Genetikk schuf Achter Tag, und The Gap sah, dass es gut war. Die Crew entwickelt sich auf festen Bahnen konsequent weiter.
Genetikk betreiben Kunst als Selbstzweck. Sikk und Karuzo haben sich komplett ihrer Vision verschrieben, ihre Laufbahn ist ein Stück Performance Art. Musik, Optik und Gehabe greifen fest ineinander und formen ein brüllendes Wesen aus falschem Gold. Mit Achter Tag soll sich diese Vision in den Köpfen der Sterblichen weiter festigen.
Wer sich so stark selbst inszeniert, braucht ein klares Selbstbild. Karuzo bezeichnet sich in Interviews kaum je als „Rapper“, sondern als „Künstler“. Diese Betonung auf Interdisziplinarität zieht sich durch das gesamte Schaffen von G-N-Doppel-K. Klar, begonnen hat alles mit zwei Jungs aus Saarbrooklyn, einer Garage und billigem Aufnahme-Equipment. Doch die visuelle Komponente spielte von Anfang an eine große Rolle. Das war schon beim Video zu „König der Lügner“ klar, als der stämmige Karuzo in Clownsschminke und Zylinder all seine Groupies zu Pornstars erklärte. Musik rough, Bild wild, die Kombination bleibt hängen.
Alles aus einem Guss
Im Laufe der Alben haben Genetikk die Schminke durch maßangefertigte Masken ausgetauscht. Maskenrapper gibt es zur Genüge im deutschen Game, und auch bei Sido, Marsi, Cro und Co. dient die Verschleierung als Stilmittel. Doch kaum jemand legt so viel Wert auf ein audiovisuelles Gesamtbild wie Genetikk. Grafiker, Designer, Videoproduzenten, alle sind sie handverlesen und müssen das Konzept der Crew verinnerlicht haben. Alles kommt aus einem Guss. Und Achter Tag fügt sich perfekt ein.
Genetikk haben sich längst Unberechenbarkeit zur Routine gemacht, die 16 Tracks sind entsprechend bunt durchgewürfelt. Mal erklärt Karuzo sich in „Dago“ feierlich zum größten F*cker im Game, Battlerap auf Brachialbeats in Reinform, Goldketten inklusive. Dann plötzlich ertönen sanfte Klavierklänge, und Kappa-Alpha-Rho gibt Einblick in seine Kindheit und packt Lebensweisheiten aus. „Wünsch dir was“ greift dann überhaupt die Globalisierung und menschliche Gier an. Genetikk sind aber weder Battlerapper noch Gefühlspoeten noch genreverirrte Punks. Sie sind Genetikk. Und dass sich so ein Mischmasch wie ein homogenes Album anfühlt, zusammengehalten durch reine Realness, ist tatsächlich ein Kunststück.
Gewehrläufe und Sterne
Zumindest die Qualität ist eine Konstante. Vor allem wenn Karuzo inspirieren möchte, liefert er starke Doppel- bis Dreifachreime ab. Dank greifbarer Sprache entstehen im Kopf des Zuhörers klare Bilder, von Bussards auf der Jagd, von Kinderaugen vor Gewehrläufen, von verglühenden Sternen. Letzteres stammt übrigens aus dem besten Feature des Albums, „Sterne feat. Max Herre“. Die anderen beiden Gäste, Sido und SSIO, stören die Harmonie von „Achter Tag“ eher. Wobei es schon spannend wäre, ob sich Genetikk bezüglich „Don’t Legalize feat. Sido“ mit Marsi abgesprochen hat. Der nahe Release zu „Illegalize It“ kann so zufällig nicht sein.
Und auch diesmal überzeichnen Genetikk ihr Release mit präzise konzipierter Visualisierung. Vom Albumcover über die Videos bis hin zur vierteiligen Dokumentation „Outta This World“, die gesamte Palette malt ein düsteres Bild vom Innenleben der Schöpfer. Gerade der Musikclip zu „Wünsch dir was“, in dem man eine kurze Geschichte der menschlichen Grausamkeit präsentiert bekommt, zeugt von viel Liebe zur Botschaft. Wobei die Jungs ja niemals belehren wollen. In ihren Interviews erklären sie ihr Schaffen stets gleich, schulterzuckend: „Wir machen einfach.“
Also ein klares künstlerisches Konzept, geboren aus Intuition, verbreitet durch Musik. Und angetrieben durch den Wunsch nach Verwirklichung. Dass es so was noch gibt. Man will es ihnen fast glauben.
"Achter Tag" von Genetikk erscheint am 8. Mai 2015 bei Selfmade Records. Das Album gibt es via Deezer im Stream. Im Herbst spielen Genetikk in Linz am 17. September und Wien am 20. September.
