Nach fünf Jahren meldet sich Das Trojanische Pferd zurück – und dreht ein Video für dieses abstruse Jetzt.
Die Zeiten, sie sind hart. Und sie sind bitter. Alles ist so weit weg, die physische Distanz wird immer mehr zur emotionalen, zur sozialen Distanz. Schmusen, das kleine Bisschen Liebe und Nähe gibt’s nur mehr für die, die sich ohnehin schon viel zu nahe sind. Halt geben kann einem da die Musik. Und wenn sie noch dazu von einem musikalischen Projekt ist, das einst viele junge, wütende Herzen im Sturm eroberte – umso besser. Es war 2015, als das bislang letzte Album der so flamboyanten, allseits geschätzten Wiener Band Das Trojanische Pferd erschien, gar notwendigerweise hieß es »Dekandenz«, gar ausartend waren die chansonesken Punk-Kunstlieder, sprachgewaltig und radikal.
Alles ist möglich!
Und nun, da wir alle merken, wie schnell sich binnen Tagesfrist Gewohnheiten ändern können, kann man sich vorstellen, was in fünf Jahren Bandgeschichte so alles passiert sein mag. Für das vierte Album »Gunst«, das im Mai erscheinen soll (wenn es denn dann noch möglich sein wird, Alben zu veröffentlichen), bedeutet das erst einmal eine Abkehr von der Genrezuordenbarkeit. Zwischen äußerst nahbaren Klavierliedern – nackt wie nie! – und frizzelnder Elektronik, ist da alles möglich. Und: Hubert Weinheimer hat das Album zum Teil mit seinen Bandkollegen David Schweighart und Rene Mühlberger, zum Teil aber auch im Alleingang aufgenommen.
Apropos Alleingang (um hier einen Versuch des eleganten Bogenspannens zu wagen, der wohl dem Weinheimer besser gelungen wäre): Das Video, dessen Premiere hier feierlich begangen wird, trägt den Namen »Ich weiß, wo du wohnst« und zeigt, wie sinnlos doch in einer Situation wie der unsrigen gar intimste Geheimnisse und postalische Daten über Geliebte sein dürften: In Collagen mit Wiener Häuserfronten – denn hinter allen Fenstern wohnt ja schließlich ein anderes Leben – finden sich Liebesfilme, geradezu Porträts utopischen Glücks, und der Künstler selbst, via Videotelefonie verbunden; das allgegenwärtige Thema, mit der Hoffnung auf emotionale Nähe, unabhängig vom Standort. Unterlegt wird dies mit einer gar spielerischen Ballade. Ein für diese Gruppe eher untypisch klassischer Popsong mit gezogenen Vokalen. Allesamt Ausrufezeichen einer Sehnsucht. Eine ebensolche entwickelt sich mit Nummern wie »Ich weiß, wo du wohnst« ganz zwangsläufig auch nach »Gunst«.
»Ich weiß, wo du wohnst« von Das Trojanische Pferd findet sich auf dem voraussichtlich am 8. Mai 2020 bei Schallter/Monkey erscheinenden Album »Gunst«. Live-Präsentation, Stand jetzt, am 16. Mai im Schauspielhaus Wien.