Die Wiener Clublandschaft floriert. Wiener Clubs genießen mittlerweile einen guten internationalen Ruf bei Acts, Bookern und – vor allem – dem Publikum. The Gap sieht genauer hin und trifft einige Clubmacher zum Interview. Heute: Martin Wagner vom Fluc.
Das Fluc hat Leben an den früher so toten Praterstern gebracht und den zweiten Bezirk näher an die Subkultur gerückt. Anfangs gab es bei striktem Gratis-Eintritt Konzerte in einem leer stehenden Geschäftslokal in den Viaduktbögen unweit des Bahnhofs Praterstern. Das Angebot an eher experimenteller Musik wurde dann bald an Wochenenden um die Fluc Mensa und vorwiegend Club-affinieres Programm erweitert (wo unter anderem das "Icke Micke" den Anfang eines Berlin-Gefühl-In-Wien-Booms setzte). Mitte der Nuller Jahre mussten dann beide Lokale dem Umbau des Pratersterns weichen, weil die Stadt für die Europameisterschaft ’08 herausgeputzt wurde; nicht aber ohne die Zusage, dass man in einer alten Fußgängerpassage einen neuen Betonbunker selbst umbauen und bespielen durfte.
Die Neueröffnung – nach recht aufwendigen Arbeiten – besorgten dann unter anderem Kulturstadtrat Mailath-Pokorny und Gustav. Und schon wenig später war die Fluc Wanne der vielleicht gefragteste Anlaufpunkt für die Wiener Kleinveranstalter-Club-Szene (Pling Plong, Resolut, Electro-Nix, usw), was sich dann erst mit der Eröffnung der Pratersauna 2009 merkbar verschob. Es dauerte eine Zeit lang bis die enge Unterführung der Fluc Wanne wirklich sinnvoll für Konzerte genutzt werden konnte. Die weiter ausgebaute Terasse und eine neue Bar in der Fluc Wanne kamen in jüngster Zeit dazu.
Unsre Fragen hat Martin Wagner beantwortet:
Nach der Schließung des alten Fluc und der dazugehörigen Fluc Mensa wurde nach einer neuen Bleibe gesucht. Wie seid ihr darauf gekommen die ehemalige Unterführung zu einem Club umzuwandeln?
Diese Unterführung war nur 50 Schritte vom ehemaligen Standort entfernt und sollte geschlossen und versiegelt werde. Wir wollten unbedingt am Praterstern bleiben, welchen wir als Kultur- und Veranstaltungsort entdeckt und mitentwickelt haben. Die "alte und versiffte" Passage war das naheliegenste und interessanteste Objekt, wir sind quasi darüber "gestolpert".
Fünf Jahre später: Würdet ihr nochmal alles genau so planen wie damals oder doch gravierende Änderungen vornehmen?
Natürlich ist man nachher immer klüger als vorher und kleine Änderungen würden wir sicher schon vorab einarbeiten, aber im Großen und Ganzen sind wir mit der Situation zufrieden. Es war ja nie viel Geld da, ich denke wir haben ein Maximum aus der vorhandenen Situation, also der bestehenden Bausubstanz und unseren Ressourcen herausgeholt.
Es gibt auch laufend Neuerungen am Fluc und in der Fluc Wanne, wie etwa die neue Terrasse oben, die neue Bar unten. Was sind die nächsten Schritte und wann werden sie erfolgen?
Mit dem Fluc oben sind wir baulich so gut wie fertig. Richtig zur Sache gehts noch in der Fluc Wanne. Dort wird mit einer zusätzlichen Treppe, die errichtet wird, ein weiterer kleiner Bar-Raum bei der Kaiserwiese erschlossen. Rund um die Gebäudeteile auf der Praterseite, der Kaiserwiese, entsteht ein großer begrünter Gastgarten mit Blick zum Riesenrad oder auf die Bühne der Fluc Wanne. Diese Bauarbeiten sollen im Februar beginnen und mit Mai abgeschlossen sein.
Weitere programmatische Änderungen: bis Ende April wollen wir Sonntags geschlossen halten.
Und ausserdem wird es im Fluc oben punktuell Abende mit geringem Eintritt geben, da sich Konzerte mit freiem Eintritt auf Dauer leider nicht selbst finanzieren und wir programmatisch-inhaltlich mehr Spielraum bekommen. An diesen Abenden werden wir die Bar in der Fluc Wanne aber gratis aufsperren, damit immer ein Bereich öffentlich und frei zugänglich bleibt.
Nach Einführung des Nichtrauchergesetzes wurden in vielen Clubs in Wien eigene Raucherbereiche installiert oder durch Umbauten ermöglicht. Kommt das im Fluc noch?
Wir haben im Fluc oben ein Raucherzelt errichtet, das schon in Betrieb ist und durch die Umbauten unten können wir bald eine eigene Raucher-Bar mit Gastgarten anbieten.
Eure Gastveranstaltungen als auch das hauseigene Programm waren stets vielfältig und offen. Wonach richtet sich das?
Wir sind 2002 angetreten die hermetische Szeneprogrammierung in den damaligen Clubs zu durchbrechen. Vielfalt, Durchdringung von unterschiedlichen Szenen in Musik, Kunst und Clubkultur waren immer unser Ziel, auch um neuen Entwicklungen einen Boden zu bieten.
Und wenn man sich die heutige Situation in Wien anschaut, lagen wir mit diesem Anliegen nicht ganz falsch, leider herrscht nach wir vor eine Art Schrebergarten-Denken und eine gewisse Mutlosigkeit vor.
Im Fluc schauen wir liebend gerne und gespannt zu, wie die Rockgitarre um den Dubstep wirbt, um ein neues Genre in die Welt zu setzen und freuen uns herzlich, wenn die bildende Kunst der DJ-Kultur das Händchen zum Tanze reicht.
Eines der größten Mankos in den bestehenden Wiener Clubs sind die Anlagen. Warum – abgesehen davon, dass die Fluc Wanne vollkommen aus (Stahl)Beton besteht – wird auf die Qualität des Sounds so wenig Wert gelegt?
Wir haben sehr viel in unsere Anlage investiert und sowohl Clubveranstalter als auch unterschiedlichste Bands von Elektro-Pop über Hardcore bis zur Jazz Avantgarde oder Veranstaltungen von Wien Modern waren stets sehr zufrieden mit unserm Sound.
Nichtsdestotrotz sind wir noch nicht fertig und wollen im kommenden Jahr weiter in diese Richtung investieren.
Oben im Fluc bauen wir momentan, wie in alten Zeiten, eine 8-Kanal-Anlage und in der Wanne werden zusätzliche Anschaffungen für noch besseren und fetteren Sound sorgen.
Die Fluc Wanne wirkt auch nach einigen Umbauten immer noch sehr roh. Wollt ihr diesen Underground-Touch so beibehalten oder ist es doch das Ziel irgendwann zu den renommierten, internationale Klubs in Mitteleuropa zu zählen?
Über diese Frage muss ich etwas schmunzeln: wir orientieren uns nicht an internationalen Vorbildern, sondern wollen unseren eigenen Weg gehen. Wir sehen uns auch nicht als reiner Club, sondern als Kulturort, der zeitgenössische Kunst, gute Konzerte, Performances, Ausstellungen, Lesungen, aber auch Parties und Clubkultur anbietet und der sein Nischenprogramm zumeist bei freiem Eintritt auch mit Wochenendpartys mitfinanziert.
Und ja wir bleiben roh und finden Stahlbeton ist kein Widerspruch zur internationalen Club-Kultur: Der für viele "beste Club der Welt" das Berghain in Berlin firmiert ja auch bestimmt nicht als "Plüsch-Architektur", sondern beeindruckt durch rauhe, rohe Oberflächen.
Wollt ihr überhaupt verglichen werden? Gibt es eine Orientierung an den anderen Klubs in Wien?
Nein wie oben schon erwähnt sehen wir uns nicht als reiner Club. Wir freuen uns wenn man uns als selbstständiges und autonomes Projekt wahrnimmt, das eigene ästhetische und programmatische Vorgaben setzt.
Wie finanzieren sich das Fluc und die Fluc Wanne?
Wir hatten eine Startförderung von der Stadt, weil das Geld das in die Schließung der alten Passage geflossen wäre, für die Transformation derselben in einen Kulturort zur Verfügung gestellt worden ist. Das entsprach etwa einem Viertel der Errichtungskosten.
Wir bekamen und bekommen darüber hinaus keine Subventionen für unseren laufenden Betrieb. Wir müssen alles aus eigner Hand erwirtschaften und auch unser Kredite bedienen.
Wie viele Personen sind bei euch angestellt?
Es arbeiten cirka 40 Personen mit, einige sind angestellt, oder teilzeitbeschäftigt, andere sind geringfügig beschäftigt oder arbeiten auf Honorarnotenbasis.
In Zürich erhält der Fremdveranstalter 50% des Barumsatzes, weil das dem Betreiber auch Besucher garantiert. Wäre das für euch vorstellbar?
Auf keinen Fall, ich rechne das mal vor: Der Umsatz an der Kassa gehört dem Fremdveranstalter oder der der Fremdveranstalterin.
Vom Bar-Umsatz sind zu bezahlen:
20% Umsatzsteuern
8% Vergnügungsteuer
25% Wareneinsatz
Kommunalsteuern
AKM-Abgabe
Personal (Kellner, Techniker, Security, Organisation) plus Steuern und Sozialabgaben
Strom
Pachtzins
Reinigung
Kreditraten
Erhaltung des Gebäudes
Laufende Investitionen und Reparaturen
Ihr bekommt ja auch eine Fixmiete von den Veranstaltern. Wenn diese Fixmiete dafür etwas höher wäre oder alternativ auch der Eintritt aufgeteilt werden würde, ist 50/50 beim Barumsatz auch dann nicht vorstellbar?
Ich denke die jetzige Regelung ist ganz brauchbar. Um ein wirklich gerechtes 50:50 Modell zu entwickeln, müssten alle Kosten und Posten von beiden Partnern gegengerechnet werden, was an Hand unserer Abgabenliste oben schon einen irren Aufwand darstellt, dies alles auf einen Abend herunterzudividieren.
Das ganze mit jedem Veranstalter dann extra, also 15x im Monat zu machen halte ich eigentlich für unmöglich.
Wer nur 2-4 Partys im Jahr in einem unabhängigen und autonomen Raum macht tut sich da bestimmt viel leichter und hat zB. keine doppelte Buchhaltung und andere "Hobbies".
Ganz allgemein für Clubs gesprochen: angenommen, der Split wäre grundsätzlich für beide Seiten ok – Veranstalter hätten dadurch etwas mehr Freiheit bei der Gästeliste, könnten vielleicht sogar etwas billigere Eintritte machen, wenn sie nicht ausschließlich davon abhängig sind –, können Locations überhaupt garantieren, dass transparent abgerechnet wird und nicht ein paar Zehner vor der Abrechnung verschwinden?
Was das Fluc betrifft kann ich dafür garantieren. Bei Fremdveranstalterinnen und Fremdveranstaltern legen wir diesen nahe selbst das Kassapersonal zu besetzen, damit sie immer selbst die Kontrolle über ihr Geld haben. Als Gegenkontrolle führen unsere Leute eine Aufzeichnung über die Abendkassa-Einnahmen.
An der Bar gilt die amtlich verordnete Einzelkonsumationsdeklaration, sprich jedes Getränk wird in der Sekunde des Verkaufs im EDV-System boniert.
Nach dem das Planetarium vor einigen Wochen als Clublocation geschlossen wurde: Spürt ihr nun einen erhöhten Zulauf oder eher nicht? Gibt es diese belebende Konkurrenz?
Es ist schade ums Planetarium als Club-Ort. Auswirkungen spüren wir keine, es war und bleibt immer schwer einzuschätzen, warum bestimmte Abende einmal erfolgreich sind und ein anderes mal weniger.
Bleiben wir am Praterstern: Durch den Ausbau des Bahnhofes als auch der U-Bahn sind sehr viel mehr Menschen hier zu gegen. Seht ihr das prinzipiell positiv?
Ja sicher, der Ort hat uns ja deshalb schon immer interessiert, weil er ein spannender Platz ist, den viele und vor allem die unterschiedlichsten Menschen frequentieren.
Wir wollen ein offener Kultur-Ort sein, der die Verhältnisse widerspiegelt und wir erreichen mit unseren Kunstaktionen im öffentlichen Raum auch dadurch viele und verschiedenste Menschen.
Deshalb ist der Praterstern für uns ein "Idealort".
Sind euch Veränderungen bei den Besuchern aufgefallen seit der Eröffnung des Praterdome oder kehrt diese Klientel grundsätzlich nicht bei euch ein?
Eigentlich kommt es selten vor, dass Neugierige vom Praterdome vorbeischauen, wir machen aber freilich keine Publikumserhebungen und -statistiken, insofern ist das reine Spekulation.
Gibt es bei euch so etwas wie eine Türpolitik oder sind bei euch alle Menschen gleich?
Artikel 1: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
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