Nicht zum ersten Mal rumort es rund um die Zukunft von FM4. Doch diesmal könnte es ernst werden. Mit einer neuen Senderleitung und einer neuen ORF-Direktion, die dem Sender Verjüngung vorschreibt, stehen die Vorzeichen auf Umbau. Doch wohin soll die Reise gehen? Ist Verjüngung um jeden Preis das richtige Rezept für FM4? Was ist der eigentliche Wert des angeblichen Jugendsenders für die österreichische Kulturlandschaft?
Dabei besteht allerdings die große Gefahr, dass in diesem Umbauprozess der eigentliche Wert des Senders verloren geht. Denn wie auch bei Lang anklingt war die Positionierung des Senders nie ausschließlich an eine Altersgruppe geknüpft. Auch wenn die Hörer*innen von FM4 früher im Schnitt jünger gewesen sein mögen, FM4 war nie Jugendradio, zumindest nicht nur. Es war immer auch Popkulturradio, immer auch Subkulturradio. In den letzten Jahrzehnten hat es FM4 geschafft zentral für die österreichische Popkultur und insbesondere für die österreichische Popmusik zu werden.
Das FM4-Logo ist in der österreichischen Kulturszene fast allgegenwärtig. In Kinos und Clubs, auf Plakaten und Flyern: FM4 ist nicht nur Radio, FM4 ist Vernetzung. Es ist ein Team von Mitarbeiter*innen, die eine unglaubliche Menge an Wissen um (österreichische) Popkultur angehäuft haben und täglich vermitteln. Es sind Formate, Initiativen und Projekte wie etwa der »Soundpark«, der für so viele österreichische Musiker*innen die erste Plattform, die erste Form der breiteren Öffentlichkeit war und ist. Es sind die Veranstaltungen, die Feste, die Festivals, die nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich ein bisschen alternative Popkultur verbreiten. Und nicht zuletzt ist es eine Community von Hörer*innen und Mitstreiter*innen, die um den wahren Wert von FM4 wissen.
»FM4 entdeckt und fördert«
Der AKM-Präsident Peter Vieweger formuliert es sehr deutlich: »Meiner Meinung nach muss alles unternommen werden, dass FM4 eine lange und erfolgreiche Zukunft haben wird. Der ORF behauptet, dass die österreichische Kultur Teil seiner DNA sei. FM4 als kleiner Spartensender im großen Getriebe steht sinnbildlich für diese DNA und ich hoffe sehr, dass nicht nur in diesem Sender, sondern auch in anderen ORF-Sendern die österreichische Musik den ihr gebührenden Stellenwert bekommt.«
Für Franz Pleterski von Warner Music Austria kommt der Sender seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht nur nach, sondern ist »Musterschüler im ORF-Universum«. FM4 hat für ihn eine »wichtige Rolle im Entdecken und Fördern österreichischer Musik. FM4 entdeckt und fördert, vor allem auch diejenigen, die sonst kaum Gehör finden. Und das zumeist nachhaltig über viele Jahre.«
Auch Vieweger unterstreicht die Bedeutung, die FM4 in der Förderung junger Bands hat: »Vor allem für den Nachwuchs in der Musikszene ist FM4 essenziell. Österreichische Acts wie Bilderbuch, Wanda, Cari Cari und viele andere wurden durch FM4 in der Öffentlichkeit wahrgenommen und wenig später sehr erfolgreich. FM4 bietet speziell jungen Bands und Künstler*innen eine Medienbühne, die nicht nur als Startrampe für spätere Karrieren, sondern auch als Brand für eine bestimmte Musikrichtung gilt.«
Tatjana Domany vom Österreichischen Musikfonds bezeichnet FM4 als »den ersten Ansprechpartner, das erste offene Ohr, das man findet. Es ist nicht selbstverständlich, dass es einen Sender mit so einem Qualitätsstandard, so einer Offenheit für neue Musik gibt. In Deutschland werden wir oft dafür beneidet.« Wenn FM4 über neue österreichische Bands berichtet, ist das für sie ein »Qualitätsmerkmal nach außen« und FM4 selbst ein »unersetzliches Medium, um das Ansehen von österreichischer Musik hochzuhalten«.
Natürlich nicht perfekt
Selbstverständlich gibt es auch bei FM4 trotz allen Lobes Potenzial für Verbesserung. Lang etwa sieht die Zukunft von FM4 »vielfältiger und vielstimmiger«. FM4 sollte aber nicht versuchen, krampfhaft jünger zu werden, sondern: »nicht bequem zu werden; einerseits inhaltlich mutig zu sein, andererseits beweglich zu sein, wenn es darum geht, für Junge (diesmal wirklich als Alterszuschreibung gemeint) auffindbar zu werden, die uns vielleicht gar nicht suchen und auch ihnen eine Homebase anzubieten, wo sie sind – und das sind eben nicht mehr nur Konzerte, Clubs, Läden, sondern digitale Plattformen.«
Vieweger wünscht sich noch mehr österreichische Musik. Wie auch Domany: »Jeder öffentlich-rechtliche Radio- und TV-Sender in Österreich könnte mehr tun, um die österreichische Kulturlandschaft abzudecken. FM4 macht aber tatsächlich im Sendervergleich sowieso schon am meisten.«
Wenn die neue Senderleitung aber statt solch behutsamen Veränderungen einen radikalen Umbau sucht, falls die ORF-Direktion den Wert, den sie an FM4 hat, die Bedeutung für die österreichische (Pop-)Kulturlandschaft, weiterhin ignoriert, dann wird es auch mit der gewünschten Verjüngung sicherlich nicht funktionieren. Denn FM4 nur als Jugendsender zu verstehen, ist eben einfach ein grundlegendes Missverständnis, sowohl vom Sender als auch von der Jugend.
Vom Sender, weil Anspruch und Ausrichtung sich nie auf ein bestimmtes Alter beschränkt haben. Und nur deswegen konnte der Sender überhaupt die popkulturelle Bedeutung erlangen, die er heute hat. Von der Jugend, weil diese noch nie ein monolithischer Block war und ganz besonders nicht unter den heutigen Vorzeichen von sozialen Medien und nahezu unlimitiertem Zugang zu neuer Musik.
Radio als Entdeckermedium
FM4 hat immer schon Nischen angesprochen und die Menschen in diesen Nischen – jüngere wie ältere. Um weiterhin junge Menschen zu erreichen, braucht es keine völlige Neuorientierung, es braucht ein Verständnis dafür, was Radio, was lineare Medien ausmacht. Wie Domany es formuliert: »Radio ist ein Entdeckermedium, wo Menschen mit Dingen konfrontiert werden, die sie nicht kannten. Das ist gesellschaftlich ein großer Wert, dass man nicht nur auf die Dinge stößt, die man eh schon kennt, oder die Menschen, mit denen man im Weltbild eh schon übereinstimmt.«
Es wird hoffentlich immer Menschen geben, denen dieser Wert bewusst ist, eine Community von Jung bis Alt, für die das Entdecken von Neuem, die Begegnung mit anderem und das Schwimmen gegen den (Main-)Strom einen Wert haben. Das war der Grund, warum FM4 für mich als Jugendlicher mein kulturelles Zuhause war. Das ist der Grund, warum ich mich auch zwei Jahrzehnte später immer noch beim gleichen Sender zu Hause fühle. Hoffen wir, dass FM4 auch in Zukunft noch ein vielstimmiges und vielfältiges Zuhause bieten kann.
Noch ist FM4 jedenfalls 24/7 on air. Neben der klassischen Variante via Radiogerät lässt sich der Sender auch per Stream hören, in Form von Podcasts aufrufen, auf der Website lesen oder auf Instagram liken. Und – so Corona will – gibt’s im Jänner 2022 auch wieder ein FM4-Geburtstagfest. Stay tuned!