Die Essence, Jahresausstellung der Universität für angewandte Kunst Wien, zeigt sich 2016 nicht nur an neuer Location, der Alten Post, sondern auch dezidiert politisch. Wir haben die beiden Industrial Design Studien genauer unter die Lupe genommen, die durchweg spannende Konzepte mit Blick auf die Zukunft entwickelt haben.
Schlauch – Johanna Riedl und Sebastian Scholz
Luft als Wegweiser kindlicher Körperwahrnehmung Wie kann es gelingen mit Hilfe von Luft, Kindern ihren Körper und dessen Fähigkeiten sowie Gefahren näher zu bringen? Gleich sechs Projekte (im Bild: Schlauch von Riedl und Scholz) widmen sich dieser Frage und so entstehen in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien mit Luft gefüllte Berge, Schläuche, Quetschen und Rollen zum Aufblasen, mit denen Kinder Kraft, Gleichgewicht und Tiefenwahrnehmung trainieren und ein Gefühl für den eigenen Körper in verschiedenen Situationen bekommen.
dB Shift – L. Dominici, S. Falkeis
Sound eines Kleidungsstückes Das Projekt dB Shift integriert künstliche Reibeflächen in den Pullover, die den Träger in ungewohnte Geräuschsituationen bringen und auf diese Art zu einer erhöhten Auseinandersetzung mit den sie umgebenden Geräuschen anregen sollen.
Doing Nothing Rituals – Emanuel Gollob © Emanuel Golob
Anregung zum Nichtstun Keine Zeit für Reflexion und Innehalten? Darunter – so das Projekt Doing Nothing Rituals – leidet unsere Effizienz. Die entwickelten Gerätschaften soll man zu zweit im öffentlichen Raum betätigen und die beruhigende Wirkung folgt. Vielleicht.
Fashion for Catastrophe – Lis Eich, Benjamin Risavy, Marie Steinacher
Der persönliche Gummiring in Gefahrensituationen - Fashion For Catastrophe Auch die Mode findet im Industrial Design ihren Platz. Ein spielerisches Experiment mit Feuerfolie und Gummi entwirft Kleidungsstücke für Ausnahmesituationen. Der Ansatz greift das ernste Thema vermehrter Umweltkatastrophen auf eine bewusst humorvolle Art auf und versetzt sich in die Zukunft, ins Jahr 2066, in dem wir vielleicht schon unter anderen Klimabedingungen leben werden.
Gravitone – Támás Nyilansyzky
Musik im Weltall Verlagert sich das menschliche Leben eventuell in den Weltraum? Gravitone soll in der Lage sein, Töne im All zu erzeugen. Ein gedankliches Herantasten an zukünftige mögliche neue Lebensräume und auch anderen Planeten.
New Communication – L. Hofer, J. Riedl, A.-L. Trampisch
Verlust von Mimik und Gestik – ein Kommunikationshindernis? Mit der Frage nach Verlust von Fähigkeiten und deren Ersetzen durch technische Geräte beschäftigt sich das Projekt "New Communication". Hier wird eine Prothese erprobt, die Gesichtsausdrücke ersetzen soll.
Spark – Daniel Kloboucnik, Daniel Wyrobal
Hybride Realität als Herausforderung und Chance Hybrid bedeutet eigentlich Vermischung. Genauer gesagt geht es hier um das Vermischen von körperlicher Realität mit digitaler. Das Projekt Spark geht vpn der Prämisse aus, dass die Vorstellungskraft von Kindern im Angesicht ständiger Medienbeschallung leiden könnte. Ausgangspunkt des Projekts ist demnach die Kritik an der vorgesetzten, "digitalen Realität". Spark entwickelt nun einen Stift, mit dem die Analogwelt und die digitale verbunden werden sollen, in Form von Augmented Reality Painting.
Transitory Yarn – Alexandra Fruhstorfer, Anna Neumergel, Maximilian Scheidl
This is not wearable Ein türkiser Faden schwebt in der Luft des kleinen Ganges, der die drei Räume mit einander verbindet. Rechts eine Jacke, links eine Hose, in der Mitte keine Nähmaschine, sondern eine Art kleiner Garn-Galgen, der das Kleidungsstück zum Knäuel zurückspinnt. "Transitory Yarn" beschäftigt sich mit Nachhaltigkeit in der Textilindustrie – digitale Stricktechnologien ermöglichen es, so zu stricken, dass ohne Fadenverlust wieder aufgetrennt und der Faden für neue Kleidungsstücke wiederverwendet werden kann.
Die verwinkelten Räumlichkeiten der alten Post, die man von den verschiedensten Festivals kennt und die auch bald der Parallel Vienna ein Heim bieten werden, ähneln derzeit eher Laboratorien, die die BesucherInnen auf eine Reise durch verschiedenste Ideenwelten schicken – und bei all der visuellen Überforderung (man sollte sich definitv zwei Mal Zeit nehmen) – den Studierenden Raum gibt, Stellung zu beziehen. Schon das Cover des Ausstellungskatalogs ziert ein Bolzenschneider – in Zeiten von Zäunen, Brexit und Flüchtlingskrise, ist das eine Ansage. Ein eigentlich destruktives, gefährlich wirkendes Instrument kann Grenzen, Zäune abbauen und mit der Zerstörung positive Zeichen setzen. Kunst – das zeigt die Essence 2016 besonders deutlich – kann und will (wieder) politisch sein. Dem Industrial Design, das auf der Angewandten gleich zweimal – einmal von Paolo Piva, einmal von Fiona Raby unterrichtet wird – kann besonders in Zeiten wie diesen eine besondere gesellschaftlcihe Komponente zukommen. In verschiedensten Projekten zeigen die zwei Abschlussjahrgänge ein breites Spektrum, sowohl im Zugang als auch im Material. Zukunftsvisionen, Utopien und Dystopien und Parallelwelten scheinen dabei Themen zu sein, die sich durchziehen. Dabei steht die künstlerische Ebene mal mehr und mal weniger im Vordergrund. Allemal gelingt es der Ausstellung zu faszinieren und den eigenen Lebensstil zu hinterfragen.
Die Essence 2016 findet noch bis 15. Juli in der Alten Post, Wien statt.