Warum die Ars noch immer relevant ist

Franz Xaver, Geschäftsführer der Linzer Stadtwerkstatt, schrieb dieser Tage einen Nachruf auf das Ars Electronica, der mich zum Grübeln brachte.

Natürlich haben die einzelnen Zweige der Ars heute Konkurrenz wie Sand am Meer. Auch lokal, Agenturen für neue Medien gibt es sogar in einer kleinen Stadt wie Linz zuhauf. Aber die Kombination eines Festivals, eines immer noch international begehrten Preises, eines Museumbetriebs, eines Forschungslabors und einer kommerziellen Medien- und Ausstellungsagentur ist in dieser Form einzigartig. Das mag einem Puristen wie Franz Xaver nicht schmecken, ist aber eine logische Weiterentwicklung und entspricht im Vorwärtstreiben dem Geist der Ars Electronica.

Nicht versabelt, vernachlässigt

Dennoch klappert es heftig im Getriebe. Anders als Franz Xaver sehe ich ein mögliches „Versabelns“ aber nicht in der Einführung des Wortes „Kohle“ in die Betriebsgleichung. Im Gegenteil: Die Ars Electronica wurde im letzten Jahrzehnt finanziell ausgehungert. Die Ausstellungsfläche des Museums wurde verdoppelt, das Budget nicht. Das Futurelab und Solutions zahlen ihren Angestellten heute weniger als diese am freien Markt verdienen könnten. Dass dennoch so viele dabei bleiben, hängt wohl an der guten Arbeitsatmosphäre und am noch immer großen Klang des Namens. Das Festival selbst kämpft seit Jahren mit schwindenden Budgets und kann die einstige Größe nur durch den Verschleiß junger, williger Kulturarbeiterinnen und Kulturarbeiter ausgleichen (im Übrigen auch ein Punkt, der mal diskutiert werden sollte).

Linzer Musiktheater – Elitärer Prachtbau

Dem Ars ist dabei vorzuwerfen, dass es der Politik nicht reinen Wein einschenkt und klar macht, dass mit immer kleineren Budgets nicht immer größere Produktionen umzusetzen sind. Der Politik ist vorzuwerfen, dass sie lieber 180 Millionen Euro in den Bau eines elitären Prachtbaus wie dem Linzer Musiktheater versenkt, der auch dementsprechend höhere Mittel im Betrieb frisst. Hätte man alleine die jährliche Förderung des Musiktheaters in die Ars Electronica investiert, hätte dieses sein Budget mindestens verdreifachen können. Doch statt Investition in Aufbruch und Zukunft gab es Investition in Vergangenheit und Wagner. Dass dabei auch die Sozialdemokraten mitmachten, schmerzt umso mehr. Besonders wenn einem hinter vorgehaltener Hand fast jede/r bestätigt, dass das Musiktheater ohnedies niemand jemals brauchte oder wollte.

Ein letzter Kritikpunkt lässt sich an der personellen Kontinuität festmachen. In der gesamten Zeit der Ars Electronica gab es bloß zwei künstlerische Leiter, Peter Weibel und Gerfried Stocker. Der Letztere ist seit 1996 im Dienst, macht einen durchaus guten Job und kann auf ein riesiges Netzwerk zurückgreifen. Dennoch stellt sich die Frage, ob ein Wechsel in der Intendanz nicht wieder frischen Wind in das Ars Electronica bringen würde. Stockers Vertrag läuft noch bis 2015 – vielleicht wird es dann Zeit für die erste weibliche Leiterin der Ars Electronica? Auch das wäre ein schönes Zeichen der Veränderung in der doch männerlastigen (Medien-)kunstwelt.

Summa Summarum

Ja, die Ars hat sich über die Jahre verändert – und das ist gut so. Jetzt braucht es den kulturpolitischen Mut, diesen Kurs der Veränderung mit allen Kräften weiter zu unterstützen. Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, dass die Ars Electronica auch in 30 Jahren noch internationales Renommée genießt, wie immer sie dann aufgestellt sein wird. Aber der Vergangenheit nachweinen, das bringt uns sicher nicht weiter.

Über den Autor: Thomas Diesenreiter, geboren 1986, politischer Aktivist, Künstler und Kulturmanager. www.diesenreiter.at

Disclaimer: War 2010-2011 für das Ars Electronica Festival und das Ars Electronica Futurelab tätig.

Bild(er) © Mariano Sardón / Mardiano Sigman, Nicolas Ferrando / Lois Lammerhuber
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