Wenn Kurven auf Pixel treffen

Screen ist nicht Papier. Spezielle Schriften fürs Internet und für digitale Displays sind daher seit Jahren ein großes Thema im Grafikdesign.

Mehr und bessere digitale Schriften

Schriftgestalter, die sich mit den vielen technischen Detailfragen erst gar nicht auseinandersetzen wollen, gibt es natürlich. Sie überlassen oft die Adaptierung ihrer Schriften fürs Web den größeren Type Foundrys, Unternehmen also, die Schriften gestalten und vertreiben. Dort werden sie automatisch konvertiert und durch Hinting für den digitalen Gebrauch »optimiert«. Nicht immer geschieht dies mit der nötigen Gründlichkeit, und als Schriftgestalter, der sich selbst nicht drum kümmern will, hat man selten großen Einfluss auf die Qualität einer solchen digitalen Version. Die Kosten für eine Schrift richten sich übrigens in der Regel nach den Pageviews. Der Anteil der Webfonts am Gesamtgeschäft steigt klarerweise kontinuierlich, wobei die Preise nach Ansicht vieler ordentlich Spielraum nach oben vertragen, denn noch immer würden manche Kunden am liebsten wenig bis gar nichts für Webschriften zahlen. Immer öfter gibt es übrigens Schriften, die ausschließlich für die digitale Verwendung entwickelt wurden. Ob dieser Trend sich noch verstärkt, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander.

Aus der Sicht von Marcus Sterz sind Papier und Screen keineswegs Gegensätze: »Der Schriftgestalter muss sich nicht entscheiden, ob für Web oder Print, denn Kunden wollen beides im gleichen Look. Er muss sich also darum kümmern, dass seine Kreation in beiden Medien gut aussieht.« Auf die Frage, inwieweit Webfonts seine eigene Arbeit verändert hätten, antwortet Sterz daher auch lakonisch: »Eher wenig, da das Design vom Thema nicht beeinflusst wird. Das wird erst beim technischen Finish relevant.«

Testen, ändern, testen und noch mehr testen

Doch an wem liegt es letztlich, wie gut die digitalen Schriften im Netz sind? Am Schriftdesigner jedenfalls nur bis zu einem gewissen Grad. »Die Beurteilung, ob eine Schrift tatsächlich einerseits vom Schriftbild, andererseits vom Schrift-Rendering den hohen Anforderungen der Webtypografie entspricht, liegt letztlich immer bei den Webdesignern, die die Schrift einsetzen«, so Matthias Jungwirth. »Daher ist stets ausführliches Testen auf unterschiedlichen Devices notwendig. Webdesigner benötigen eine Kombination aus technischem Know-how und typografischem Gespür.«

Als Vorreiter für qualitative Webtypografie in Österreich sieht Jungwirth vor allem große Nachrichtenportale wie Futurezone, Kurier oder Salzburger Nachrichten. »Gerade in diesem Bereich spielt qualitative Lesetypografie eine essentielle Rolle.« Dennoch lassen zahlreiche Big Player der österreichischen Internetszene auf sich warten, so Jungwirth. »Ob sich dies in naher Zukunft ändern wird, bleibt offen.«

Barrierefrei und Open Source

Auch wenn man bei Webfonts automatisch ans Internet selbst denkt, ist der Anwendungsbereich von digitalen Schriften ein viel breiterer. Matthias Jungwirth über sein jüngstes Projekt: »Die Interactive Terminals und Digital Door Displays am neuen Campus der WU Wien, die wir im Büro Bauer entwickelt haben, zeigen aktuelle und zukünftige Vorlesungen an den Türen aller Hörsäle und Seminarräume an.« Das komplette Interface setzt auf eine Open Source-Schrift, die von jedem frei genutzt werden kann. »Wir haben zusätzlich zu den bereits vorhandenen Schriftschnitten eine Stencil-Variante entwickelt, die wir selbstverständlich wieder zur freien Nutzung zur Verfügung stellen. Durch eine Mindestschriftgröße von 20-24 Punkt und guten Kontrast wird die absolut barrierefreie Lesbarkeit garantiert.« Dazu kommt eine Audioausgabe, die durch eine einfache Touch-Geste auf dem Screen aktiviert werden kann. Digitale Schriften müssen also auch außer schön zu sein auch eine soziale Rolle erfüllen, an die man vielleicht nicht per se denkt. Mindestens so sehr wie auf Papier.

Links zu Webfonts und Designstudios:

Büro Bauer

Marcus Sterz

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