Die Kanadierin Ydessa Hendeles ist Künstlerin und Sammlerin zugleich. Die Kunsthalle Wien zeigt im Rahmen der Ausstellung »Death to Pigs« Gesammeltes und Gefundenes, das Geschichten von Entwurzelung, Herkunft und Konzepten von Heimat erzählt.
Eine lebensgroße Sau, die mahnend auf einem Podest thront und einen mit ihren gierigen Augen verfolgt, 150 Holzpuppen als Wächter in einem Ausstellungsraum drapiert und Bilder von Spielzeugfiguren, die einem obgleich ihrer Vertrautheit einen Schauer über den Rücken jagen. Der Titel – inspiriert von den Morden der berühmt berüchtigten Manson-Familie aus dem Jahr 1969, die an ihren Tatorten stets die Botschaft »Death to pigs« zurückließ – ist ein Vorbote der bedrohlichen Atmosphäre, die Geschichten von Gewalt, Stigmatisierung und Entwurzelung erzählt. Behutsam werden in »Death to Pigs« historischen Artefakten, Fotografien, Kunst und ein Video aneinandergereiht und zueinander in Beziehung gesetzt. Ydessa Hendeles ist Sammlerin und Kuratorin und schafft mit beidem ihre eigene Kunstform. Wie keine andere versteht sie es, allein durch ihre Kompositionen aus unterschiedlichsten Gegenständen Unbehagen, Irritation aber auch Rührung zu wecken. Ein stark autobiografischer Einfluss zieht sich – als Tochter von Holocaust-Überlebenden – wie ein roter Faden durch ihre Arbeiten.
Ydessa Hendeles ist heute vielfältig künstlerisch tätig, als Kunsttherapeutin, Dozentin und Galeristin. Im Fokus steht dabei das Streben nach Erinnerung und die Suche nach einem Gefühl von Heimat. Schon sehr früh war Kunst ihr Zufluchtsort. Vor allem in der Beziehung zu ihrem Vater spielte sie eine wichtige Rolle, verbrachte sie als Kind fast jedes Wochenende mit ihm im Museum, für sie ein erster Hort der Geborgenheit.
Ihre Arbeiten sind weder mit den Ausstellungskonzepten klassischer KuratorInnen, noch mit jenen klassischer KünstlerInnen vergleichbar. Das was Hendeles tut, liegt irgendwo dazwischen: Sie findet, betrachtet, studiert, sammelt und gruppiert. Und schafft es letztlich mit einem unbändigen Maß an Feinfühligkeit, durch diese Kompositionen Bilder zu erzeugen und Geschichten zu erzählen – mal autobiographisch, mal gesellschaftspolitisch, mal kunst- oder kulturhistorisch. Dabei gilt oft, was Aristoteles für die Metaphysik postulierte: »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile«, denn erst in der Gesamtheit und in der Zusammensetzung und Kuratierung werden die einzelnen Stücke zu einem Gesamtkunstwerk.
Hendeles ist auf der Suche nach einer Art Ersatz für jene Erinnerungen, die für sie und ihre Familie angesichts der Entwurzelung durch das Naziregime für immer verloren sind, wie sie in einem Interview erwähnt: »Fast die ganze Verwandtschaft war tot, die Heimat weg und die Sprache auch. Sie glauben gar nicht, wie sehr man sich da nach alten Familienalben sehnen kann. Doch auch die waren natürlich weg.«
Erinnerungen aus Plüsch
Am deutlichsten wurde ihre Sammlerinnenleidenschaft bei der Arbeit »The Teddy Bear Project« im Rahmen der Ausstellung »Partners« 2004 sichtbar: Über Jahre hinweg sammelte Hendeles in Auktionshäusern oder auf Ebay alte Teddybären und anonyme Fotografien, auf denen Personen mit Teddybären in ihrem Alltag festgehalten wurden. Über 3000 solcher Fotografien zählte sie letztlich zu ihrer Sammlung, gepflastert an die Wände gleich mehrerer Ausstellungsräume.
Und was sammelst du?
Es gibt vermutlich kaum einen Gegenstand auf dieser Welt, der abseits von klassischer Kunst noch nie zum Objekt der Begierde für so manche Sammlerinnen und so manchen Sammler erklärt wurde. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich – vier Sammler aus Österreich über vier Gründe, zu sammeln.
Die Fans als SammlerInnen
Während Museen als klassische Sammlungsinstitutionen zählen, sammelt auch der ein oder andere privat so leidenschaftlich und damit fast professionell – so professionell, dass Sammlungen auch öffentlich werden. Die Themen dafür sind vielfältig: In Alterlaa eröffnete das Ehepaar Klinger in einem der Gemeinschaftsräume ein Freddy Quinn Museum. Nach dem Kauf der ersten Schellack-Platte »Heimweh« begleiteten sie den Künstler 59 Jahre lang bei all seinen künstlerischen Aktivitäten und sammeln seither neben seinen Platten auch Videoaufnahmen, Bühnenoutfits und Fotos.
Nostalgie-Sammlung
Leidenschaft und vor allem auch Nostalgie und Kindheitserinnerungen sind der Grund für das Bestehen von Michaels Sammlung. Als ehemaliger Profi-Skateboarder sammelt er heute Skateboard-Decks aus den 80ern. Auslöser war sein erstes Profi-Deck, das er zu Weihnachten geschenkt bekam, richtig mit dem Sammeln begonnen hat er allerdings erst Jahre später – um seiner Leidenschaft in einer anderen Form weiterhin nachgehen zu können. Seine Lieblingsstücke wurden von Jeff Philipps designt, einige davon sind heute über 1.000 Euro wert. Die Anzahl der Decks variiert, Michael verkauft, kauft und tauscht via Ebay, Facebook und Willhaben. In Österreich sei die Community an SammlerInnen in diesem Bereich allerdings sehr klein, wie er erklärt.
Sammeln, um zu sammeln
Daniels Sammel-Leidenschaft fokussiert sich nicht wie bei vielen auf einen bestimmten Gegenstand, sondern auf alles, was ihm gefällt – von Sukkulenten über Schallplatten und Comics bis hin zu Hemden und Lampen. Besonders stolz ist er auf die kompletten Runs von »Dazzler«, »Generation X« und »New Mutants« – heute sieht er seine Sammelleidenschaft in mancherlei Hinsicht aber duchaus auch kritisch: »Eine Zeit lang habe ich das echt übertrieben. Ich habe zum Beispiel so vor zehn Jahren alle Ausgaben von »Spiderman loves Mary Jane« gekauft, aber ich habe sie bisher nie gelesen.« Während gerade ComicsammlerInnen oft auf verpackte Originale wertlegen, hält Daniel Ordnung in Sammlungen generell nicht für erstrebenswert: »Ich finde unsortierte Sammlungen schöner, als die pingeligen. Wer alles immer Ordnen muss, ist mir suspekt.«
Profi-Sammler
Andranik Ghalustians ist Österreichs größter Videospielsammler. In einer Wohnung sammelt er seine gut 15.000 Exponate, von der allerersten Heimkonsole Magnavox Odyssey aus seinem Geburtsjahr 1972 bis hin zu aktuellen Konsolen. Ernsthaft mit dem Sammeln begonnen hat er in den 90ern, nach einem Flohmarktbesuch. Dort kaufte Ghalustians einen Amiga 500, den er bereits in seiner Jugend besaß. Es folgten viele weitere Stücke mit nostalgischem Wert, zunächst lag der Fokus auf Konsolen und Heimcomputern, später kamen auch Arcade-Automaten aus Spielhallen dazu. Im Gegensatz zu vielen anderen Games-SammlerInnen spielt der Antiquitätenhändler die Spiele auch wirklich – dass sie ganz neu/eingeschweißt sind, ist ihm nicht wichtig. Künftig sollen seine Spiele auch in einer Ausstellung zugänglich gemacht werden, dafür gibt es aktuell Gespräche mit der Linzer Tabakfabrik und dem AEC.
Wer einen Blick in die Sammlung und die dadurch entstehenden Erzählungen von Ydessa Hendeles werfen möchte, kann dies bei der Eröffnung am 27. Februar um 18 Uhr bei freiem Eintritt bzw. ab 28. Februar 2018 bis 27. Mai 2018 in der Kunsthalle Wien. Jeden Sonntag um 15 Uhr gibt es zudem gratis Überblicksführungen mit KunstvermittlerInnen, der Ticketpreis kann sonntags zudem nach dem Pay-As-You-Wish-Prinzip selbst festgelegt werden. Mehr Informationen gibt’s hier.