit zu erreichen. Und das zeigt der Film sehr schön. Es ist eine große Emanzipationsgeschichte über die Stärke des Individuums geworden.
Die Wien-Premiere von "My Talk With Florence" findet am 6. Dezember 2015 im Rahmen der kommenden Edition des "This Human World" Festivals statt. Im Jänner 2016 wird der Film in die österreichischen Kinos kommen.