Eine umfassende Netz-Schulung der Lehrer, ein Unterrichtsfach „Mediensoziologie“ und die abermalige Lektüre von George Orwells „1984“ durch die virtuelle Brille – das fordert Andreas Mailath-Pokorny, Wiens Stadtrat für Kultur und Wissenschaft, in seinem twenty.twenty-Beitrag zur „Allgemeinbildung 2.0“.
„Es gibt nur eine Sache die teurer ist als Bildung – keine Bildung“ so formulierte John F. Kennedy überaus treffend und diese Aussage gilt natürlich nach wie vor. Bildung ist vor allem einmal eine Frage des Zugangs. Eine Frage die jedoch neu beantwortet sein will – im Hinblick auf die zahlreichen Paradigmenwechsel, denen sich postmoderne Gesellschaften aktuell zu stellen haben.
Wie auch immer man Allgemeinbildung in Zeiten der digitalen Revolution denkt, eine Prämisse gilt auch in Zukunft weiter: Zugang bedeutet vorrangig die Ressourcen und finanziellen Mittel so zu verteilen, dass möglichst viele Menschen und Jugendliche die Möglichkeit bekommen, sich Wissen anzueignen. Freier Hochschulzugang, gute Studienbedingungen bis hin zu optimierten Voraussetzungen und ausreichend geschulten Pädagogen in Schulen und Kindergärten sind allein schon große Herausforderungen, um Allgemeinbildung zu garantieren.
Allgemeinbildung muss jedenfalls auch Allgemeinbildung 2.0 werden. Der Einsatz von Computern, Online Plattformen und Studien-Communities in der Schule sind für einen zeitgemäßen Bildungsbegriff unumgänglich. Eigenständiges Recherchieren und individuelles Erarbeiten von Inhalten, sind nicht nur pädagogisch moderne und gefragte Konzepte, sondern sie werden durch Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auch leichter zugänglich gemacht.
Neben budgetären Voraussetzungen wird es beim IKT-unterstützten Unterricht vor allem aber auch um eine Schulung der Lehrer gehen, denn oftmals sind derzeit Schüler kompetenter als ihre Lehrer.
In der Mediengesellschaft (hier ist der Aspekt der permanenten Bestrahlung durch Medien gemeint) gehört zu einer vernünftigen Allgemeinbildung aber auch ein theoretischer Wissensteil: Nicht nur die technische Anwendbarkeit und das Wissen um die Bedienung von Suchmaschinen gehören dazu, sondern ein profundes Wissen um die Wirkungen von Medien selbst – ein Fach „Mediensoziologie“ wäre sinnvoll.
Denn an Fragen rund um den virtuellen Raum mangelt es nicht, und sie sollten Eingang in den Bildungskanon mündiger Staatsbürger finden.
Wie wirken Bilder oder Werbung und welche Rolle spielt die Selbstinszenierung im Social-Media-Bereich? Was unterscheidet die digitale Gesellschaft mit ihrer Wertschöpfung? Welche Gefahren birgt die Überwachung des Internet – worauf ist beim e-Government zu achten? Wieso macht das Internet Privates öffentlich, während der öffentliche Sektor zunehmend privatisiert wird?
Wissen um Form und Funktionsweisen von Medien sollten für mündige Bürger Allgemeingut werden. Denn der Paradigmenwechel unseres Mediensystems bringt Folgen, die nicht immer auf den ersten Blick sofort erkennbar werden. Um nur ein offenkundiges und überaus spannendes Thema der Mediensoziologie anzureißen: Während Bücher und Filme bisher ein lineares Zeitgefühl suggerierten (einen Anfang und ein Ende haben), gilt das für das Internet nur mehr sehr bedingt. Hier existieren multidimensionale Erfahrungen, um nicht zu sagen: ein zirkuläres Zeitgefühl des permanenten Jetzt – was natürlich die Wahrnehmung des Einzelnen bis hin zu seinem Geschichtsbild beeinflusst. Bevor es aber zu philosophisch wird, sei an dieser Stelle an Vilém Flussers bahnbrechendes Buch „Medienkultur“ verwiesen und an George Orwells „1984“ erinnert – ein Buch das zwar immer schon Pflichtlektüre an Schulen war, aber gerade im digitalen Zeitalter noch einmal durch die virtuelle Brille neu gelesen und interpretiert werden könnte. Im Rahmen einer Allgemeinbildung 2.0.
Dieser Text ist Teil der twenty.twenty Blogparade. Der vierte Teil von twenty.twenty findet zum Thema "Allgemeinbildung" am 14.4. im Hub Vienna statt.