Morde an Frauen sind keine Einzelfälle, besonders in Österreich gibt es exorbitant viele. Woran liegt das?
Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen definiert Femizid als »von privaten und öffentlichen Akteuren begangene oder tolerierte Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts«. Expert*innen warnen seit Jahren, dass in Österreich besonders viele Frauen und Mädchen getötet werden. So gab es 2021 laut den Autonomen Österreichischen Frauenhäusern (AÖF) 31 Femizide, 2022 sind es bereits zwölf. Anlässlich der internationalen Tage gegen Gewalt an Frauen 2021 sagte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), dass jeder Frauenmord einer zu viel sei. Dennoch sind sich viele in ihrer Kritik ob der mangelhaften Bemühungen der Bundesregierung einig. Olivera Stajić betitelte etwa einen Kommentar in Der Standard mit den Worten »Femizide: Raab ist auf einem Auge blind«. Sie machte darin darauf aufmerksam, dass Frauenmorde die österreichische Politik vor allem dann interessiere, wenn der Täter einen Migrationshintergrund hat. Dabei seien die Täter doch vor allem eines: Männer.
Scham und Verharmlosung
Der Verein AÖF ist ein Netzwerk von 13 autonomen Frauenhäusern, das auch die Informationsstelle gegen Gewalt und die Frauenhelpline gegen Gewalt (0800 / 222 555) betreibt. Geschäftsführerin Maria Rösslhumer betont, dass das Sprechen über Gewalt an Frauen in Österreich noch immer tabuisiert werde. Ebenso werde oft den Opfern Schuld zugeschoben, was wiederum Scham auslöse. Daher trauen sich gewaltbetroffene Frauen oft nicht, Hilfe zu suchen. Prekäre finanzielle Situationen sorgen dafür, dass sich Frauen nicht ohne Weiteres von gewalttätigen Partnern trennen.
»Patriarchale Vorstellungen von Geschlecht spielen ebenfalls eine große Rolle«, so die Expertin weiter. »Das reflektiert unter anderem die politische Entwicklung. Wir haben in Österreich seit Jahren eine rechtskonservative Regierung, in Parteien des rechten politischen Spektrums wird Gewalt an Frauen oft verharmlost und als ›importiertes Problem‹ dargestellt. Gewalt an Frauen und Femizide werden jedoch genauso von sognannten autochthonen Österreichern begangen.« Auch Medien reproduzierten patriarchale Klischees, wenn sie Femizide als »Beziehungsdrama« oder »Familientragödie« verharmlosen, so Rösslhumer.
Sie erinnert daran, dass es bereits Gesetze zum Schutz vor Gewalt gebe, jedoch würden diese oft nicht wirksam angewendet beziehungsweise ausgeschöpft. Verbale Gewalt oder Hass im Netz würde oft toleriert. Auch die Auswirkungen der Pandemie habe sich in ihrer Arbeit gezeigt, etwa bei der erhöhten Anzahl an Anrufen bei der Frauenhelpline. Von der Politik wünscht sich Rösslhumer »eine langfristige und gesicherte Finanzierung, für eine echte Gleichstellungs- und Gewaltschutzpolitik« und mehr Ressourcen.
Um Gewalt an Frauen und Mädchen zu verhindern, gilt es, den Blick auf die gewalttätigen Männer zu lenken. Das macht der Dachverband für Männer-, Burschen- und Väterarbeit in Österreich (DMÖ). Erich Lehner, Obmann und Psychoanalytiker, hält fest: »Gewalt an Frauen ist zu überragenden Großteil Gewalt von Männern. Hauptsächlich wird Gewalt in der Gesellschaft von Männern ausgeübt und auch von vielen Männern erlitten. Darin zeigt sich, dass Gewalthandeln sehr mit Mustern von Männlichkeit zusammenhängt.«
Männlichkeit reflektieren
In unserer Gesellschaft herrsche noch immer das Bild des starken Mannes, so Lehner. Es sei daher wichtig, mit Männern in Kontakt zu treten, die gewalttätig geworden sind beziehungsweise zur Gewaltausübung neigen: »In Beziehung mit Begleitern lernen sie, ihre Gewalttätigkeit und Männlichkeit zu reflektieren, von Gewalt abzulassen und anstelle der Gewalt andere Formen der Beziehung zu erarbeiten. Dann lernen sie auch ihre Männlichkeit von einer dominanzorientierten zu einer beziehungsorientierten Männlichkeit zu entwickeln.«
Zusätzlich zur Frauenhelpline (0800 / 222 555) gibt es auch eine Telefonnummer für Männerberatung (0720 / 70 44 00) sowie den Männernotruf (0800 / 246 247). Weitere Informationen zu AÖF und DMÖ sind unter www.aoef.at bzw. www.dmoe-info.at zu finden.
Anlässlich unseres 25-Jahr-Jubiläums haben wir uns in The Gap 192 »25 Fragen zur Gegenwart« gestellt. Dieser Beitrag beantwortet eine davon.