Aller Voraussicht nach bleibt Heinz Fischer Bundespräsident. Im Wahlkampf ist außer ihm nur das mütterliche Lächeln der Vergangenheit wahrnehmbar. Das ist ein Erfolg. Viele hätten gerne darauf verzichtet. Warum ist der Wahlkampf von Barbara Rosenkranz erfolgreich?
Corinna Milborn
Ein Wahlkampf um die Stimmung im Land
Ob sie nun 15, 10 oder auch nur 5 Prozent der Stimmen bekommt: Der Wahlkampf von Barbara Rosenkranz war schon in jenem Moment erfolgreich, in dem sie als einzige Herausfordererin zur Bundespräsidentenwahl antrat. Denn der Ausgang der Wahl stand auch ohne sie schon fest. Der Wahlkampf ist also einer um die Stimmung im Land, um den Diskurs – und Diskurs schafft Wirklichkeit. Wer oft genug »Bettelmafia« statt »Armut« sagt, ändert den Blick, mit dem wir ausgestreckte Hände sehen; wer immer wieder »Einbrecherbanden aus dem Osten« heraufbeschwört, schafft Ängste und ändert so die Gesetze, auch wenn er nicht in der Regierung sitzt. Dieser Wahlkampf bietet den perfekten Rahmen dafür. Der Bundespräsident mag rein machtpolitisch obsolet erscheinen. Doch mehr als die Hälfte der Österreicher werden zur Wahl gehen, obwohl das Ergebnis schon fest steht. Denn die Wahl zu einem Amt, das vor allem Österreich repräsentiert, ist auch eine Abstimmung über die Werte und den Stil, für die das Land steht. Doch die Parteien nehmen die Wahl weit weniger wichtig als die Bevölkerung. Damit wird der Wahlzettel zur Karikatur der Verhältnisse: Rot und schwarz fließen in einem Kandidaten zusammen, der für ein schläfrig-beruhigendes »weiter wie bisher« steht. Wer angesichts der multiplen Krisen aber meint, dass »weiter wie bisher« die falsche Richtung ist, hat nur eine Alternative: die rechtsextreme. Dieser Eindruck wird nachhaltig sein.
Die FPÖ gewinnt damit dreifach. Erstens signalisiert sie Ernsthaftigkeit und Leidenschaft – unabhängig davon, ob Posten zu gewinnen sind. Zweitens bleibt den Medien gar nichts anderes übrig, als den rechtsrechten Positionen einer Rosenkranz Platz zu geben. Dass diese Positionen zugleich beflissen kritisiert werden, stärkt sie bei der Zielgruppe nur. Drittens verschiebt sich das Spektrum deutlich nach rechts: Rosenkranz darf nicht umsonst ungestraft »Kellernazi« genannt werden. Ihre Positionen werden wohl von nicht mehr als zwei Prozent der Bevölkerung geteilt. Egal, wie das Ergebnis ausfällt – sie wird dieses Potential vervielfacht haben. Es wird nach diesem Wahlkampf salonfähiger sein, über die Existenz von Gaskammern zu spekulieren. Wer einen Stacheldrahtzaun um Österreich fordert, wird weniger verrückt gelten. Es wird der Boden bereitet sein für einen weiteren Rechtsruck, der Niederschlag in Gesetzen finden wird. Mehr Erfolg kann ein rechter Wahlkampf nicht haben.
Corinna Milborn, geboren 1972, ist Kolumnistin bei der Menschenrechtszeitschrift »liga« und Stv. Chefredakteurin von »News«.
Foto Ecker (© Ecker und Partner)
Haben Sie eine Kandidatur von Frau Rosenkranz gebraucht, um sich besser zu fühlen? Ich nicht. Und Österreich hat es auch nicht gebraucht. Wir hatten schon SS-ler im Parlament, einen „ordentlichen Beschäftigungspolitiker“ als Landeshauptmann und einen SA-ler als Bundespräsidenten. Da braucht es keine mehr, der zu Auschwitz nichts einfällt. Es ist in Österreich schon Übel genug geschehen in den Jahrzehnten nach dem Krieg an nichtwollender Distanz zu den Nazis. Warum ein Land dauernd Anlässe braucht, um seine Reife in Sachen Demokratie dokumentieren zu können, ist mir ein Rätsel. Aber wie haben die Nachbarn von Frau Rosenkranz jüngst treffend festgestellt: Sie ist eine ganz unauffällige Frau. Na Gott sei Dank! Ein Erfolg. Dietmar Ecker, geboren 1964, ist Chef von Ecker und Partner, einer der größten PR Agenturen des Landes.
Hubert Sickinger
Wahlkampf ist nicht erfolgreich
Die Kandidatur der FPÖ zielt in Wirklichkeit auf andere Wahlen: Sie bringt zwei Monate Präsenz in Fernsehen und Printmedien, die zur Kommunikation von FPÖ-Positionen genützt werden kann. Mangels ÖVP-Kandidat sind Ergebnisse deutlich über der NR-Wahl 2008 wahrscheinlich, ein nachhaltiges Ansprechen ÖVP-affiner Wähler erscheint möglich. Die FPÖ hat sich allerdings für die falsche Kandidatin entschieden. HC Strache hätte eine Kandidatur als Zwischenkampagne für die Wien-Wahl im Herbst nützen können. Rosenkranz wird massiv von der Krone unterstützt (was sicherlich Stimmen bringt); sie spricht als Person und mit ihren Themen aber vor allem nationalkonservative Wähler an. So werden keine neuen Wähler dauerhaft an die Partei gebunden, mit Debatten ums NS-Verbotsgesetz werden diese eher vertrieben.
Hubert Sickinger, 44, ist Politikwissenschafter und Buchautor (aktuelles Buch: »Politikfinanzierung in Österreich«, Czernin). Er twittert seine Sicht der politischen Dinge als @HubertSickinger.
Lucia Felbermayer
Erfolgserhalt durch Volkserhalt
Ist Barbara Rosenkranz erfolgreich? Eine Frage des Ziels. Definitiv nicht gelungen ist es, die Matrone der Rechten als wählbare Option für die Bürgerlichen zu positionieren. Aber war davon ernsthaft auszugehen? Steht Rosenkranz doch archetypisch für das braune Österreich, an dem der durchschnittliche Konservative dann doch nicht anstreifen möchte. Durchaus geglückt ist Strache mit dieser Nominierung, inklusive Verbotsgesetz-Sager, die Mobilisierung der Rechten bis in die dunkelsten ideologischen Winkel, in denen der Diskobube selbst nicht ernst genommen wird. Sind exklusiver Machtanspruch im freiheitlichen Lager und eine Positionierung als der einzige Haider-Erbe Straches wahre Ziele – dann ist Familie Rosenkranz durchaus dienlich.
Lucia Felbermayer, 31, hat Kommunikations- und Politikwissenschaft studiert und ist derzeit Strategie- und Kommunikationsberaterin bei Gehrer Plötzeneder DDWS.
Günther Ogris
Kommunikation ist erfolgreich, wenn sie Klarheit schafft
Noch ist es zu früh zu beurteilen, ob der Wahlkampf von Barbara Rosenkranz ein Erfolg oder ein Fehlschlag ist. Wahlkämpfe soll man erst am Ende des Wahltages beurteilen. Aber über die ersten Schritte in diesem Wahlkampf kann man bereits erste Einschätzungen abgeben.
Da ist die Kandidatur selbst – die kann man auf jeden Fall als persönlichen Erfolg der Kandidatin sehen. Für ein ehrenhaftes Amt wie die österreichische Präsidentschaft als Kandidatin aufgestellt zu werden, ist auf jeden Fall schon ein Erfolg. Als sie vor Monaten zum ersten Mal genannt wurde, hat der Parteivorsitzende ihre Nominierung zurückgepfiffen und sich selbst ins Spiel gebracht. Sie hat sich parteiintern gegen H. C. Strache durchgesetzt – seine Niederlage krönt ihren Erfolg. Ein Erfolg ist die Kandidatur auch, weil die ÖVP keinen Kandidaten ins Rennen schickt – und auch keine Wahlempfehlung für den amtierenden Bundespräsidenten abgibt. So öffnet sie die Tür für jene ihrer Wähler, die sich selbst als politisch rechts einstufen und aufgrund tiefer Hassgefühle auf sozialdemokratische Funktionäre zur Kandidatin der FPÖ ausweichen. Selbst ihre Nominierung stellt einen Erfolg dar. Die Tatsache, dass sie das Verbotsgesetz in Frage stellte, brachte das rechtsextreme familiäre Umfeld in die Öffentlichkeit. Im Sinne der Demokratietheorie ist politische Kommunikation dann erfolgreich, wenn sie Klarheit schafft und Entscheidungen erleichtert. Das ist in diesem Fall besonders rasch gelungen. Rechtsextremismus ist in Österreich noch unbeliebter als Islamismus. Drei Viertel der ÖVP-Wähler haben in den Umfragen angekündigt, Heinz Fischer zu wählen.
Günther Ogris, 49, leitet das Institute für Social Research and Analysis (SORA), und ist seit 25 Jahren in der Wahlforschung tätig.
Sepp Tschernutter
Weil wir Österreich sind
Österreich wählt in der Regel mehrheitlich konservativ. Rund jede/r Fünfte wählt treu die FPÖ. Die FPÖ »spielt« mit rechtsradikalem Gedankengut. Das treibt die einen in Rage, die anderen freut’s. Seit Jahren schon. Die Kronen Zeitung mag viele Themen der FPÖ und die Kronen Zeitung ist stark. Viele bilden sich mit ihr eine Meinung. Die Krone unterstützt Barbara Rosenkranz. Denn die Krone macht was sie will. Barbara Rosenkranz macht was die Krone will. So wie viele andere Politiker auch. Hans Dichand schätzt das. Er wird Frau Rosenkranz weiterhin unterstützen. Eidesstattlich. Heinz Fischer macht einen fehlerlosen, langweiligen Job. So ist das Amt. Nicht alle wollen Heinz Fischer wählen. Aber da sind keine weiteren Kandidaten. Da ist nur Barbara Rosenkranz. Das ist schlecht für die Demokratie. Das ist verantwortungslos von jenen, die gerne und immer Verantwortung fordern. Das ist langweilig. Danke ÖVP! Danke Grüne! Danke BZÖ! Viele werden deshalb nicht wählen. Viele, denen Heinz Fischer zu langweilig oder zu links und Frau Rosenkranz zu rechts ist. Das stärkt Frau Rosenkranz. Denn wenig Auswahl gibt dem Rest mehr Aufmerksamkeit. Auch aus dem Ausland. Kritische Berichte, wieder einmal. Das mögen viele gar nicht. Jetzt erst recht Rosenkranz. Das wird in jedem Fall ein erfolgreicher Wahlkampf für Frau Rosenkranz. Das wird in jedem Fall ein unangenehmer Wahlkampf für Heinz Fischer. Worüber soll er reden? Es gibt keine Themen. Mit wem soll er reden? Da ist nur Barbara Rosenkranz. Ein Fernsehduell? Geht gar nicht. Müsste eigentlich aber sein. Blöde Sache. Aber er darf dann ja auch weitermachen. Als Bundespräsident der Republik. Dank einer Wahl, die keine ist. Weil wir Österreich sind.
Sepp Tschernutter, 44, ist Kommunikationswisssenschafter und Chef der PR-Agentur Grayling (vormals Trimedia), die als österreichischer Zweig eines internationalen Netzwerkes in den vergangenen Jahren mehrfach mit PR-Preisen ausgezeichnet wurde.
Wir wollten von Kommunikationsexperten wissen, warum der Wahlkampf von Barbara Rosenkranz erfolgreich ist. Die Definition von Erfolg haben wir dabei bewusst offen gelassen. Die Wahl wird zu Gunsten von Heinz Fischer ausgehen. Der Erfolg von Barbara Rosenkranz sind aber nicht nur die Prozentpunkte, die sie Fischer abjagt, sondern ihre Präsenz und damit die ihres Weltbildes in der Öffentlichkeit. Und die ist nicht zuletzt dank eines kleinformatigen Zeitungs-Phänomens groß. Franz Schuh hat unlängst im Magazin Datum geschrieben: »Der Zar unterhält das Volk mit dem Hässlichsten, das es in sich trägt.« Das Hässliche, von dem Menschen wie ich glaubten, dass sich dieses Land endgültig von ihm verabschieden sollte, kommt wieder deutlicher an die Oberfläche, diesmal verpackt in ein mütterliches Lächeln. Aber wir wissen schon, wer mit »WIR« – die Versalien auf den Wahlplakaten der FPÖ hätten wir gar nicht gebraucht – gemeint ist. Und wer die »anderen« sind, ist auch klar.
Barbara Rosenkranz hat sich einiges angetan. Sie tritt gegen einen Präsidenten an, gegen den sie keine realistische Chance hat. Sie hat sich per eidesstattlicher Erklärung zu einer Wahrheit bekennen müssen, die ihre Stammklientel und ihr persönliches Umfeld konsequent negieren. So wie es aussieht, kann sie damit etwa 20 Prozent erreichen. Ein Fünftel der Wähler werden also am Wahlzettel ein Kreuz bei der Vergangenheit machen. Bei einer Vergangenheit, in der Andersdenkenden, Menschen aus anderen Kulturen oder auch Frauen mit Gewalt (mehr oder weniger subtil) ein klarer Platz zugewiesen wurde. Wir widmen Barbara Rosenkranz im Magazin für Glamour und Diskurs zwei Seiten, geben ihr und ihrem schaurig-gestrigen Weltbild noch einmal mehr Öffentlichkeit. Wir tun das, weil wir verstehen wollen, wie es 2010 möglich sein kann, dass uns das Hässliche so mütterlich anlächelt.