Was Theater von Serien lernen kann

Nein, eine Bühnenfassung von "Lost" wird es vorerst nicht geben. Was das Theater von Serien lernen könnte, ob das überhaupt geht – und wenn ja, was genau, und was das mit ihrem aktuellen Stück „Previously On“ in der Garage X zu tun haben könnte, erklärt uns die Dramatikern Gerhild Steinbuch.

Ist diese Vielschichtigkeit von Texten, wie etwa klassischerweise bei Shakespeare, wo der Text für unterschiedliche Zielgruppen funktioniert, etwas wo aktuelle Serien Theater überlegen sind?

Serien haben halt konsequent ihre Dramaturgie weitergedacht. Manchmal hab ich im Theater das Gefühl, dass man versucht einzelne Formate eins-zu-eins zu übernehmen, anstatt sich mit den Qualitäten des eigenen Mediums zu beschäftigen. Ich glaube, man muss versuchen am Medium konsequent weiterzudenken, anstatt blind das eine aufs andere zu übertragen.

Kann man sich von Serien etwas in Punkto Erzählen abschauen oder muss man im Theater aufgrund des viel knapperen, zeitlichen Rahmens sowieso anders erzählen?

Man muss vielleicht anders erzählen, aber ein knapperer zeitlicher Rahmen heißt nicht, möglichst geschlossen oder einfach erzählen zu müssen. Man kann auch einfach mit dem Prozess des Erzählens offen umzugehen, ihn untersuchen und befragen.

Darum wird es auch in der aktuellen Arbeit gehen?

Ja, wir versuchen bewusst offen zu legen, dass sich zu dritt diese Geschlossenheit des Erzählens nicht herstellen lässt. Die lässt sich im Theater ja sowieso nicht bewerkstelligen, weil immer Leute aufeinandertreffen, die jeweils eigene Perspektiven auf den Stoff haben. Es gibt bei unserem Abend bewusst keine Regie, die den Prozess von außen bündelt, die dann sagt „so und so und so“, also keine Vision, die dann den schönen Rahmen schafft.

Das habt ihr in dieser Konstellation ja schon einmal erprobt…

Wir haben bereits einmal beim Steirischen Herbst eine ähnliche Arbeit gemacht, wo wir mit einem Wiederholungsprinzip gearbeitet haben. Der Abend lief im Loop, die Anlage war eher installativ. Und wir haben uns in der damaligen Arbeit mit der Konstruktion einer Geschichte- einer Heldenreise beschäftigt, die dann aufgebrochen und dekonstruiert wird. Im aktuellen Stück wollten wir das fortführen: Den installativen Charakter, die gemeinsame Konstruktion einer Geschichte, das Ansammeln von Erzählansätzen, die man versucht in eine Form zu kriegen.

Auf dieses Serienprinzip verweist auch der Titel „Previously On“?

Der Titel verweist darauf, dass wir die Arbeit als Fortführung unserer ersten gemeinsamen Arbeit verstehen. Außerdem bezieht er sich darauf, dass jeder Abend eine neue Geschichte, neue Geschichten über einen Herrn P. erzählt, der uns als Sammelbecken und Rahmen dient; Geschichten, die in einer späteren Vorstellung wieder aufgegriffen, variiert oder weitererzählt werden können.

Wie kann ich mir den Abend konkret vorstellen?

Wir – Sebastian – Performance, Philine – Raum – und ich – Text – sitzen gemeinsam an einem Tisch auf der Bühne, quasi unsere Gemeinschaftsinsel und spielen ein Spiel um die Erzählhoheit der jeweils nächsten Szene. Von dort aus entstehen dann Erinnerungen oder Konstruktionen der Geschichte des Herrn P., die wir aus unseren drei Perspektiven erzählen. Jeder von uns greift in den Abend ein und erzählt die Geschichte weiter, aber immer aus seinem Element heraus. Die Ebene an der alles hängt sind wir. Die Konstellation von drei Menschen, die gemeinsam eine Geschichte erzählen wollen, um sie wettstreiten oder dann doch versuchen eine gemeinsame, nicht lineare aber auch nicht beliebige Geschichte zu finden. Diese Zusammenarbeit aus drei unterschiedlichen Perspektiven ohne ordnende Instanz, in der sich Narrative verbinden oder eben nicht.

Wie funktioniert Erzählen für dich im Idealfall?

Tatsächlich in einem solchen Gruppenprozess. Ich muss noch dazusagen, wir sind bei dem Projekt nicht alle auf derselben Linie, haben unterschiedliche Ansätze. Sebastian ist zum Beispiel ein großer Fan klassisch konstruierter Geschichten. Ich weiß, wenn ich nur für mich bin und ich jede Erzählung anzweifle, besteht die Gefahr, dass vielleicht überhaupt keine Erzählung mehr zustande kommt. Das Schöne an unserem Prozess ist eben dieses Abarbeiten an den unterschiedlichen Perspektiven auf das Erzählen, das gezielte Nutzen der unterschiedlichen Ansätze und Vorlieben. Ich finde gerade dieses Zusammenspiel eine gute Art zu erzählen.

Woher kommt deine Lust am nichtlinearen Erzählen oder am Dekonstruieren linearer Erzählungen?

Bei mir ist es so, dass ich mein eigenes Leben nicht in einer so klassischen Narration erzählen könnte und mich da nicht wiederfinde. Ich denke, man muss andere Formen finden, in denen Parallelerzählungen möglich sind, mehrere Wirklichkeiten. Oder zwei Parallelfiguren oder sogar mehrere. So nehme ich zumindest meine eigene Lebensrealität wahr.

Previously On

Von und mit: Gerhild Steinbuch, Philine Rinnert, Sebastian Straub

Garage X, Termine: 9. bis 11. April jeweils 20.00 Uhr.

i>garage-x.at

Bild(er) © Yasmina Haddad
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