Wiener Clubs im Interview: Market

Die Wiener Clublandschaft floriert. Wiener Clubs genießen mittlerweile einen guten internationalen Ruf bei Acts, Bookern und – vor allem – dem Publikum. The Gap sieht genauer hin und trifft einige Clubmacher zum Interview. Heute: die Betreiber des neueröffneten Market am Naschmarkt.

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Obwohl das Market erst im September 2010 seine Pforten öffnete, wurde der Club schon jetzt von den Hörern von FM4 bei den Jahrescharts zur sechstbesten Location Österreichs gewählt. Kein schlechter Start nach so kurzer Zeit. In den Räumlichkeiten des ehemaligen Club Tresors entstand durch Umbau und einem ausgeklügelten Visual-Konzept eine echte Alternative zu Flex, Fluc, Pratersauna. Laute Musik in den inneren Bezirken bedeutete in Wien immer auch Anrainerbeschwerden. Das Market wurde davon nicht verschont. Eine teure Schallschutzdecke wurde eingezogen um die Anwohner zu besänftigen. Das Konzept scheint aufzugehen, sowie das allgemeine Konzept des anspruchsvollen Bookings.

Die Fragen zu Club, Ausrichtung und Zukunft des Market haben die Geschäftsführer, Booker und DJs Simon Birner und Stefan Schauppenlehner beantwortet:

Wie entstand die Idee zum Market?

Die Idee ergab sich aus der Gelegenheit. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre und Kenntnis des harten Wettbewerbs gab es eigentlich nicht unbedingt Ambitionen in dieser Richtung. Mit Job, unserem eigenen Label und Veranstaltungen in anderen Locations waren wir eigentlich alle gut beschäftigt. Diese Location direkt am Naschmarkt war dann doch zu verlockend und so fand sich das derzeitige relativ schnell zusammen.

Die Grundidee war, als verlängertes Wohnzimmer und Homebase für Wiener Musikschaffende zu dienen. Durch unsere vorangegangen Tätigkeit war für uns aber klar, dass auf Dauer nur ein schlüssiges Gesamtkonzept aus Club, etablierten Artists, Nachwuchsförderung und Label(s) Sinn macht.

Ihr seid DJs und kommt viel herum – welche Fehler anderer Clubs wollt ihr selber nicht begehen?

In dieser Branche von Fehlern zu sprechen ist gewagt. Wirtschaftliche bzw. kaufmännische Fehler kann sich in Zeiten wie diesen sowieso niemand mehr leisten. Ob und wann ein bestimmter Abend oder eine ganze Location funktioniert hängt von mehreren Faktoren ab. Das vorherrschende Überangebot verzerrt da zusätzlich.

Mit welchen „Konkurenten“ in Wien seid ihr freundschaftlich verbandelt? Wo seht ihr musikalisch bzw. von der Ausrichtung her die größten Parallelen? Sprecht ihr euch auch ab, damit es nicht zu einem Booking-Wettbieten kommt?

Da viele der Beteiligten schon in anderen Lokalitäten gearbeitet oder veranstaltet haben, gibt es natürlich auch freundschaftliche Verhältnisse. Wir sind der Meinung dass Wien groß genug ist und jeder seine Nische finden kann. Wir sehen uns als Mischung aus Flex, Fluc, Pratersauna und Cafe Leopold.

Mit Bookingabsprachen ist es eine komplizierte Sache, denn im Endeffekt kann ja keiner auf einen vielleicht guten Abend verzichten – bei der vorherrschenden Konkurrenzsituation. Wir versuchen halt was musikalisch anderes zu machen, wenn ein uns bekannter Veranstalter am selben Tag veranstaltet. Wer braucht auch fünf House-Parties an einem Tag? Im Allgemeinen wollen wir eher Acts holen, die noch nicht so oft in Wien waren, oder noch vor dem großen Durchbruch stehen und uns so etwas aus der extremen Konkurrenzsituation im House- und Technobereich auszusparen. Das macht es natürlich auch nicht unbedingt einfacher. Viele Bookings beruhen auch auf Kontakten und Freundschaften die schon länger bestehen.

Es gab klarerweise Anrainer-Beschwerden, oder? Lärmschutz kostet, was habt ihr dagegen unternommen, wie laut ist es jetzt und wie geht das weiter?

Nach einigen zusätzlichen, kostenintensiven Lärmschutzmaßnahmen und diversen Setup-Änderungen spielt sich das ein. Wir haben Gott sei Dank einen Weg gefunden, bei dem das Musikvergnügen unserer Gäste und der Schlaf der unfreiwilligen Mithörer in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Wir überlegen aber zusätzlich für Anfang kommenden Jahres weitere Verbesserungen in Bezug auf die Soundverteilung im Raum. Da wird sich noch einiges tun!

Wie wichtig sind heute überhaupt noch Facebook- und Last.fm-Events? Sind Anmeldungen ein Gradmesser? Geht es schon wieder ohne?

Wir benützen beides für Promotion. Wie sehr es sich dann tatsächlich auswirkt, ist schwer zu sagen. Auf Anmeldungen verlassen wir uns nur bedingt, da haben wir schon die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht. Eine Zeit lang wird das aber schon noch relevant sein, denken wir.

Seht ihr euch auch als politischer Club? Und wie geht Ideologie im sonst apolitischen Techno-Betrieb?

Mit Parteipolitik haben wir nix am Hut. Abgesehen von bestimmten rechten Kräften, die unserer Haltung extrem zuwiderlaufen, sollte man sich da auch unbedingt einen Freiraum bewahren. Wir sehen aber durchaus eine gesellschaftspolitische Relevanz in dem was wir tun. Ethnische und soziale Herkunft oder Beruf sollten in einem guten Club eigentlich so wenig Bedeutung wie möglich haben. Vorurteilsbedingte Grenzen zwischen Menschen, die sich sonst so nie getroffen hätten, aufzubrechen, sehen wir schon als Aufgabe. Unsere Preisgestaltung zielt auch in diese Richtung ab – jeder soll sich einen Abend bei uns leisten können und seinen Spass haben. Besonders zu fortgeschrittenerer Stunde ergeben sich da dann öfter ganz lustige Paarungen an der Bar.

Welches Publikum zieht ihr an? Wie wichtig ist das eurer Meinung nach für einen Club? Ein Club wie das Berghain ist ja für seine fast willkürliche Türpolitik bekannt, dafür ist es drinnen dann großartig…

Wir versuchen eine gesunde Mischung hinzubekommen was unserer Meinung nach einen guten Abend ausmacht. Es gibt keinen Dresscode.

So ein Club ist wie ein Auto, immer wieder tun sich neue Baustellen auf. Da neue Systeme, da eine Betondecke, mal neue Klos, eine neue Lüftung und dann noch das Personal. Wie geht sich das alles aus?

Knapp! (Gelächter!)

Habt ihr eventuell blaue, rote, braune oder grüne Hintermänner als stille Financiers, Pächter oder Putzmittellieferanten im Boot, von denen man wissen sollte? Jetzt wäre die Gelegenheit reinen Tisch zu machen…

Weder noch, wobei bei unserem Putzmittellieferanten sollten wir vielleicht nochmal nachfragen! (Lachen)

Die Anfangstage waren bei euch von anspruchsvoller, elektronischer Tanzmusik geprägt – nun gibt es zum Beispiel den TBA Love Club mit Gitarrenmusik bei euch. Plant ihr euer Programm noch stärker auszuweiten?

Wir sind momentan ganz zufrieden mit der musikalischen Mischung bei uns, sind aber auch immer offen für neue Dinge. Grundsätzlich geht es uns darum Qualität anzubieten, das kann aber alles Mögliche sein, solange alle ihren Spass dabei haben.

Wie wollt ihr es schaffen ein breiteres Publikum anzuziehen, Leute auf das Market aufmerksam machen, die bisher nicht davon gehört haben?

Durch Mundpropaganda und gute Promotion in Presse, Radio und TV. Weiters ist die Gründung eines eigenen clubnahen Labels geplant, was ebenso Aufmerksamkeit bringen wird.

Was hat sich in der Wiener Clublandschaft in den letzten fünf Jahren verändert? Im Guten wie im Schlechten?

In den letzen Jahren hat bedingt durch den gestiegenen Wettbewerbsdruck eine unglaubliche Professionalisierung stattgefunden. Sowohl Quantität als auch Qualität der Bookings und der Promotionaktivitäten sind rasant in die Höhe geschnellt. Das oft missbrauchte Schlagwort "Minimal" hat da vor ein paar Jahre viel Staub aufgewirbelt, wodurch viel neues Publikum in die "Szene" gespült wurde. Die Digitalisierung von Musik und Promotion über Online-Anbieter hat vieles einfacher und jedem zugänglich gemacht, was leider auch seine Schattenseiten hat. Mittlerweile ist es aber glücklicherweise so dass auch Laptop-DJs tolle und interessante Sets spielen und nicht mehr der dümmste Partyschmäh mit Drogenanspielungen für ein volles Haus sorgt 🙂 Spannende Zeiten!

Als indirekte Standort-Wien-Aufwerter: überlegt ihr euch fördern zu lassen oder werdet ihr vielleicht schon gefördert?

Ja, daran arbeiten wir natürlich, bis jetzt gibt as aber noch nichts Konkretes. Wir bauen auf die neue Stadtregierung.

Zwei Highlights seit der Eröffnung?

Tensnake bei Diskoblitz und Kollektiv Turmstrasse bei Thekendisko.

Der Club Market wird Visual-technisch von Bildwerk bespielt und befindet sich im sechsten Wiener Gemeindebezirk, Linke Wienzeile 36. Öffnungszeiten, sowie weitere Information findet man unter markette.wordpress.com

Weitere Club-Interviews: Flex

Weitere Club-Interviews: Fluc

Weitere Club-Interviews: Pratersauna (Juni 2010 anlässlich des Prater Unser)

http://markette.wordpress.com/

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