Vom Rand der Diagonale #2

Selbstfindung in Kambodscha, Drama mit dem Mörderama – und abgesehen davon eine Bombe am Grazer Bahnhof.

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Programmtag #2 und #3

Tag zwei der Diagonale bringt uns – nach fataler Alien-Invasion und brachialer Zukuftsvision – zurück auf den Boden der Realität. Am frühen Nachmittag geht es auf eine Reise nach Kambodscha, wo sich der kräftig gebaute Thairet, in Thailand geboren, in Frankreich aufgewachsen und schließlich in Norwegen gelandet, auf die Suche nach seinen Wurzeln macht. Der Dokumentarfilm „Born in the Year of the Hare“ zeigt das Leben in Kambodscha nur periphär, stattdessen verirren wir uns in die Psyche eines rastlosen Pessimisten, der sich nichts und niemandem zugehörig fühlt und am Ende dort landet, wo er sich am unwohlsten fühlt.

Der vermeintliche Höhepunkt an diesem Tag findet aber erst noch statt. Um noch einen Platz zu ergattern, braucht es schon Ellbogentechnik. Bei der Preisverleihung wird der folgende Film jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit trotzdem keine Rolle spielen. Es heißt Bühne frei für Peter Kern und seine Welturaufführung von „Mörderschwestern“, worin die realen Verbrechen der Schwestern des Lainzer Krankenhauses in Wien zwischen 1983 und 1989 thematisiert werden. Aber bevor es losgehen kann, zerreißt Kern vor dem Publikum noch schnell mal demonstrativ eine Zeitung und verdammt die bösen Medien und Filmkritiker, die seine Werke immer wieder zerreißen oder gleich ganz ignorieren. Ohne diese Art von Live-Performance wäre es schließlich keine Kern-Premiere – da müssen die Zuseher durch, ob sie wollen oder nicht.

Der Kinosaal ist jedenfalls gesteckt voll. Man war sichtlich neugierig auf das interaktive Kino, das da im Vorfeld versprochen wurde. Und dieses Mörderama, mit dem jeder im Publikum angeblich selbst wählen kann, wer im Film wann sterben soll. Dass das Ganze in Wirklichkeit nur halb so spektakulär ist, war wohl auch jedem klar. Kerns Gedanke dahinter, das Publikum zum Spiegel unserer Gesellschaft zu machen, die täglich nach Mord und Totschlag lechzt, genauso. So weit so gut. Leider kreist der Film immer wieder und viel zu offensichtlich um diese eine Botschaft und macht es sich damit schon sehr leicht. Ein wenig Subtilität hätte in diesem Fall nicht geschadet. Aber bitte jetzt nicht deswegen wieder eine Hass-E-Mail, danke. Lobenswert jedenfalls bleibt die Darbietung der Protagonistin Susanne Wuest, die dem Film doch noch etwas Sehenswertes verleiht.

Im krassen Vergleich zum furiosen Start, ist der zweite Tag auf der Diagonale schließlich ein spürbarer Dämpfer. Es gilt nach vorne zu blicken – Kurzfilme sind angesagt , ob Dok- oder Spielfilm! Die bekommen ohnehin immer viel zu wenig Aufmerksamkeit. Mal sehen…

Die Bombe

…und tatsächlich beginnt Programmtag drei mit einer Bombe. Damit hat die Diagonale aber nichts zu tun. Nein, bei Grabungsarbeiten beim Grazer Bahnhof ist eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden. Heißt Bombenalarm! Graz im Aufruhr. Großräumige Absperrung. Folglich Irrfahrten mit bisher unbekannten Buslinien. Was das jetzt mit der Diagonale zu tun haben soll? Wegen der Bombe verpasse ich das Kurzspielfilmprogramm. Mist – aber gut, zum Glück ist sonst nichts Schlimmeres passiert. Und die Bombe begleitet mich sogar noch mit ins Kurzdokumentarfilmprogramm. Da wird nämlich davor gewarnt, dass möglicherweise der Strom während der Projektion ausfallen könnte und gebeten, dass in solchem Fall bitteschön niemand beginnen möge, im Dunkeln hysterisch durch den Saal zu laufen. Passiert schlussendlich aber doch nicht und Film kann entspannt konsumiert werden. Die Bombe wurde übrigens noch am selben Abend gesprengt.

Schlussendlich bleibt der dritte Programmtag der Tag der Bombe und weniger der Tag des cineastischen Höhepunkts. Jedenfalls für mich. Zugegeben, „Es muss was geben“, der wohl ein solcher gewesen wäre, habe ich verpasst. Anstatt mir die aufblühende Undergroud-Musikszene der oberösterreichischen Bundeshauptstadt ab den späten 70ern zu Gemüte zu führen, habe ich in die heutige Underground-Szene vor Ort geschnuppert – beim Ersten Grazer Protest-Songcontest. Aber das ist eine ganz andere Geschichte….

Filmwiederholungen:

„Mörderschwestern“ läuft am Samstag, 26.3., um 21:00 Uhr noch einmal im Rechbauer Kino.

„Born in the Year of the Hare“ läuft am Samstag, 26.3., um 17:30 Uhr im UCI Annenhof.

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