Gemeinsam mit Universität in Valencia und Manchester bietet die Kunstuniversität Linz nun einen Studiengang »Ludic Interfaces«. Georg Russegger ist als Scientific Manager für die Entwicklung und Umsetzung des Studiengangs zuständig.
Spiele sind seit einigen Jahren und gerade immer mehr in aller Munde. Stichwort Gamification und viele andere Bereiche. Welche Rolle spielen hier digitale Spiele, wenn doch die Grundprinzipien so viel älter sind?
Mit dem Schlagwort Gamification passiert gerade wieder einmal das, was auch schon mit Social Media, Web 2.0 oder Mobile Computing passiert ist. Das Überfrachten eines Begriffs der somit als Hype zu klassifizieren ist. Angesprochen ist der Versuch mittels spielgeleiteten Design- und Produktlösungen die Überforderung von Individuen und Gruppen in immer komplexer werdenden Handlungs- und Interaktionswelten handzuhaben.
Das Potenzial von Gamification im Allgemeinen ist unumstritten, es bleibt aber ein zahnloser Begriff, wenn keine Kontexte geliefert werden. Die Grundprinzipien dieses Ansatzes sind nicht neu, denn Spiel und Spielen sind immer schon fixer Bestandteil von menschlichem Trainieren, Üben, Experimentieren, Lernen.
Joan Huizinga hat dies mit seinem Werk „Homo Ludens“ exemplarisch aus kulturwissenschaftlicher Sicht zusammengefasst. Im Rahmen des neu entwickelten Studiengangs „Ludic Interfaces“ an der Kunstuniversität Linz stehen Fragestellungen zu Gamification zwar nicht im Zentrum, aber sie stellen einen Bestandteil des Lehr- und Vermittlungsangebots dar.
Welche Rolle spielen hier Digitalität und Technik?
Digitalität und Technik eröffnen neue Möglichkeitsräume und Handlungsumgebungen. Der Simulations- und Vernetzungsgrad von Onlinespielen ist dadurch enorm angewachsen. Das wirkt sich auf globale Zugänglichkeiten aus und eröffnet auch neue Kultur- und Marktformen. Und es schafft auch neues Potenzial für kreatives Entwerfen und Entwickeln. Hierbei lauteten die Schlagworte immer schon Herumspielen und Experimentieren.
Für Kunstschaffende und Kreative ist das spielerische Erfinden schon immer eine Basis für das Schaffen von Neuem. Früh haben Firmen wie z.B. Sony dieses Potenzial erkannt und sich Forschungsabteilungen geleistet, in denen Künstler und Designer nichts anderes machen mussten als herumzuexperimentieren.
Wichtig ist hier die Unterscheidung, dass es dabei nicht um ein Game geht, also ein Spiel mit abgeschlossenen Regeln, sondern einen offenen, "verspielten" Zugang. Was bedeutet dies im Detail?
Primär geht es hierbei um das Schaffen von neuen spielerischen Fähigkeiten und Übungsmethoden für Individuen, die in vielerlei Hinsicht anwendbar sind. Spielen ist nicht gleich Spiel. Gerade im Erfinden von Neuem und bei kreativen Tätigkeiten geht es oft um das Loslassen von Routinen und Regeln – einen Perspektivwechsel. Im Detail bedeutet das, sich zwar Strukturen zu schaffen in denen man spielen kann und auch den nötigen Wissenskontext dafür anzubieten, aber den Ansatz ergebnisoffen und experimentierfreudig zu gestalten und nicht ziel- oder regelorientiert.
Also hätten akademische Einrichtung sich dieser Methoden schon lange bedienen müssen. Wie kommen Ludic Interfaces nun an die Universität?
Das hat mehrere Gründe. Einerseits ist schon länger klar, dass Ausbildungssysteme sich an die laufenden Anforderungen von Betätigungsbereichen dynamisch anpassen müssen. Hier geht es verstärkt um interdisziplinäre Ausbildungsprofile, die Ansätze vermitteln, um Lernen zu lernen. Andererseits stellen spielerische Ansätze keine fachspezifischen Werkzeuge dar, sondern stellen Methoden zur Verfügung, um mit komplexen Themen und Sachverhalten umzugehen. Wir hatten das Glück, im Rahmen einer EU Förderung, die vier europäischen Universitäten zugesprochen wurde, drei Jahre lang Lehrmethoden und Inhalte zu entwickeln, die sich mit spielerischen Herangehensweisen in Bereichen wie Kunst, Technik, Design und Medienwissenschaften auseinandersetzten.
Gibt es dazu konkrete Beispiele?
Ein zentraler Aspekt der Lernmethoden und -module sind Intensivworkshops die von allen Partneruniversitäten angeboten werden. Projektbasierende und praktische Arbeit, wie zum Beispiel der an der Kunstuniversität Linz angebotene Workshop "Playful Interface Cultures", der sich mit spielerischen Interventionen im öffentlichen Raum auseinandersetzt.
Aufbauend auf Vorlaufrecherchen und interkulturellen Beispielen, wie "Invisible Playground aus Berlin, oder Projekten der Künstlergruppe Blast Theory aus England, werden diese individuellen Arbeiten bei gemeinsamen Aufenthalten an den Partneruniversitäten realisiert. Durch die unterschiedlichen Projektteams und Lehrformen der jeweiligen Universitäten wird ein hoher Grad an künstlerische Eigenständigkeit und individueller Entwicklungskompetenz erlernt, der sich spezifisch mit spielerischen Ansätzen verbinden lässt.
Und warum ist dies gerade an einer Kunstuni angesiedelt? Wie sieht die Zusammenarbeit mit den anderen beiden Universitäten aus?
Kunstuniversitäten bieten einen freien Zugang zu Schaffensprozessen und schreiben in Bezug auf Lern- und Ausbildungsziele wenig vor. Gerade bei Studienzweigen, die im Bereich Mediendesign und Medienkunst angesiedelt sind, gewinnen spielerische Ansätze an Bedeutung, um neue Formen der Interaktion mit Medientechnologien zu schaffen.
Mit Ludic Interfaces wird ein Fachbereich der Abteilung Interface Cultures angeboten, der sich insbesondere mit spielerischen Formen des künstlerisch-kreativen Entwerfens im Bereich Mensch-Maschinen-Interaktion beschäftigt. Die beiden Partneruniversitäten in Spanien (Polytechnische Uni, Valencia) und England (Salford University, Manchester) bringen Expertise im Bereich Technologie und Medien ein, die sich mit den Zielen der Kunstuniversität Linz sehr gut vereinen lassen. Studierende werden an allen drei Universitäten unterrichtet. Die Schwerpunkte sind in Bezug auf das Thema spielerisches Entwickeln, Forschen und Lernen synchronisiert. Der Abschluss mit einem europäischen Master of Arts soll kreative Universalisten mit einer großen Bandbreite an Fähigkeiten hervorbringen.
Was tun Games allgemein für die akademische Welt und was die akademische Welt für Games?
Die akademische Welt und Spielwelten haben viel gemeinsam – auch wenn es auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich ist. Wie zu beobachten ist, haben Spielsysteme großen Einfluss auf verschiedenste Betätigungsfelder. Ich denke, alle Felder, die sich für neue Ansätze des Lernens, Vermittelns und Aufbereiten von Wissen hin zu einer breiteren Basis interessieren, werden in Zukunft um spielerische Anwendung, wenn auch nur in spezifischen Bereichen, nicht herumkommen.
Wir haben es also weniger mit einem Tauschgeschäft zu tun, als mit einer Wechselseitigkeit, die fruchtbar und qualitativ ist, wenn Spielen weiterhin als zentraler Bestandteil von Kultur- und Gesellschaftsentwicklung bestehen bleibt.
Mehr Infos zum neuen Studiengang unter: