Das erstmals stattfindende Porn Film Festival Vienna zeigt unter dem Motto »What is porn?« vor allem eines: Diese Frage zu beantworten, dauert länger als ein klassischer Porno.
»Wann hast du dir zuletzt einen Porno angeschaut?«, »Was bedeutet Porno für dich?« – mit diesen Fragen im Rahmen eines Streettalks startet der kurze Teaserfilm für das erste Porn Film Festival, das im März in unterschiedlichen Spielstätten in Wien über die Bühne geht.
Während der kurze Onlineteaser zunächst eher niederschwellig bis oberflächlich wirkt, darf man sich vom kommenden viertägigen Festival durchaus Tiefgang und gleichzeitig einen offenen vielfältigen Zugang erwarten. Festivaldirektor Yavuz Kurtulmus ist keiner, der es sich einfach macht. 2009 gründete er den Verein MiGay, der homosexuelle MigrantInnen betreut und Aufklärungsarbeit leistet, als Festivaldirektor des Transition-Festivals bringt er seit Jahren Filme auf die Leinwand, die die Vielfalt von LGTIQ-Menschen widerspiegeln. Thematisiert werden dabei körperliche Beeinträchtigung genauso wie Migrationshintergrund, immer in Verbindung mit Menschen, die schon allein durch ihre sexuelle Orientierung oft Ausgrenzung erfahren. Unter dem Motto »Claim Your Space« kämpft man beim Transition-Festival für mehr Sichtbarkeit und vor allem natürlich für einen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Mit seinem neuen Projekt will er Aufmerksamkeit für ein Thema kreieren, das ohnehin im Blickfeld vieler steht, dessen Diskurs aber doch oft nur im Privaten geführt wird.
Bereits in den vergangenen Jahren kooperierte das Transition-Festival mit dem Porn Film Festival Berlin – aus der Zusammenarbeit entstand letztlich die Idee, ein derartiges Event in Wien auf die Beine zu stellen. Vielfalt ist dabei wie auch beim Transition-Festival ein großes Thema, nicht zuletzt, um Vorurteile abzubauen und um zu zeigen, dass Pornografie im Jahr 2018 durchaus diverser und inklusiver ist, als vielleicht gemeinhin vermutet wird. Gezeigt werden neben klassischen Pornos sowie Erotikfilmen und Kurzfilmen in verschiedenen Kategorien auch internationale Dokumentationen. Q&As mit Filmschaffenden, Panels mit SexualwissenschaftlerInnen und Workshops wie »How To Make A Porn« schaffen den nötigen diskursiven Rahmen. »Wir möchten die Monotonie und auch Heteronormativität der Mainstream Pornoindustrie aufbrechen, welche zumal ja meist für den männlichen Blick geschaffen ist. Wir wollen zeigen, wie weit sich auch das Genre Porno entwickelt hat und was alles möglich ist«, so das Festivalkernteam, bestehend aus Yavuz Kurtulmus, Jasmin Hagendorfer, Saif Can und Gregor Schmidinger. Unter dem Motto »What is porn?« will man in verschiedenen Locations wie dem Erotikkino Fortuna, dem Topkino, dem Schikaneder oder den Räumlichkeiten des Vereins Schwelle7 nicht unbedingt eine explizite Antwort finden, sondern Grenzen ausloten und Vielfalt präsentieren.
Schon der Eröffnungsfilm »Pieles« des spanischen Regisseurs Eduardo Casanova, der im letzten Jahr auf der Berlinale Premiere feierte, schafft in seiner pastellfarbenen Traumwelt Platz für gesellschaftliche und sexuelle Außenseiter und holt die Hauptpersonen, ein Mädchen, das statt eines Mundes einen Anus im Gesicht trägt und einen jungen Mann, der davon träumt, sich die Beine abzuschneiden, um eine Meerjungfrau zu werden, aus ihrem Versteck hervor. Fast im Gegensatz dazu spielt »Don’t Love Me« mit einer für einen Erotikfilm fast erfrischenden Normalität: Aus einem One-Night-Stand zweier Berliner Boys wird eine Liebesgeschichte, die so normal und real wirkt und bei der sich explizite Sexszenen so organisch in das Geschehen einfügen, als würde einem der bester Freund beim Fortgehen vom Ausgang seines Grindr-Dates erzählen.
Einen Schwerpunkt bilden außerdem queerfreundliche Produktionen, die explizit im Gegensatz zur heteronormativen Objektivierung im Mainstream Porno stehen. Gezeigt wird etwa der mehrfach ausgezeichnete Film »Silver Shoes« der niederländischen Regisseurin und Produzentin Jennifer Lyon Bell, der weder mit expliziten Szenen noch mit gelungenem Storytelling, Witz und Emotionalisierung spart. In einem Panel spricht die Gründerin der Produktionsfirma Blue Artichoke Films zudem über ihr Konzept der »pornographic empathy«, feministische Methoden und ihr Credo »Erotic films for people who like film«.
Dass sich die Ausgangsfrage des Festivals, »What is porn?«, selbst im viertägigen Programm nicht einmal annähernd beantworten lassen wird, ist klar – viel mehr zählt der Versuch, Pornografie aus der Privatheit in die Öffentlichkeit zu holen, Herausforderungen der Branche zu diskutieren und Lösungsansätze zu präsentieren, einen mal sozialkritischen, mal feministischen, mal queeren, mal neutralen Blick auf die Thematik zu werfen und BesucherInnen zu überraschen und im allerbesten Fall zumindest im Kontext des Festivalbesuchs zu befriedigen. In Berlin gelingt das in der mittlerweile 13. Ausgabe durchaus erfolgreich – sowohl inhaltlich als auch die Auslastung betreffend. Ob die Wiener und Wienerinnen offen für ein Porn Film Festival sind, muss sich zeigen, die Preview-Veranstaltung im Schikaneder lässt jedenfalls darauf hoffen.
Das Porn Film Festival Vienna findet von 1. bis 4. März in verschiedenen Locations in Wien statt. The Gap präsentiert am 2. März die Vorführung des Films »Don’t Love Me« im Fortuna Kino. Zur Finanzierung wurde kürzlich eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, alle Informationen dazu hier.