Ein Buch stellt Wiener Grafikdesignerinnen des 20. Jahrhunderts in die Auslage. Spannend und ernüchternd zugleich.
Österreichisches Grafikdesign? Historisch denkt man da an Namen wie Joseph Binder, Julius Klinger, Hermann Kosel und Victor Theodor Slama. Was zu erwarten war: Frauen standen kaum in der ersten Reihe. Dabei wäre die Ausgangslage eigentlich gar nicht so schlecht gewesen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es viele Studentinnen an der Wiener Kunstgewerbeschule (der Vorläuferin der „Angewandten“) und an der „Graphischen“. Doch deren berufliche Perspektiven waren begrenzt, vor allem wenn sie Kinder bekamen.
In dem Standardwerk „Österreichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert“ hat Anita Kern bereits vor Jahren begonnen, das Werk heimischer Grafikerinnen vorzustellen. Hier kommt eine Art Fortsetzung: „14 Grafikerinnen im Wien des 20. Jahrhunderts“ von Heidelinde Resch, ursprünglich entstanden als Abschlussarbeit an der FH Joanneum. Reschs Betreuerin an der Hochschule war übrigens die Grafikdesignerin Catherine Rollier, die seit den 80er Jahren u. a. im Kulturbereich Akzente gesetzt hat und in dem Buch selbst vorgestellt wird: Sie entwarf z.B. Logo, Plakate und Kataloge für das seinerzeit von Peter Noever aus dem Dornröschenschlaf gerüttelte MAK.
Amazone im Dirndl
250 Grafikerinnen hat die Autorin ausfindig gemacht, bei 14 war die Quellenlage ausreichend, um Werk und Leben näher zu beschreiben. Zeitlich reicht der schmale Band von der Zwischenkriegszeit, als sich die umtriebige Margit Doppler auf den boomenden Bereich der Filmplakate spezialisierte, über die Jahre nach 1945, in denen Emma Reif vom Atelier „Der Kreis“ ästhetische Aufbauarbeit geleistet hat bis zu zeitgenössischen Gestalterinnen wie Cordula Alessandri.
Ein Schwerpunkt liegt auf den 50er und 60er Jahren, deren gestalterische Qualität erst in den vergangenen Jahren geschätzt wird. Klar: Plakate für „Maldone Moden“ (Ilse Jahnass) und „Amazone“-Strümpfe (Elisabeth Pikhard) oder das Coverbild für das „Dirndl-Heft“ (Paula Keller) wirken rückblickend nicht wie revolutionäre Kracher. Doch das lag am Mief der Zeit, nicht an den Frauen. Die hätten sich mit Sicherheit mehr Spielraum gewünscht. Für seinen Beitrag zum Buch hat der ÖNB-Plakathistoriker Christian Maryška übrigens recherchiert, dass von den 20er- bis in die späten 90er-Jahre der Frauenanteil bei Grafikausstellungen oder bei der Standesvertretung (Bund Österreichischer Gebrauchsgraphiker bzw. später designaustria) meist um die 10 Prozent lag. Und heute?
Das Buch wird am 8. Mai im Designforum Wien präsentiert. Details hier.
Heidelinde Resch: 14 Grafikerinnen im Wien des 20. Jahrhunderts. 206 Seiten / 180 Abbildungen. Ambra Verlag, Wien.