Nächstes Jahr im Juni wird Andreas Frege 50, besser bekannt als Campino. Der Tiroler Autor Christoph W. Bauer gratuliert ihm schon jetzt. Und zwar so richtig schön von Herzen.
All die ganzen Jahre
Einem compañero de viaje zum »unrunden« Geburtstag
Etwas über ihn zu schreiben, hielt ich für ausgeschlossen damals, als ich anfing, mich mit Worten dem guten Geschmack zu verweigern. Letzterer hatte es sich im Dorf meiner Jugend unter Zirbendecken bequem gemacht, schwang einmal die Woche den Tennisschläger und feierte den bescheidenen Wohlstand als Autorität. Auch die Handvoll Hippies, die es ihm Dorf gab, boten mir wenig Zuflucht, ihr Geschwafel von einer besseren Welt war so ermüdend wie die Musik, die sie hörten; der Hardrockfraktion konnte ich wenig abgewinnen, ihr Headbangen entbehrte zwar nicht einer gewissen Komik, aber ich fand es so lächerlich wie die Fönfrisuren meiner Schulkollegen – von deren Karottenhosen ganz zu schweigen.
An sich kein Grund zu klagen, in meiner Kindheit und Jugend lief alles recht rund, und genau das war das Problem, denn mir war nach Anecken. Unterstützung fand ich schließlich durch einen neuen Schüler, den es aus Berlin in die Berge verschlagen hatte, und nicht zuletzt durch meinen Cousin aus Hannover. Beide versorgten mich mit Stoff in Form von Musik, die meinen Rekorder zur Bühne des Aufbegehrens machte.
Punk ist eckig, also unrund, war fortan meine Devise, eine der Kassetten hatte es mir besonders angetan, auf ihr bekam meine damalige Gemütslage im wahrsten Sinn des Worts eine Stimme. Hier sang, brüllte, grölte einer angetrieben von nervösen Rhythmen und öffnete mir Türen zu Räumen, die ich später mit eigenen Texten füllen sollte. Dass dieser Sänger nun bald Geburtstag feiert, will ich eigentlich nicht in mir aufkommen lassen, warum, liegt auf der Hand und bedarf keines Blickes in den Spiegel. Andererseits, mit jenen älter zu werden, die einen seit Jahrzehnten begleiten, ist so übel nicht, und solange sie neue Platten aufnehmen und sich auf Bühnen stellen, sehe ich keine Veranlassung, mich für einen Musikstil zu alt zu fühlen oder gar vom einstmals eingeschlagenen Weg abzukommen und meine Lebenseinstellung zu ändern. Erleichtert das den Blick in den Spiegel? Ich frage dies nicht nur jenen, der bald seinen »Unrunden« begeht und der auf Grußworte oder Geschenke meinerseits verzichten kann. Was sollte ich ihm auch schenken? Eine rote Schleife um Tickets zu Konzerten, die ich besucht habe? Eine Tagebucheintragung als Erinnerung an einen Auftritt in den Innsbrucker Stadtsälen im Jahr – ich weiß nicht mehr, wann.
Habe dies und das in Zeitungen über ihn gelesen, halte es diesbezüglich mit dem Sprichwort vom geduldigen Papier. Für mich waren ohnehin immer nur seine Texte von Belang, auch von Schriftstellern interessieren mich lediglich Bücher, ihre Privatleben ist mir egal, ob sie nun lieber Tee oder Kaffee trinken, macht ihre Romane oder Gedichte weder besser noch schlechter. Gerade aber in seinen Texten hat sich in den Jahren viel getan, das Launische räumte dem Inhaltlichen Platz und die Pose einem erfrischenden Maß an Selbstironie; neue Themen, andere sprachliche Facetten, eine Entwicklung, die nur durchläuft, wer mit Worten arbeitet, um eine Innenansicht auf einen allgemeinen Nenner zu bringen, was jeden guten Texter ausmacht. Als solcher wird er weitgehend unterschätzt, dabei lieferte er schon Mitte der 1990er Jahre mit der Platte »Opium fürs Volk« Beispiele für seine sprachlichen Qualitäten, die auch auf dem jüngsten Album »In aller Stille« Ausdruck finden. Für ihn gilt, was für alle zutrifft, die versuchen, den eigenen sprachlichen Unzulänglichkeiten zu trotzen und etwas auf einen Punkt zu bringen, ob Songwriter oder Lyriker, Romancier oder Feuilletonist – wenn am Ende eines Lebens ein paar brauchbare und in allem stimmige Zeilen bleiben, dann ist das schon viel. Das klingt jetzt weiser, als es ist, und wird wohl nur von jenen verstanden und mit einem zustimmenden Lächeln bedacht, von denen ich soeben gesprochen habe.