Das Geschäft für die Musik – Warum private Unternehmen Sponsoring betreiben

Red Bull in der Hand, großes XXXLutz-Logo auf der Brust und Werbejingle für Austrian Airlines auf den Lippen – so könnte eine dystopische Version von Musiksponsoring aussehen. Doch wie funktioniert Musiksponsoring derzeit tatsächlich? Wer und was wird finanziert? Und warum nehmen Unternehmen dafür überhaupt Geld in die Hand?

© Adobe Stock × Bernhard Frena

Populäre Musik und Kommerz gehen begrifflich oft Hand in Hand. Doch gerade heutzutage wird es zunehmend schwieriger, als Musiker*in dauerhaft kommerziell erfolgreich zu sein oder auch nur von Musik allein leben zu können. Egal ob Rock, Pop, Punk, Indie oder Elektronik – längst haben sich die finanziellen Sorgen nicht mehr mit dem Unterzeichnen eines Labelvertrags erübrigt. Falls dies überhaupt jemals der Fall war. Die Acts setzen deswegen zunehmend auf einen breit gestreuten Mix an Einnahmen aus Albenverkäufen, Tourneetickets, Merchandising, Sync-Rechten für Filme sowie Werbespots und sogar fanbasierten Finanzierungsplattformen wie Fanclub oder Talentir. Ein weiterer Aspekt, der immer wichtiger wird, ist Sponsoring durch private Unternehmen.

Ruth Goubran, Leiterin von »Erste Bank – Vermehrt Schönes!«, einem der wohl sichtbarsten Sponsoringprogramme Österreichs, sieht hierbei einen deutlichen Unterschied zwischen Marketing und Sponsoring: »Die Grenze findet sich unter anderem bei der Größe der Präsenzen und der damit verbundenen Logik beim Geldausgeben. Im Marketing wird sehr viel Geld für die Eigenwerbung ausgegeben. Das halten wir im Sponsoring auf einem Minimum, weil wir mit den Budgets die Projekte fördern wollen, also die Inhalte. Im Sponsoring bekommen wir unsere Sichtbarkeit vorwiegend von unseren Partnern zur Verfügung gestellt und über spezielle Angebote wie zum Beispiel Ermäßigungen.«

Was lange währt

Folglich sind diese beiden Bereiche bei der Erste Bank sorgsam getrennt. Ruth Goubran und ihre Kollegin Theres Fischill betreuen »Vermehrt Schönes!« zu zweit und weitgehend losgelöst von der Marketingabteilung der Bankengruppe. Sie setzen dabei auf langjährige Partner*innenschaften. Vielen dürfte »Vermehrt Schönes!« etwa von der Viennale ein Begriff sein, die die Erste Bank seit 2004 als Hauptsponsor unterstützt – schon lang bevor das Sponsoring überhaupt unter diesem Titel lief.

Doch wer in diesem Förderprogramm nach populärer Musik Aussicht hält, wird kaum fündig werden. Goubran führt das vorwiegend auf die gewachsenen Strukturen zurück. So ist »Vermehrt Schönes!« etwa im Bereich Film ausgezeichnet aufgestellt: Viennale, Tricky Women, Dotdotdot, Filmmuseum. Auch bei der sogenannten »ernsten« Musik wird von Klassik über Jazz bis hin zu Neuer Musik so einiges gesponsert. Popmusik sei laut Goubran bislang schlichtweg nie ein zentraler Teil des Programms gewesen, da fehle die Historie. Im Gegensatz zu anderen Genres: »Den von uns gesponserten Musikverein gibt es etwa so lange wie die Sparkassen, das ist also eine sehr traditionelle Verbindung«, so Goubran.

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Entwicklungshilfe

Prinzipiell gebe es gewisse Anforderungen, die für ein Sponsoring erfüllt werden müssten: »Das Projekt muss für das Genre förderlich sein. Es darf beispielsweise kein rein kommerzielles Festival sein, sondern es muss einen Austausch, eine Vernetzung geben. Es muss um neue Entwicklungen gehen, die sowohl für die Künstler als auch das Publikum interessant sind.« Ein großer Push von »Vermehrt Schönes!« in Richtung Popmusik, dürfte zumindest in naher Zukunft ausbleiben: »Das Budget, das wir zur Verfügung haben, wächst leider nicht«, bedauert Goubran. »Wir können uns also nicht einfach mit großen Kooperationen in neue Richtungen bewegen.«

Andere Firmen sind hingegen schon lange im Bereich Popmusik sichtbar, wie etwa der Hamburger Getränkehersteller Fritz-Kola. Dieser unterstützt nicht nur schon seit vielen Jahren zahlreiche etablierte Festivals wie Reeperbahn, Southside oder Waves Vienna. Unter dem Namen »Kolaxie« wird zudem bei mehreren Veranstaltungen ein mobiler Eventspace aus neun Überseecontainern aufgebaut. Der dient nicht nur der Markenpräsenz, sondern bietet auch einen zusätzlichen Floor für Konzerte und DJ-Sets – kuratiert von Fritz-Kola. Mit zum Förderportfolio gehören aber auch Initiativen wie die »Clubretter-Aktion«, bei der in Kooperation mit dem FC St. Pauli und Jan Delay Hamburger Clubs während der Pandemie durch Merch-Verkauf unterstützt wurden.

»Nicht nur Kola für den Proberaum«

»Auch bei der Zusammenarbeit mit Bands gibt es für Aktionen und Kampagnen nicht nur Kola für den Proberaum«, so Rike Kuberg, im Unternehmen für Events und Experiential Marketing verantwortlich. »Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel zusammen mit der Wupperwerft das Dock1 ins Leben gerufen – ein kleines Studio in Wuppertal, in das wir Newcomer einladen. Wir übernehmen die Kosten für ihren Studioaufenthalt und drehen mit ihnen ›Fritz-Sessions‹, die wir über unsere Social-Media-Kanäle teilen, um ihnen Reichweite zu geben. Die Art des Sponsorings ist immer davon abhängig, wie wir das jeweilige Projekt bestmöglich unterstützen können.« Im Gegensatz zur Erste Bank scheint Fritz-Kola hierbei kaum eine Unterscheidung zwischen Marketing und Sponsoring zu machen, die Übergänge sind fließend und vom Projekt und der Art der Kooperation abhängig.

Noch jüngere Firmen wie Wolt lassen Marketingkampagnen, Sponsoringinitiativen und Kerngeschäft nahtlos miteinander verschmelzen: »Im beliebten Budapester Musiklokal Budapest Park können Wolt-Kunden über die Anwendung bestellen und bezahlen, und wenn sie benachrichtigt werden, dass ihre Bestellung fertig ist, können sie ihr Essen oder ihre Getränke einfach an der mit Wolt gekennzeichneten Theke abholen«, heißt es seitens des Lieferservices. Ideale Beispiele für ein erfolgreiches Sponsoring seien für das Unternehmen solche, bei denen seine Beteiligung das Erlebnis für die Teilnehmer*innen verbessere, sei es durch einzigartige Aktivitäten, einfachere Zugänglichkeit oder zusätzliche Ressourcen, die die Veranstaltung aufwerten. Also im Beispiel: Musik von der Venue, Essen von Wolt.

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Mehr als Brot

Auf die Frage, was eigentlich die Motivation privater Fördergeber*innen sei, Kultur zu unterstützen, wird meist auf die Unternehmenswerte verwiesen. Ruth Goubran etwa berichtet von der alten Tradition der Sparkassen, nicht nur die finanzielle, sondern auch die kulturelle Versorgung ihrer Kund*innen im Auge zu haben: »Der Grundgedanke einer Bank ist: Man gibt ihr Geld – spart also – und die Bank arbeitet damit, kann mit diesem Geld Menschen, die etwas investieren wollen, einen Kredit geben. Diese bauen sich dann ein Geschäft auf, und so bekommen die Wirtschaft und die Gesellschaft die Möglichkeit zu wachsen. Aus dem heraus ist der Grundgedanke der Sparkassen auch immer gewesen, dass die Kultur und das kulturelle Gut wachsen sollen. Man braucht schließlich nicht nur Brot zum Essen, sondern es braucht auch eine kulturelle und geistige Entwicklung.«

Analog dazu bezeichnet sich Wolt als »mehr als nur ein Unternehmen für Essenslieferungen und schnellen Handel«. Das Ziel sei, die Städte und Gemeinden, in denen man aktiv ist, zu besseren Orten zu machen. »Das Sponsoring von Popmusik steht im Einklang mit unserer Mission, Menschen zusammenzubringen und positive, gemeinsame Erfahrungen zu schaffen.« Das klingt gut, wenngleich etwas unspezifisch. Fritz-Kola positioniert sich da schon deutlicher: »Festivals brauchen Bands, Bands brauchen Festivals und Festivalbesucher und Bands trinken gerne eiskalte Fritz-Kola. Deshalb sind wir stolzer Partner und selbst ein Teil einer großen und diversen Kunst- und Kulturszene. Wir lieben unsere Musik wie unser Leben: offen, divers und immer wieder neu. Klar, Indie, Punk und Rock machen uns viel, viel Spaß – aber wir bleiben offen und wollen uns nicht auf ein Genre festlegen.« Wichtig sei eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und dass nicht nur Geld und Reichweite im Mittelpunkt stünden. »Bands spielen für Fritz-Kola eine wichtige Rolle, denn Musik verbindet, Musik ist laut und vor allem kann und darf Musik politisch sein. Wir schätzen den Austausch mit Künstlern sehr und werden in der Regel über unser Netzwerk direkt kontaktiert«, meint Rike Kuberg.

Eine besondere Stellung unter den privaten Fördergeber*innen nehmen Unternehmen ein, die selbst im Musikbereich aktiv sind und unmittelbar von einer gestärkten Szene profitieren. Wie etwa Ticketmaster, der diesjährige Hauptsponsor von Waves Vienna. Über dessen Schiene »Ticketmaster New Music« werden regelmäßig neue Acts promotet bzw. durch zum selben Haus – Live Nation Entertainment – gehörende Management- und Booking-Organisationen wie Goodlive Artists vertreten.

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Das Unvermeidliche

Ein Showcase-Festival wie Waves Vienna passt da natürlich ideal ins Konzept. »Wir von Ticketmaster unterstützen leidenschaftlich gerne neue Künstler*innen auf ihrem Weg und sind daher sehr glücklich, als Hauptsponsor von Waves Vienna aufzutreten«, erklärt Markus Winterer, Regional Sales Director von Ticketmaster Österreich, in einer Aussendung. Neuen Acts eine Bühne zu bieten, die über internationales Format verfügen, aber es aus eigener Kraft noch nicht zu großer Bekanntheit geschafft haben, passe perfekt zum internationalen Ansatz von »Ticketmaster New Music«. Hier wird einerseits Nachwuchs fürs Programm herangezogen und andererseits soll die eigene Stellung abseits des Mainstreams gestärkt werden. Dort ist Ticketmaster ohnehin unvermeidlich – ein Umstand, für den das Unternehmen immer wieder Schelte einstecken muss.

Auch Spotify versucht die lang bestehende Kritik an niedrigen finanziellen Ausschüttungen für gerade kleinere Künstler*innen und einen Fokus auf bekannte erfolgreiche Namen durch eine Reihe von Programmen abzuschwächen. Beispielsweise mithilfe des auf 100 Millionen Euro dotierten »Creator Equity Fund«. Dieser wurde anlässlich des Covid-Desinformationsskandals rund um den für kolportierte 200 Millionen Euro angekauften Joe-Rogan-Podcast ins Leben gerufen. Das Geld sei »für eine Mischung aus Initiativen bestimmt, die ein inklusives und diverses Portfolio an Künstler*innen auf der Plattform unterstützen sollen«, zitiert Variety ein Statement von Spotify. Zentrales Ziel sei die »Lizensierung, Entwicklung und Vermarktung von Musik und Audio-Content historisch marginalisierter Gruppen«. Laut Bloomberg wurde allerdings mit Stand letzten Jahres nur ein geringer Anteil von etwa zehn Prozent davon ausgegeben. Das war nach mehr als einem Jahr bei einer angedachten Gesamtlaufzeit von drei Jahren. Wenige Wochen nach Bekanntgabe des »Creator Equity Funds« wurde übrigens das Spotify-Sponsorship für den FC Barcelona verkündet. Gesamtsumme 310 Millionen Euro über vier Jahre.

Zum Schluss drängt sich noch eine Frage auf: Welche Rolle erfüllt privates Sponsoring angesichts der diversen öffentlichen Subventionsprogramme? »In Österreich ist Subvention ein starker Motor der Kultur«, führt Ruth Goubran aus. »Dazu habe ich einen durchaus kritischen Zugang, weil diese Subventionen den Markt natürlich extrem steuern. Der Markt ist dadurch nicht mehr frei. Wie weit sich das auch auf den Output der künstlerischen, schöpferischen Arbeiten auswirkt, ist eine berechtigte Frage, die aber eine eigene Diskussion erfordert.« Ob sich privates Sponsoring jedoch nicht ebenso auf den künstlerischen Output auswirken könnte? »Natürlich, gar keine Frage. Aber dass Sponsoren bestimmend seien und eine inhaltliche Steuerung verlangten, ist in erster Linie nur ein gängiges Vorurteil.«

Im Rahmen der Waves Vienna Conference wird am 6. September 2024 um 15:45 Uhr im Stadtkino ein Panel zum Thema »Music Sponsoring: What Brands Want« stattfinden.

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