Das neue Bilderbuch-Album kommt und alle werden es lieben. Warum das so ist und ob Musikjournalismus immer gleichgeschalteter wird, haben wir Linus Volkmann und Jonas Vogt gefragt.
Anlässlich des neuen Bilderbuch-Albums »Schick Schock«, das flächendeckend nur äußerst positivere Kritiken hervorbringen wird, haben wir uns im The Gap 148 einmal mit dem Thema »Rudeljournalismus im Musikbereich« auseinandergesetzt. Dazu haben wir nicht nur einen eigenen Artikel verfasst, sondern auch zwei Auskenner gefragt. Linus Volkmann, der für die »Intro« und weitere Musikzeitschriften im deutschsprachigen Raum tätig ist, und Jonas Vogt, Chefredakteur von »Noisey Alps« und ehemaliger The Gap-Redakteur. Beide wurden unabhängig voneinander befragt und äußern sich zu Onlinejournalismus, Social Media und warum nun eigentlich alle der gleichen Meinung sein müssen.
Wie seht ihr das? Teilt ihr die Einschätzung, dass man sich als Autor immer schwerer tut, bei den großen Themen (bspw. Wanda, Bilderbuch, FKA Twigs, Arca) anderer Meinung zu sein?
Linus Volkmann: Ich sehe das ähnlich. Allerdings eher bei dem Mainstream-Kanon. Also Kraftklub, Casper, Beatsteaks, Marteria, Jan Delay… (Letzterer zudem noch mit der verrotztesten Scheiß Platte ever). Wenn man sich von Bilderbuch und Wanda indes abgrenzen will, dann fühlt man sich wohl eher von dem (eigenen) Checker-Konsens erdrückt. Das ist natürlich auch legitim, wirkt für mich aber auch bisschen snobby und geschmäcklerisch. Sicherlich ist in Österreich der Hype um genannte Acts noch mal größer. Und der Opinion Leader fühlt sich sicher bedroht von so einer breiten Stoßrichtung, die ihm nicht möglich macht, herauszustechen. Also kann, soll er doch aber einfach dagegen sein. (Auch wenn es einfach falsch und kleingeistig in dem Fall ist.)
Jonas Vogt: Ich glaube, dass das eine grobe Simplifizierung von verschiedenen, neben- und sogar gegeneinander laufenden Trends ist. Aber der Reihe nach: Ja, ich glaube, dass es nicht einfach ist, als Autor bei großen Themen außerhalb der allgemeinen Meinung zu stehen. Man bekommt halt durch Social Media die Meinung und Kritik der Leser und auch der anderer Journalisten viel früher mit. Aber andererseits: War das früher wirklich so viel besser? Ich bin immer sehr vorsichtig, wenn es um Dinge wie »seit Journalismus online stattfindet, ist x«. Vieles davon sind einfach gefühlte Wahrheiten. Es hat auch früher genug Alben gegeben, bei denen sich alle einig waren. Und es gibt auch heute genug Alben, bei denen Leute unterschiedlicher Meinung sind. Dass in Zeiten von Print in Österreich große Themen (wie Wanda, Bilderbuch oder Dorian Concept) mehr verrissen wurden, dafür würde ich gerne erstmal Belege sehen.
Wie sieht diesbezüglich die Rolle von Onlinejournalismus an? Kann man es sich leisten, unpopulär zu sein, solange Klicks (und damit auch Schnelligkeit) die einzige Währung sind?
Linus Volkmann: Onlinejournalismus ist ja keine eigene Haltung. Sondern nur ein Format. Ich bin mir ziemlich sicher, mit Opposition gegen genannte Acts macht man Klicks. Vielleicht größtenteils, weil man widersprochen bekommt. Aber so what? Klicks stinken noch weniger als Geld. Was mich nur nerven würde, ist so eine Erwartungshaltung, dass man als einziger Rufer im Sturm des Konsens dagegen sein möchte – dafür aber auch noch gefeiert werden will. Das – mit Verlaub – geht halt nicht. Wer in der Opposition zum Kanon sein Profil schärfen will, der kriegt das – je universeller der Kanon ist – locker hin. Aber macht sich auch unbeliebt. Nimmt man das in Kauf, ist aber doch alles okay.
Jonas Vogt: Onlinejournalismus als solcher hat damit eigentlich nichts zu tun, das ist, glaube ich, eher die sentimentale Rückschau. Social Media hat sicher einen höheren Einfluss. Man sieht ja gerade an vielen Beiträgen (frühere VICE-Artikel oder die immer recht gegengebürsteten Beiträge im Standard), dass Gegenmeinungen sehr viel geklickt werden. Wer morgen einen Artikel »Wanda sind der größte Scheiß« schreibt, kann sich der Klicks sicher sein, weil Menschen auf Facebook Dinge sharen, denen sie zustimmten oder die sie scheiße finden, aber nicht diese ausgewogenen Artikel.