Plakatwahlkampf war gestern – während sich die österreichischen Kandidaten lang auf die großflächigen Sujets konzentrierten, werden Themen wie Big Data, verschiedenste Soziale Medien, Crowdfunding, Imagevideos und Gifs immer mehr zum Thema.
Mutig in die neuen Zeiten #bp2016
So wirklich herausstechen kann bei den aktuellen Online-Kampagnen auf den ersten Blick kaum ein Kandidat. Eine Bewertung des Social Media Content sei für den Privatnutzer aber auch fast nicht möglich, so Maderthaner. »Wenn Facebook-Auftritte richtig gemacht werden, sieht man nur einen Bruchteil des Contents, da mit Micro-Targetting die Inhalte nur für bestimmte Zielgruppen ausgespielt werden.« Dennoch sieht auch er noch Potenzial, gerade was die Interaktion betrifft – Facebook werde in Österreich noch immer hauptsächlich als Broadcasting-Kanal genutzt, auf lange Sicht müsse man sich hier nutzerorientierter verhalten: »Wir haben in Österreich nach wie vor das Leiden, dass sich der Content danach richtet, was die Akteure gerne sagen wollen – ohne dass darüber nachgedacht wird, wie man es verpacken oder präsentieren kann, um es konsumierbar zu machen«, erklärt der Experte.
Im aktuellen Wahlkampf haben die Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nur wenig Zeit, um bei ihren Wählern einen Eindruck zu hinterlassen. Gerade junge Wähler nehmen einige Kandidaten der Bundespräsidentschaftswahl im Wahlkampf zum ersten Mal medial wahr, ältere Wähler haben durch die vorherige politische Funktion möglicherweise ein vorgefertigtes Bild. Dazu kommt die Diskussion rund um den Nutzen des Amts, die in den letzten Jahren immer lauter wurde – wer nicht davon überzeugt ist, dass es einen Bundespräsidenten braucht, wird nicht zur Wahl gehen. Gleichzeitig haben so viele Kandidaten wie nie eine realistische Chance, es in die Stichwahl zu schaffen. Trotz all dieser Faktoren ist der Wahlkampf eher kurz – jedenfalls nach außen hin. »Jeder Kandidat erzählt nach außen, er plant einen kurzen Wahlkampf, der nur die nötigsten Mittel umfasst. Die Innensicht ist natürlich eine andere – alle Kampagnen sind über einen längeren Zeitraum angelaufen. Das werbliche Kampagnendenken sagt: Alle Mittel möglichst am Schluss konzentrieren«, erklärt Maderthaner. Dabei sei der Wahlkampf und auch schon der in vielen Ländern durchgeführte Vorwahlkampf, sofern er länger dauert, ein gutes Mittel, um Grassroots aufzubauen. Es brauche einen langfristigen Beziehungsaufbau mit einer Unterstützer-Community – das sei vor allem dann wichtig, wenn man auf Funding angewiesen ist.
Unabhängig. Für Österreich. #crowdfunding
Genau vor dieser Herausforderung steht Irmgard Griss in diesem Jahr. Während die Suche nach finanzieller Unterstützung in den USA traditionell zum Wahlkampf gehört, finanziert Griss als erste Kandidatin einer Bundespräsidentschaftswahl die Wahlkampfmaßnahmen ausschließlich durch Crowdfunding und konnte ihr selbstgesetztes Mindestbudget bereits akquirieren. Für Maderthaner ist dies keine Überraschung: »Eine der größten Beobachtungen bei Crowdfunding und Fundraising ist, dass die Menschen, die das Geld nötiger brauchen, auch besser agieren, weil sie den Grund und das Motiv für die Spende besser darstellen können.« Trotzdem sei laut dem Campaigning-Experten ein Umdenken nötig: eine Spende müsse als Abschluss eines langfristigen Beziehungsaufbaus und nicht als Beginn gesehen werden. Dadurch müssten Kampagnen allerdings deutlich längere Vorlaufzeiten haben, um am Ende jemanden dazu überzeugen, Geld zu spenden. Mit ihrem selbstgesetzten Mindestbudget von 500.000 Euro liegt Griss dennoch weit hinter der Summe, die andere Kandidaten investieren können. Gerade mit wenig Geld zur Verfügung könnten digitale Kampagnen aber von Vorteil sein, meint Maderthaner: »Vor allem Underdogs haben sicher gute Chancen, wenn sie ihr Budget mutig widmen. Man erreicht über Facebook eine sehr große Anzahl an Menschen – in Österreich etwa drei bis vier Millionen. Alle Kanäle können natürlich nicht bespielt werden, die Gießkanne funktioniert nur dann, wenn sie wirklich voll ist.«
Neue Kanäle #letsgetloud
Facebook, Twitter, Instagram, Spotify, Pinterest und sogar Giphy – die Inhalte der politischen Kampagnen lassen sich weit streuen, doch wo sollte man präsent sein? Die Frage nach dem Kanal muss sich laut Maderthaner schlussendlich nach der Zielgruppe richten – Facebook biete sich an, um den Mainstream abzudecken, Twitter spiele als Meinungsbildnermedium eine Rolle und auch Instagram könne ebenfalls gut genutzt werden. Blickt man in die USA, so findet man dort bereits eine größere Vielfalt an Kanälen: Snapchat-Videos, aber auch Playlists auf Spotify sollen zusätzliche Wähler erreichen. »Bei so knappen Rennen wie in den USA kann man es sich nicht leisten, einen Kanal nicht zu bespielen – was das betrifft, herrscht in Österreich auch durch die Mehrparteienlandschaft der Luxus, sich auf weniger Kanäle konzentrieren zu können«, erklärt Maderthaner. Um zusätzliche Wähler zu gewinnen, hat Hillary Clinton beispielsweise »The Official Hillary 2016 Playlist« erstellt, die immerhin 5.000 Follower ausweist und einen Mix aus Happy Songs à la »Happy« von Pharrell Williams, »Let’s Get Loud« von Jennifer Lopez oder aber »What Doesn’t Kill You Makes You Stronger« von Kelly Clarkson beinhaltet. Auch Spotify hat reagiert und bietet die Reden sämtlicher Kandidaten, die in diesem Fall als Artist geführt werden, zum Abruf an. Ebenfalls reagiert hat die Plattform Giphy, die Live-Gifs von den Auftritten der amerikanischen Kandidaten auf ihre Plattform stellt und deren Links mittels Google-Doc an 25 führende US-Medienhäuser weitergibt. Die New York Times sieht Gifs sogar als neue und relevante Medien im aktuellen Wahlkampf und sieht hier einen Vorteil für Trump, dessen Grimassen-Gif viral wurde. Trump sei »gif-able« und wirke durch die kurzen Filmchen ohne Message durchaus sympathisch. Gerade weil die kleinen Kurzvideos keine politischen Inhalte verbreiten würden, wäre die Chance, dass sich Eindrücke der Kandidaten viral verbreiten, extrem groß.
Aber nicht nur die Kanäle, auch die Ausgaben für Anzeigen mit politischem Umsatz sind stark gestiegen und werden 2016 laut dem amerikanischen Magazin Wired eine Rekordhöhe von 11,4 Milliarden Euro erreichen – das ist um 20 Prozent mehr als im Jahr 2012 und rund eine Milliarde davon fließt in Social Media Targeting. Die online zu erreichende Zielgruppe wird mit jedem Jahr größer, die Maßnahmen sind vergleichsweise kostengünstig und die Erfolge sind so genau messbar wie kaum andere – ob das Plakat in Österreich gestürzt werden kann, bleibt dennoch zu bezweifeln.