Ein Zuhause für die Subkultur – Warum FM4 nie (nur) Jugendsender war

Nicht zum ersten Mal rumort es rund um die Zukunft von FM4. Doch diesmal könnte es ernst werden. Mit einer neuen Senderleitung und einer neuen ORF-Direktion, die dem Sender Verjüngung vorschreibt, stehen die Vorzeichen auf Umbau. Doch wohin soll die Reise gehen? Ist Verjüngung um jeden Preis das richtige Rezept für FM4? Was ist der eigentliche Wert des angeblichen Jugendsenders für die österreichische Kulturlandschaft?

© Samuel Kreuz — Droht der Traum eines Senders zu zerplatzen?

Um die Jahrtausendwende in der oberösterreichischen Provinz aufzuwachsen war oft einsam. Insbesondere für Jugendliche, die sich aus verschiedensten Gründen anders, nicht zu Hause fühlten. Nicht zu Hause im sie umgebenden Ort. Nicht zu Hause im sie umgebenden Leben. Nicht zu Hause in der sie umgebenden Kultur. Pop- und Subkultur boten potenzielle Auswege, waren aber abseits der Städte schwer zugänglich. Das Internet war weit weniger interaktiv, soziale Medien im heutigen Sinn existierten noch nicht. Wo von neuer Musik erfahren? Wo neue Musik hören? Wo in eine eigene Subkultur eintauchen? Für mich wie für viele andere bot FM4 dieses kulturelle Zuhause in einer österreichischen Medienlandschaft, in der sonst weder der Jugend noch der Nische viel Platz eingeräumt wurde. Auf FM4 hörte ich neue Tracks, neue Künstler*innen, neue Genres. Ich hörte Menschen, die Popkultur ernst nahmen, für die Musik nicht nur etwas war, das nebenbei lief. Nicht zuletzt hörte ich auch andere Hörer*innen, hörte mich selbst und meine Erfahrungen hundertfach gespiegelt.

Gegen den (Main-)Strom

»You’re at Home, Baby!« – Der langjährige Leitspruch des Senders drückt für Angelika Lang diese Vision des Senders aus, mit dem er auch 1995 on Air ging: »Wir wollten damals Radio machen für Menschen, die bis dahin auf Ö3 in Enklaven wie ›Musicbox‹, ›Zick Zack‹, ›Nachtexpress‹ wahrgenommen wurden. Für eine an alternativer Popkultur und Subkulturen in allen Spielarten interessierte Community, verbunden durch Eigenschaften, die gemeinhin der ›Jugend‹ zugeschrieben werden: Die Lust an Opposition, am Hinterfragen, an Neuem, am eigenen Urteil, am Schwimmen gegen den (Main-)Strom. Kurz und pathetisch gesagt: am Abenteuer – mit Musik als Lebensmittel.« Wenige können diese Anfangsintention wohl so gut einschätzen wie Lang, die erste Stimme auf FM4. Sie selbst wollte damals vor allem das Radio machen, das sie selbst hören wollte. Radio nicht (nur) für Jugend als Altersgruppe, sondern als Geisteshaltung.

Ein Teil des FM4-Teams rund um Monika Eigens­perger (rechts vorne) bei der Einweihung der neuen FM4-Studios am Küniglberg im November 2019. (Foto: Clemens Fantur)

Dieses Verständnis von Jugend und der damit einhergehenden Ausrichtung zieht sich durch den ganzen Sender. Es ist der Grund, warum Menschen wie ich, für die FM4 als Jugendliche Homebase war, ihm nach wie vor treu geblieben sind und warum die Hörer*innenschaft dementsprechend über die Jahre mit dem Sender gealtert ist. Für viele im ORF scheint die Aufgabe von FM4 jedoch primär an eine Altersgruppe gebunden. Der neue Generaldirektor Roland Weißmann wurde bereits vorab in seinem Wahlkonzept für den ORF sehr deutlich: »In seiner Ausrichtung als Jugendradio verfehlt FM4 sein Mission Statement und ist in der erreichten Zielgruppe zu spitz positioniert.« FM4 müsse neu gedacht werden. Ingrid Thurnher, die neue Radiodirektorin des ORF, ließ bei der ersten Pressekonferenz verlauten, sie möchte sich FM4 »sehr genau anschauen«. FM4 scheint auch sie vor allem als Jugendsender zu verstehen und die Hörer*innenschaft müsse wieder »in Richtung Jugend« erweitert werden. »Wenn uns das gelingt, dann hat FM4 seinen Platz, wo er jetzt ist.« Was geschehen wird, falls das nicht gelingen sollte, darüber schwieg sie sich bislang aus.

Verjüngung um jeden Preis?

Das alles dürfte aber demnächst konkretere Züge annehmen, wurde doch im Oktober die Stelle der Senderleitung ausgeschrieben. Monika Eigensperger ist seit 1996 an der Spitze von FM4, seit 2016 mit einer Doppelrolle als Radiodirektorin für den gesamten ORF. Zur Drucklegung dieser Ausgabe stand noch nicht fest, wer ihre Nachfolge antritt, 16 Bewerber*innen gab es gerüchteweise, einige aus dem bestehenden Senderteam, aber auch aussichtsreiche Kandidat*innen, die bislang wenig mit Radio und nichts mit FM4 zu tun hatten. Sicher scheint jedenfalls, dass ein Umbau des Senders durch die neue Senderleitung zumindest auf der Wunschliste von Weißmann steht. Ziel dieses Umbaus soll dann eben die Verjüngung des Senders sein, eine Konzentration auf die Aufgabe als Jugendkultursender.

Weiter zu: FM4s Bedeutung für die österreichische Musik, »Musterschüler im ORF-Universum« und Neid aus Deutschland

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