Waves Vienna, Parallel Vienna, This Human World Festival, Slash Filmfestival, Cat Video Festival – die Liste an Crowdfunding-Projekten im Kunst- und Kultureventbereich ist lang. Aber wann wird die Crowd müde?
Vor knapp sieben bis acht Jahren wurden die größten Crowdfuning-Plattformen Indiegogo und Kickstarter in den USA gegründet – mit Erfolg. Zahlreiche Projekte von Privatpersonen, Musikern, Vereinen oder Startups konnten so finanziert werden. Eine Projektidee, die von der Crowd für gut befunden wurde, konnte umgesetzt werden – Ideen mit weniger Zulauf erreichten die Summe eben nicht und wurden eingestellt. Mittlerweile haben sich Plattformen wie Startnext oder Wemakeit auch hierzulande etabliert und werden zunehmend für Finanzierungen im Kultur- und Kunstbereich eingesetzt. Stell sich die Frage: Kann die Crowd dort einspringen, wo Förderungen fehlen?
Film Festival goes Crowdfunding
Dass man Crowdfunding auch für Events im Kulturbereich nutzen kann, haben sich die Veranstalter des Slash-Filmfestivals das erste Mal schon vor drei Jahren zu Nutze gemacht und starteten – wie auch in diesem Jahr – eine Crowdfunding Kampagne – mit Erfolg. "2012 haben wir dann damit begonnen das /slash durch Crowdfunding teilzufinanzieren, nachdem uns dieser Tipp von einer öffentlichen Förderstelle, die uns nicht unterstützen konnte, gegeben wurde. Mittlerweile wäre das Festival ohne Crowdfunding schon schwieriger umzusetzen, vor allem weil es eine der wenigen Finanzierungsposten ist, mit denen wir eigentlich fix rechnen können, da unsere Besucher uns jedes Jahr wieder zuverlässig unterstützen.", so Saskia Pramstaller vom Slash-Filmfestival. Als Dankeschön bekommen Unterstützer der Crowdfunding-Kampagne neben gutem Karma verschiedene Merchandise-Artikel, Tickets für die Eröffnung oder aber ein Rundum-Sorglos-Paket. Das Fundingziel von 7.000 Euro wurde 2016 mit über 10.000 Euro weit überschritten, die Fans zu mobilisieren, gelang also offensichtlich. "Das Slash ist durch und durch ein Publikumsfestival, ein Festival von Fans für Fans, das ohne dem Zuspruch und der Unterstützung der Besucher nicht funktionieren würde. Wir haben viele Stammgäste, Menschen denen das /slash ebenso am Herzen liegt wie uns selbst, und die haben das Mobilisieren eigentlich schon lange selbst übernommen.", so Pramstaller.
Einen ähnlichen Weg ging das von Vienna Independent Shorts veranstaltete Cat Film Festival, dass dieses Jahr zum ersten Mal bei der Finanzierung auf Crowdfunding setzte. Das Funding-Ziel von 6.000 Euro wurde erreicht – insgesamt unterstützten 137 Menschen das Festival, das auch in diesem Jahr bei freiem Eintritt in der Arena stattfindet. Profitiert hat das Cat Film Festival dabei nicht nur von der Crowd, sondern auch vom Bank Austria Kunstpreis. Die Bank Austria vergibt auf wemakeit Sponsoring für Projekte, die bei der Crowd gut ankommen mit zusätzlichem Budget – das hilft den Veranstaltern letztendlich auch, das Fundingziel zu erreichen.
Von diesem Sponsoring profitierte auch das "This Human World Festival". This Human World wurde 2008 anlässlich des 60. Jubiläums der Deklaration der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – als erstes Filmfestival seiner Art in Österreich – ins Leben gerufen. Das Funding-Ziel von 27.219 Euro wurde ebenfalls überschritten – mit Hilfe von 250 Unterstützern. Das Angebot an Belohnungen, wie beispielsweise einem Wien Trip mit dem Festival-Team kam gut an, mehr als 14.000 Euro, also knapp die Hälfte des Budgets, wurde ohne Gegenleistung eingezahlt. ** Laut Simone Mathys-Parnreiter von wemakeit stammt diese Summe allerdings nicht – wie von uns zuerst fälschlich im Artikel vermutet – von den Initiatoren selbst, sondern von Menschen, die für ihren Beitrag schlichtweg keine Gegenleistung wollten. Das sei gerade bei sozialen Projekten sehr häufig der Fall. Ein kleiner Teil wurde vom "this human world"-Team eingezahlt – das Geld stammte allerdings aus Bargeld-Sammlungen im Rahmen einer Crowdfunding-Feier. Insgesamt war die Kampagne für die Initiatoren zwar "eine riesen Hakn" aber auch ein großartiger Erfolg.
Laut Mathys-Parnreither gäbe es zwar Kampagnen, bei denen die Initiatoren am Ende einen Teil des Budgets überweisen, um zur Ausschüttung zu kommen – dies sei aber eher die Ausnahme. Projekte die scheitern, erreichen großteils weniger als 30 Prozent ihres Finanzierungsziels. Insgesamt schaffen aber etwa 65 Prozent der wemakeit-Projekte einen erfolgreichen Abschluss.
Und auch Musikfestivals nutzen Crowdfunding
Neben Filmfestivals startete in diesem Jahr auch das Waves Vienna eine Crowdfunding-Kampagne, die letzte Woche endete. "Wir hatten Crowdfunding schon länger auf dem Schirm und als uns ein Sponsor abgesprungen ist, schien das ein guter Weg zu sein den Verlust kompensieren zu können. Im Endeffekt war die ganze Kampagne ziemlich aufwändig und die Gratwanderung zwischen Leute zu mobilisieren und ihnen mit Postings, Newslettern und so weiter auf die Nerven zu gehen, keine leichte.", so Festival-Initiator Thomas Heher zur Kampagne. Die Unterstützer bekommen zwar unterschiedlichste Goodies, die Möglichkeit, ein Ticket fürs Festival zu bekommen ist allerdings nicht dabei. Grund dafür sei laut Heher ein Vertrag mit einer Ticketing-Plattform. Dem Erfolg der Kampagne tut dies dennoch keinen Abbruch – das Essen mit ihm kommt bei den Unterstützern besonders gut an. "Der Tipp mit dem Dinner ist von WeMakeIt gekommen – das hatte bei einem Schweizer Festival schon gut funktioniert.", so der Festivalorganisator. Insgesamt wurde die Zielsomme von 18.000 Euro erreicht – von knapp über 60 Unterstützern. Das passierte nicht zuletzt, weil Werbetreibende in das Projekt investierten und sich so etwa ihre Präsenz auf Bühnen oder in Publikationen für 2.000 oder 3.000 Euro sicherten und die Bank Austria 5.000 Euro sponserte.
Kunsthandel, Ticketing-Plattform oder Crowdfunding
Die Parallel Vienna zeigt aktuell, dass man Crowdfunding auch für Kunstevents nutzen kann. Die Veranstalter "verkaufen" über ihre Startnext-Kampagne Kunstwerke verschiedener Künstler, die die Parallel unterstützen. "Die meisten Kunstwerke bekommen wir von den KünstlernInnen nicht gratis zur Verfügung gestellt. Wir haben uns einen fairen Share bei erfolgreichem Verkauf ausgemacht. Kunstwerke als Belohnung anzubieten lag in unserem Fall sehr nahe. Wir dachten eigentlich, dass sich die Eintritte zum Opening und zum Closing leichter vorab als Goodie verkaufen lassen, doch sind es letztendlich die Bilder gewesen.", erklärt Daniel Haider, Gründer von Parallel Vienna. Die Kunstjäger als Crowd also – im Rahmen der Kampagne wird beispielsweise ein Nitsch-Bild für 3.200 Euro angeboten. Für Supporter mit geringerem Budget werden Tickets für die Closing Party für eine Spende von 10 Euro angeboten. Insgesamt ist die Idee mit den unterstützenden Künstlern durchaus gut – bei Betrachten der Kampagne denkt man zunächst allerdings eher an einen Onlineshop als an eine Crowdfunding-Idee, die ohne Unterstützung nicht zustande kommt. Sinn der Kampagne sei eine breitere Finanzierung, so der Parallel-Gründer – nötig sei das vor allem, weil zu wenig Förderungen für Gegenwartskunst in Österreich da seien.
All in all
All diese Events sind in ihrer Form durchaus unterstützenswert und ein wichtiger Teil der Wiener Kultur- und Kunstszene. Bei manch einem Projekt stellt sich dennoch die Frage, ob Crowdfunding richtig verstanden wurde und ob die Crowd durch die Masse an Projekten und die oft doch hohen Zielsummen nicht bald müde wird. Gerade bei der Zielsumme sollten sich die Initiatoren überlegen, wie viel nötig ist, um das Projekt umzusetzen und wie viel sie realistischerweise von der Crowd bekommen können. Falls die Zielsumme nicht erreicht wird, wird der Betrag (je nach Plattform) nicht ausgeschüttet. Dass Veranstalter selbst draufzahlen, um zu einer Ausschüttung zu kommen, wird in der Szene nur ungern zugegeben. Verständlich, denn wer selbst investiert, um dem entgegenzuwirken, muss mit den Einbußen der 10 Prozent Provision für die Plattform rechnen. Insgesamt zeigt sich an der Menge der aktuellen Kampagnen aber vor allem auch eines: ein Finanzierungsproblem im Kunst- und Kulturbereich, dass weder die Crowd noch die Veranstalter alleine lösen können. Müssen erstere auch nicht, denn die Aufgabe der Crowd sei es letztendlich, einfach Publikum zu sein, so Saskia Pramstaller vom Slash: "Die Frage ob die Crowd das auf Dauer leisten kann, sollte sich nicht stellen, da sie es auf Dauer gar nicht leisten müssen sollte. Eigentlich ist es schon großartig genug, wenn die Crowd die Festivals vor Ort unterstützt und so überhaupt erst das richtige Festivalfeeling bei Machern und Besuchern gleichermaßen aufkommt." Und die Lösung? Nichts Neues: Es braucht Förderungen, es braucht ein Überdenken der Organisation von Fördertöpfen, es braucht Diskussionen, um Veranstaltern das Veranstalten nicht jedes Jahr schwerer zu machen – darüber sind sich im übrigen auch die Veranstalter einig.
** Nachtrag: In einer früheren Version des Artikels wurde fälschlich vermutet, dass Initiatoren oder Förderer des Festivals gegen Ende der Kampagne investiert haben, um das Crowdfunding-Ziel zu erreichen. Dies war nicht der Fall. Wir entschuldigen uns dafür.
Die Crowdfunding-Kampagne von Parallel Vienna läuft aktuell noch, alle anderen Kampagnen sind bereits abgeschlossen.