Kaisermühlen wird nicht King’s Landing werden, soviel ist klar. Doch gibt es in der österreichischen Fernsehlandschaft den Willen und Mut zu Innovation und existiert überhaupt ein Bedürfnis danach?
Bei all den Tölzer Bullen, Soko Hintertupfings und Hundekommissaren, die jahrelang die Sendeplätze besetzt hielten, hätte man mitunter den Eindruck gewinnen können, Österreich wäre ein Polizeistaat. Natürlich ist Krimi nicht alles, was das österreichische Fernsehen im Laufe der Zeit hervorgebracht hat. Immer wieder wurden verschiedenste Formate manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich ausprobiert: »Die Sendung ohne Namen«, »Mitten im 8en«, »MA 2412«, aber auch Sendungen wie »Saturday Night Fever« oder »Taxi Orange« im (Scripted) Reality-Bereich, der Quotenhit »Braunschlag«, jetzt gerade »Bösterreich«. Und mit »Fauner Consulting« schließlich auch die erste Webserie, die größere Beachtung fand.
Egal ob Trash oder Wertiges, auffällig sind dabei die oft gleichen Gesichter, die gleichen Autoren und Regisseure und immer wieder Österreich. Wiener Schmäh, Grant vom Land, Lokalkolorit. Es wäre natürlich absurd – wo wir auf der Musikseite die Einführung der Quote herbeisehnen – bei Serien eine Amerikanisierung zu verlangen. Abgesehen davon wäre ein »Game of Thrones« made in Austria finanziell utopisch, auch wenn sämtliche »Dancing Stars« und »Große Chancen« dafür geopfert würden. Die (Anti-)helden aus Österreich können nicht Frank Underwood oder Walter White heißen.
Doch muss das zwangsläufig bedeuten, dass Tom Turbo das einzige österreichische Format war, das einer Fantasy-Serie im Fernsehen am nächsten kam? Kann nur David Schalko Quote? Ist nur Robert Palfrader lustig? Wird in der österreichischen Serienlandschaft überhaupt der Versuch unternommen, neue Formate und Gesichter einzuführen? Gibt es überhaupt ein Publikum für anderes Fernsehen? Oder machen wir das alles gar nicht so falsch? Brauchen österreichische Serien überhaupt Innovation und wenn ja, wie viel davon vertragen sie?
Manuel Rubey, Schauspieler
»Ein Paradigmenwechsel hat stattgefunden«
Zuerst einmal glaube ich, dass international gesehen die großen Geister dieser Generation nicht mehr fürs Kino, schon gar nicht mehr fürs Theater, sondern eben für Serien schreiben. Und wenn Kevin Spacey, Hauptdarsteller der großartigen Webserie »House of Cards« in einer Rede sagt, dass ihn sein Agent vor ein paar Jahren noch für verrückt erklärt hätte, wenn er als Oscar-Preisträger wieder fürs TV arbeitet, dann ist erkennbar, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Wie sehr Innovation in Bezug auf Serien im österreichischen Markt möglich ist, gilt es auszuloten. »Game of Thrones« ist tatsächlich auch ein Quotenhit. Das meiste, was HBO macht, und das wird gerne falsch interpretiert, funktioniert aber nur über den Weltmarkt und findet in Amerika auch keine Mehrheit. Wenn ich aber, und das ist letzte Woche genau so geschehen, in Berlin am Flughafen auf »Fauner Consulting« angesprochen werde und im Flugzeug dann merke, dass zwei Menschen neben mir »Braunschlag« am Laptop schauen, dann stimmt es mich hoffnungsfroh, dass eben gerade dann, wenn auf Lokalkolorit gesetzt wird, durchaus auch bei uns was gehen könnte. Obschon ich es in dem kleinen Markt ohne TV-Partner für unmöglich halte, qualitative Serien zu machen, die sich auch wirtschaftlich rechnen könnten.
Manuel Rubey wurde 2008 einer breiteren Öffentlichkeit durch die Hauptrolle im Spielfilm »Falco – Verdammt, wir leben noch!« bekannt. Er spielte in zahlreichen österreichischen Serien, zum Beispiel die Hauptrolle in einer der ersten österreichischen Webserien, »Fauner Consulting«, die er zusammen mit Georg Weissgram produzierte.
Sabrina Reiter, Schauspielerin
»Das Potenzial für Innovatives ist da!«
Dass Serien aus Österreich über die Landesgrenzen hinaus erfolgreich sind, liegt nicht unbedingt am Lokalkolorit. Es liegt vielmehr an den Filmschaffenden und an der Art und Weise, wie die Bücher geschrieben und umgesetzt werden. Für »Spuren des Bösen«, einer Serie, bei der ich mitwirken darf, wurde Heino Ferch für seine Darstellung des Richard Brock sogar für den Emmy nominiert. Fünf Folgen gibt es bis jetzt und es wird weitergedreht! In österreichischen Serien werden immer wieder neue Gesichter besetzt: Bei Formaten wie »Vorstadtweiber« (wird gerade gedreht), »Copstories« und »Janus« spielen Schauspieler, die man vorher entweder noch gar nicht richtig im TV kannte oder schon lang nicht mehr gesehen hat. Krimi ist in Österreich ein etabliertes Genre, Serien wie »Braunschlag« beweisen aber, dass wir nicht nur auf dieses Gebiet beschränkt sind. Mit der Webserie »Wienerland« zum Beispiel wird nun auch ein Versuch Richtung Fantasy unternommen – was ich super finde. Unsere derzeitigen Produktionen sind gut, das bedeutet jedoch nicht, dass wir nichts Neues vertragen. Das Potenzial für Innovatives ist jedenfalls da und ich denke auch, dass das Publikum bereit dafür ist – leider fehlt bei wichtigen Entscheidungsträgern oft der Mut. Und so wie es aussieht auch das Geld: Ab nächstem Jahr werden wahrscheinlich noch einmal einige Millionen für österreichisches Filmschaffen wegfallen, was weniger Projekte und mehr arbeitslose Filmschaffende bedeutet. Um das zu verhindern, unterstütze ich auch www.filmfernsehfreunde.at.
Sabrina Reiter wurde mit ihrer Hauptrolle in »In drei Tagen bist du tot« bekannt und spielte seither in zahlreichen österreichischen Serien, zum Beispiel »Schnell ermittelt«, »Braunschlag« oder »Spuren des Bösen« mit.
Roman Rinner, ATV Programmplanung und Einkauf
»Der Erfolg liegt klar im österreichisch gefärbten Inhalt«
Was in Amerika schon längst Standard ist, nämlich dass die TV-Primetime fast ausschließlich mit Serien, Sport und großen Shows bespielt wird, hat sich in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Raum festgesetzt. Allerdings ist nicht alles, was in Amerika als Serienblockbuster gilt, auch hierzulande im TV erfolgreich. Kopien aus Amerika und illegale Downloads nehmen da dem Hype die Spitze. Das mit höchsten Vorschusslorbeeren bedachte »Game of Thrones« brachte im Free-TV in Österreich Marktanteile, die hinter neuen Folgen gewöhnlicher Krimiserien klar zurücklagen, hinter österreichischen Serien sowieso. Nicht alles was medial en vogue ist, ist hierzulande auch ein kommerzieller Erfolg. Auch das gepriesene »House of Cards« konnte beim Publikum nur sehr begrenzt reüssieren. Für österreichische Sender sind diese Serien ohnehin nicht beispielgebend, weil nicht finanzierbar. Auch die scheinbar neuen Möglichkeiten des Internets liegen eher in der Menge des Angebots als in der Innovation – von Überraschungserfolgen abgesehen, braucht man doch wieder Produktionsgeld/Plattform und Marketing, um Seher zu erreichen. So gesehen ist das Internet als TV noch eher eine neue Distributions- als Medienform. Das wird sich aber mit dem Erfolg sicher ändern.
Erfolg und USP für rot-weiß-rote Sender liegt klar im österreichisch gefärbten Inhalt, egal ob fiktional oder nonfiktional. Dabei ist für die Macher der Grat zwischen heimischem Erfolg durch hohe Austrofizierung und dadurch aber oft eingeschränkten Vertriebsmöglichkeiten im Ausland ein schmaler. Die Basis all dessen ist aber stets das höchstmögliche Maß an Kreativität und Innovation – innerhalb dieser Rahmenbedingungen und darüber hinaus. Die Tribüne giert nach Neuem, die Fernsehmacher auch. Neue Ideen, Konzepte auf Basis des für einen kleinen Markt Machbaren und Finanzierbaren waren und sind das, worauf wir alle warten. Wohin die Reise geht, bleibt wie immer spannend.
Roman Rinner war ORF-Redakteur für Spielfilm und Programmplanung, bevor er 1991 Leiter des Lizenzeinkaufs (für fiktionale Filme und Serien) und der Programmplanung bei ATV wurde.
Fred Schreiber, Autor
»Bis nur noch langweiliger Mist übrig bleibt«
Für alle, die noch weniger Ahnung haben als ich, hier der Ablauf, wie Fernsehen bei uns (D/Ö) zustande kommt: Rundfunksender R wünscht sich eine Serie S der Länge x, für den Sendeplatz y aus dem Genre z. Die Produktionsfirmen P1, P2, und P3 machen sich an die Arbeit und beauftragen die Autoren A1 bis A21, die ihre Ergebnisse solange den Wünschen des Senders anpassen, bis nur noch langweiliger Mist übrig bleibt. Den Mist müssen die Sender dann mit folgenden Argumenten erklären:
1: Die Amerikaner haben mehr Geld.
Dazu vielleicht eine Milchmädchenrechnung: Wenn »Breaking Bad« 2 Millionen Euro kostet und »Der Winzerkönig« 1 Million, wieso ist »Der Winzerkönig« dann nicht wenigstens halb so gut?
2: Mit Erzählweisen, die sich über mehrere Folgen erstrecken, macht man keine Quote.
Warum sind mir dann »Dallas«, »Reich und schön« und »Baywatch« nicht erspart geblieben?
3: Mafiosos, Drogendealer oder Fantasy-Figuren als Hauptdarsteller kann man dem Fernsehzuseher nicht zumuten.
Was waren Tony Soprano, Walter White oder die Lannisters und Starks noch mal von Beruf?
4: Die Handlungen amerikanischer Serien sind zu kompliziert für unsere Seher.
Also, das könnte man auch als Frechheit auffassen.
5: Wir haben zu wenig freie Sendeplätze.
Tja, deswegen kommen auch die ganzen Dezernate, die Cop-Teams und die Sokos aus Rosenheim, Bad Tölz und Wien mit dem Ermitteln kaum noch nach.
6: Es gibt keine Schauspieler, die über das Talent verfügen, anspruchsvollere Rollen zu spielen.
Meine persönliche Meinung (und übrigens auch die von Billy Wilder): »An guten Drehbüchern kann auch ein schlechter Schauspieler nicht vorbeispielen.«
7: Es gibt hierzulande keine Drehbücher, die an die Qualität der HBO-Serien heranreichen.
Siehe Einleitung.
8: Der Autor ist das letzte Glied der Nahrungskette Sender – Produktion – Regisseur – Schauspieler, müsste aber ganz vorne stehen.
Ja, stimmt. Den Slogan »Alle Macht den Autoren« kennt man sogar schon in den Sendern. Leider weiß noch keiner etwas mit ihm anzufangen.
Fred Schreiber konzipierte zusammen mit David Schalko die »Sendung ohne Namen« und arbeitet unter anderem als Autor, Musiker und Moderator. Er wurde bereits zwei Mal mit der goldenen Romy ausgezeichnet.