Franz Xaver, Geschäftsführer der Linzer Stadtwerkstatt, schrieb dieser Tage einen Nachruf auf das Ars Electronica, der mich zum Grübeln brachte.
Das Ergebnis seiner Analyse steht schon im ersten Absatz fest: Früher war alles besser, da wurde noch echte Medienkunst in Linz gemacht. Dann kam die Politik und das Geld, und alles war kaputt. Angebliche „parteipolitische Interessen“ haben „viel Schaden“ für die Stadt erzeugt. Eine Präzisierung, was er damit meint, bleibt er freilich schuldig. Schade, hätte mich interessiert. Und Franz Xaver müsste es ja wissen, war er doch selbst bis in die 90er in der Ars Electronica tätig.
Eines ist sicher: Die Ars Electronica ist nicht mehr dasselbe wie in den 1970ern. Ein Umstand, den viele ehemalige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter wie Franz Xaver bedauern. Was sie dabei aber außer Acht lassen: Auch der Rest der Welt ist nicht mehr derselbe wie in den 1970ern.
Die Konkurrenz
Als alles anfing, damals in der guten alten Zeit, da hatte die Ars Electronica wirklich eine Pionierrolle. Sie wurde schnell zum wichtigsten Festival, welches sich mit digitaler Kunst und den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft beschäftigte. Eigentlich ein kleines Wunder für eine Stadt wie Linz, dass sie es jahrelang schaffte, die Konkurrenz aus vielfach größeren Städten sowohl inhaltlich als auch quantitativ abzuhängen. Ein noch größeres Wunder wäre es aber gewesen, wäre Linz heute noch immer die einzige Stadt mit einem bedeutenden Medienkunstfestival.
In Berlin fand das erste (club-)transmediale Festival zwar erst neun Jahre nach der ersten Ars Electronica statt, konnte dieses allerdings wohl dank des Standorts mittlerweile auf einigen Ebenen abhängen. Besonders das CTM Festival (Club Transmediale) bringt Jahr für Jahr ein Musik und Visualprogramm auf die Bühne, das man in Linz das ganze Jahr über nicht sieht – auch nicht während der leider eher dürftigen Ars Nightlines. Auch beim Diskursprogramm haben die transmediale und viele andere Medienkunstfestivals aber auch Institutionen mittlerweile zum Ars Electronica Festival aufgeschlossen oder es gar überholt. Im Ausstellungsbereich dürfte das Ars noch die Nase vorne habe, denkt man sich als Linzerin oder Linzer auf Besuch im Ausland doch oft: „Das kenn‘ ich doch schon.“
Ars am richtigen Weg
Wer jetzt denkt, ich sei doch einer Meinung mit Franz Xaver, der irrt. Denn im Gegensatz zu ihm glaube ich, dass die Ars Electronica den richtigen Weg gegangen ist. Die verantwortlichen Führungspersonen haben die zuvor skizzierte Entwicklung vorausgeahnt. Sie wussten, dass das Alleinstellungsmerkmal des Festivalpioniers nicht ewig währen würde. Hätten sie das nicht vorausgesehen, wäre das Ars schon viel früher in der Versenkung geschwunden. Neue Standbeine abseits des funktionierenden Festivals aufzubauen und den Schwung des Festivals mitzunehmen war die richtige kulturpolitische Entscheidung.
Das Museum, das Futurelab und die erst kürzlich gegründete Ars Electronica Solutions waren die einzige schlüssige Möglichkeit, sich wieder ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen. Dass das Futurelab lange Zeit als Cashcow des Betriebs auch ermöglichte, die anderen Unternehmungen quer zu finanzieren, ist meiner Meinung nach nicht ausschließlich negativ zu sehen. Dass es dabei durchaus Interessenskonflikte in der Prioritätensetzung gab, ist nicht zu negieren. Aber das Futurelab hatte und hat noch immer gerade im Forschungsbereich ein hohes Standing, davon zeugen dutzende Projekte und Forschungsförderungen in den letzten Jahren. Der angesprochene Widerspruch zwischen Forschung und kommerzieller Verwertung wurde mit der Trennung in das forschungsorientierte Futurelab und der vertriebsorientierten Solutions angegangen. Ob erfolgreich, wird sich erst weisen, aber auf beiden Seiten sitzen Teams mit viel Know-How und erfahrene Führungskräfte.