Am Gelände des Arsenals entsteht unter der Leitung von Felix Hoffmann das Foto Arsenal Wien – ein Ausstellungshaus für Fotografie und Lens-Based Media. Mit Eröffnungswochenende, Festivals und verschiedenen Bildungsangeboten scharrt so einiges in den Startlöchern. The Gap hat Felix Hoffmann, den künstlerischen Leiter des Hauses, getroffen. Ein Gespräch über Bildmanipulation, Fotografie als kulturelle Praxis und darüber, wie man Menschen ohne besondere Kunstaffinität erreicht.

Für unser Gespräch an einem Dienstagvormittag treffe ich Felix Hoffmann noch nicht in seinen neuen Räumlichkeiten im dritten Bezirk, hinter dem Hauptbahnhof. Dort wird nämlich noch umgebaut. Stattdessen treffen wir uns in jenen Räumen im Museumsquartier, die das Foto Arsenal Wien für ein Jahr zu Übergangszwecken nutzte. Eine Wand im Büro ist mit Fotos und Zeitungsausschnitten beklebt. Mir fällt Che Guevara mit seiner übergroßen Zigarre auf, an einer anderen Stelle hängen Fotos von der Baustelle im Arsenal. Sobald diese im Frühjahr fertiggestellt ist, werden Hoffmann und sein Team die frisch renovierten rund 700 Quadratmeter beziehen.
Was ist das Foto Arsenal Wien und wie verortet es sich in der Wiener Fotografieszene?
Felix Hoffmann: Das Foto Arsenal Wien will Verstärker und Generator sein. Wir wollen Orte zugänglich machen, an die man nicht so leicht rankommt – wie mit unseren Pop-up-Events unter dem Titel »In Transition«. Und überdies institutionell Brücken zu anderen Einrichtungen, Galerien und Räumen bauen. Wir sind ein reines Wechselausstellungshaus, das heißt: Alles, was kommt, geht auch wieder. Keine eigene Sammlung zu haben, gibt uns leichteres Gepäck. Mein großer Wunsch ist es, Sachen sichtbar zu machen sowie zu Kooperationen und Interaktionen anzuregen.
Wie richtet sich das Foto Arsenal Wien programmatisch aus?
Wir wollen internationales Programm anbieten, das sich immer wieder lokal und national über verschiedene Ausstellungstätigkeiten rückbindet. Das sieht man vor allem an unseren Festivals: Gemeinsam mit der Kunsthalle Wien veranstalten wir Vienna Digital Cultures, das diesen Frühling stattfindet. Dort setzen wir uns mit gegenwärtigen Fragen der Fotografie auseinander und beleuchten die Schnittstelle von Medien und zeitgenössischer Kunst.
Im Oktober veranstalten wir die Foto Wien, ein Festival, das sich auch mit traditionellen Fragen der Fotografie auseinandersetzt und dieses Jahr den Verbindungen von Fotografie und KI nachgeht. Das ist der Versuch, in einer Institution beides zu implementieren: die Welt der Fotografie und gleichzeitig digital immersive Welten.
In Wien konzentriert sich die Fotografieszene auf den siebten Bezirk rund um die Westbahnstraße. Das Foto Arsenal Wien zieht jetzt auf das zentrumsfernere Arsenalgelände. Wieso lokalisiert man sich so weit weg vom Schuss?
Man kann das mit einem Satz beantworten: Das war nicht meine Entscheidung. Ich kann aber die politische Wahl des Standorts gut nachvollziehen. Es geht darum, die Stadt dezentraler zu denken und die bestehenden Hotspots der Fotografie bewusst nicht noch mehr zu stärken. Zudem gibt es im Arsenal bereits verschiedene andere Player: das Heeresgeschichtliche Museum, das Belvedere 21 – und in unser Gebäude zieht das Filmmuseum Lab mit ein. Das Arsenal, eine ehemalige Kaserne mit viel Grünfläche, funktioniert wie ein kleines Dorf. Dort wollen wir neue Impulse setzen.

Wen wünscht sich das Foto Arsenal Wien als Zielpublikum?
Unser Zielpublikum ist tendenziell jung und divers. Jetzt kommen wir aber in Bezirke, in denen es andere bildungstechnische, historische oder kulturelle Strukturen gibt. Die Leute gehen vielleicht lieber zum Fußball statt in eine Ausstellung. Und da stellt sich die Frage: Wie kommt man an solche Gruppen, die nie ein Ausstellungshaus besuchen? Das ist eine der wesentlichen Herausforderungen.
Das Medium Fotografie bietet hier viele Möglichkeiten, weil es nicht nur Kunstform, sondern auch eine breite, gesellschaftliche, kulturelle Praxis ist. Fotografie gibt es in Fotoalben zu Hause, in unseren Computern, sie kommt in der Mode, in der Werbung, im Fotojournalismus vor und ist mit der täglichen Handyfotografie über Social-Media-Kanäle ständig präsent. Fotografie ist einfach eingängiger als andere Kunstformen und das ist eine große Chance.
Wie haben sich Social Media auf Fotografie ausgewirkt?
Ich weiß nicht, wie viele Fotos du auf deinem Handy hast, aber ich habe jetzt ungefähr 26.000 Bilder auf meinem. Über Social Media erreichen uns tagtäglich Bilder von außen und das wirft die Frage nach Bildmanipulation auf. Seit der Erfindung der Fotografie gibt es den Glauben, die Fotografie würde die Wirklichkeit abbilden. Das hat sie noch nie. Sowohl der Ausschnitt als auch der Moment ist immer ein Framing. Dazu kommt, dass Bilder eingängiger sind als Text.
Was wir als Gesellschaft aber nie gelernt haben, ist, Bilder zu lesen. Wenn wir uns Russland und den Krieg mit der Ukraine anschauen, dann sehen wir bestimmte Mechanismen im Umgang mit Bildern, die Einfluss auf unsere politischen Systeme und die Parteienlandschaft nehmen. Ich bekam beispielsweise noch nie so viel Social-Media-Werbung wie in den letzten Monaten von der FPÖ. Auf den ersten Blick fragte ich mich oft, ob das Berichterstattung ist. Erst im Header sah ich, dass es Wahlwerbung war.
Dass rechte Parteien Social Media besser für sich nutzen können, hat Tradition. Wenn man sich Deutschland in den 1930er-Jahren anschaut, sieht man, dass die Nutzung der damals zur Verfügung stehenden Medien auch richtig gut beherrscht wurde – vor 90 Jahren gab es also eine ganz ähnliche Situation.
Das ist beängstigend. Findest du Fotografie hat einen Bildungsauftrag?
Ja, absolut. Deshalb hat das Foto Arsenal Wien auch zwei Standbeine: auf der einen Seite die Ausstellungstätigkeit und auf der anderen einen Education- beziehungsweise Vermittlungsbereich, der die Auseinandersetzung mit Bildungsfragen in Bezug auf fotografische Bilder ermöglicht. Wir haben Workshopräume für Jugendliche mit einer Dunkelkammer und werden hier sehr aktiv versuchen, den Umgang mit Bildern zu fördern.
Du warst von 2005 bis 2022 Programmchef des Ausstellungshauses C/O Berlin. Was hat dich daran gereizt, von Berlin nach Wien zu wechseln?
Eine institutionelle Neugründung wie hier mit dem Foto Arsenal Wien ist in Europa singulär, das passiert nicht so oft. Es hat mich gereizt einen Ort mitzugestalten, der andere und neue Fragestellungen für das 21. Jahrhundert in einer Gesellschaft zu verankern versucht.
Was interessiert dich an der Arbeit als Kurator?
Für mich stellt sich die Frage, welche Relevanz ein Ausstellungsort heute hat, der sich mit Fotografie und Lens-Based Media auseinandersetzt. Ich denke, die Relevanz ist der Bildungsauftrag. Wir verstehen uns deshalb auch als Medienkompetenzzentrum und wollen die Leerstelle zwischen schulischer Bildung sowie dem Umgang mit Bildern in der breiten Gesellschaft schließen. Da gibt es nämlich große Lücken und Fotografie kann ein Trittbrett sein, das Leuten ermöglicht, in eine Welt der Kunst und Kultur einzusteigen.
Von 21. bis 23. März findet das Eröffnungswochenende im Foto Arsenal Wien statt – mit Party, Talks, Performances, Führungen und Workshops bei freiem Eintritt. Eröffnet wird mit den Ausstellungen »Magnum. A World of Photography« sowie »Clean Thoughts. Clean Images« von Simon Lehner. Das Festival Foto Wien findet von 3. Oktober bis 2. November am neuen Standort statt.