Gestern haben am Heldenplatz bei "Voices for Refugees" über 100.000 Menschen ein Zeichen für Flüchtlinge gesetzt. Das war so beeindruckend, dass es schwierig ist, einen Text zu schreiben, der dem Ereignis auch nur annähernd gerecht wird.


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Vor etwa 50 Jahren veröffentlichte Ernst Jandl das Gedicht wien:heldenplatz, dass es vor allem auch deshalb in die Leseliste jedes Maturanten geschafft hat, weil es an die schwärzeste Zeit der österreichischen Geschichte erinnert. Der Wiener Heldenplatz ist ein Gedächtnisort – ein Ort, den viele Menschen eindeutig mit etwas verbinden. Das wird sich nicht ändern – selbst wenn in Zukunft jede Woche Zehntausende ihr Smartphone dort für ein Lichtermeer in die Höhe strecken, wird man immer die im Hinterkopf haben, die am 15. März 1938 ihre Hand zum Hitlergruß in die Höhe gestreckt haben. Gestern durfte der Heldenplatz aber zumindest für einen Tag zu einem Ort werden, an dem mehr als 100.000 Menschen ein Zeichen für Flüchtlinge setzen wollten und das auch geschafft haben. Gestern stand der Heldenplatz stellvertretend für die Solidarität der Menschen, für einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen und für ein herzliches Willkommen.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Dass da zahlreiche bekannte Künstler gespielt haben wurde zur Nebensache, das "Wir sind hier und wir sind viele" dagegen zur Hauptsache. Wenn es bei 100.000 Menschen gelingt, eine Schweigeminute für Flüchtlinge wirklich still zu gestalten, dann ist das bewegender, als es jeder Auftritt auf der Bühne sein könnte. Dennoch muss man der "Nebensache Veranstaltung" zugestehen, dass sie es mit ihrem abwechslungsreichen Programm geschafft hat, so viele Menschen zu mobilisieren. Veranstaltet wurde das Event von der Volkshilfe, die musikalische Programmierung übernahm Ewald Tatar von Nova Music.
Heinz Fischer for president… oh wait
13 Musiker und Musikerinnen spielten den Nachmittag über, in den Pausen wurden Einspieler zur Thematik gezeigt und auch den Menschen, die es bereits nach Österreich geschafft haben, wurde Platz für ihre Geschichte gemacht. Eine Stimme für Flüchtlinge erhob auch Bundespräsident Heinz Fischer, der sich in seiner Rede ganz deutlich von denen distanziert "die aus der Not der Flüchtlinge ein Geschäft machen, sei es ein wirtschaftliches oder politisches", gleichzeitig aber Verständnis für die zum Teil vorherrschende Angst zeigt. Ganz abgesehen vom Inhalt der Rede muss man anmerken: Wer 100.000 Menschen mit "meine Freunde und Freundinnen anspricht" hat eben die Herzen und die Aufmerksamkeit der Menschen gewonnen.
Mehr als nur ein Gratiskonzert
Dass tatsächlich so viele Leute gekommen sind, war beeindruckend und ja, natürlich: Zu einer Gratisveranstaltung mit zahlreichen Konzerten von bekannten Musikern zu gehen ist keine Höchstleistung und erfordert kein wirkliches Engagement für Flüchtlinge. Trotzdem ist es machmal auch wichtig zu sehen, wie viele Menschen dieses Thema bewegt und mobilisieren kann. Voices for Refugees war keine Konzertaneinanderreihung, sondern eine Veranstaltung, die Musikern und thematischen Beiträgen gleichermaßen Gewicht gegeben hat. Wenn die Toten Hosen liebe Grüße von ihren Kollegen aus Berlin ausrichten und "Schrei nach Liebe" spielen, ist klar, dass es hier weniger um einzelne Bandperformances, als um eine klare Message geht.
Insgesamt hinterlässt der Abend ein gutes Gefühl. Man hat nichts großartiges geleistet, aber man war zumindest Teil einer Veranstaltung, an die man sich noch lange erinnern wird. Man bekommt ein bisschen Hoffnung, auch für die kommenden Wahlen – Hoffnung dafür, dass solche Events in Wien von politischer Seite aus möglich bleiben.
Gratis, aber bitte nicht umsonst
Aber so schön das Zeichen setzen auch ist – auf Dauer wird es nicht reichen, sich auf den Heldenplatz zu stellen und aus Solidarität zu Bilderbuch oder den Toten Hosen zu tanzen. Also erinnert euch an gestern, erinnert euch wie schön es war und spendet zumindest das, was euch ein solcher Festivalabend wert gewesen wäre für die Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen – darum ging es nämlich. Zeichen setzen ist gut, etwas verändern aber natürlich immer noch ein Stück besser.
Voices for Refugees wurde von der Volkshilfe und Nova Music organisiert und fand am 3. Oktober statt. Wer nicht dabei war, kann sich im Nachhinein die Aufzeichnung von Puls 4 online ansehen.