Warum es wichtig ist, unser Versammlungsrecht in Zeiten von Corona online wahrzunehmen, und welche anderen Möglichkeiten es gibt, sich trotz der Ausgangsbeschränkungen aktiv gegen Menschenrechtsverletzungen innerhalb der europäischen Union einzusetzen, haben wir zusammen mit AktivistInnen und PolitikerInnen für euch zusammengefasst.
Bereits vor der Bedrohung durch das Corona-Virus herrschten im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos menschenunwürdige Zustände. Um die 20.000 Menschen sind in ein Lager gezwungen, das für 3.000 Menschen gedacht war. Kurz vor dem Ausbruch der Corona-Krise erschütterten Berichte um Apathie und Suizidversuche von Kindern und gefährliche rechte Attacken auf das Lager und ihre HelferInnen.
Die Gefahr durch das Virus ist für das Lager deswegen besonders groß. »Es gibt auf Lesbos bisher vier bestätigte Corona-Fälle. Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor Corona auch Moria befällt. Aufgrund der räumlichen Verhältnisse und der katastrophalen hygienischen Bedingungen würde Covid-19 dort vermutlich auf Menschen treffen, deren Immunsystem dem Virus nichts entgegensetzen kann. Jetzt bedeutet Nicht-Handeln das Todesurteil für viele, viele Menschen«, so Anja Sportelli von der internationalen Bewegung Seebrücke, die sich für eine menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten einsetzt. Aufgrund der ohnehin bestehenden Überlastung des Lagers sind notwendige Maßnahmen zur Prävention einer Verbreitung des Virus nicht möglich.
Zusätzlich dazu falle ein großer Teil der Unterstützung durch Freiwillige weg, da sie das Lager wegen der Bedrohung verlassen hätten oder nicht mehr einreisen dürften, so Faika El-Nagashi, Nationalratsabgeordnete und Vorstandsmitglied der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. »Es ist ein humanitäres Pulverfass. Selbst internationale Hilfsorganisationen haben Schwierigkeiten, vor Ort zu sein oder gar Hilfsgüter vor Ort zu bringen. Die Versorgungslage ist kritisch«, sagt El-Nagashi. Auch Terese Griesebner, Bundessprecherin der Jungen Linken, stimmt diesen Aussagen zu und ergänzt, dass selbst die Seenotrettung aufgrund von Reisebeschränkungen, fehlenden Ersatzteilen und Quarantäne-Maßnahmen stark eingeschränkt sei.
Eine Intensivierung der Hilfsleistung und eine Räumung der Lager wäre also dringend notwendig – beides stößt im Moment innerhalb der Europäischen Union, aber auch beim großen Koalitionspartner in der österreichischen Regierung, der ÖVP, auf wenig Handlungsbereitschaft. Dabei werden viele Ressourcen schlichtweg nicht genutzt. »In Österreich zahlt die Bundesregierung aktuell für 22 Unterkünfte für Geflüchtete, von denen werden aber nur vier genutzt. Die übrigen stehen leer oder sind Materiallager«, so Griesebner. Dem stimmt auch Faika El-Nagashi zu: »Wir können ihnen Sicherheit, eine Perspektive und Zukunft geben und dabei niemandem etwas wegnehmen. Wir sprechen von jeweils einigen Hundert Menschen, die in EU-Ländern aufgenommen und betreut werden können. Für Österreich wären das zum Beispiel 500 Menschen. Alleine in Oberösterreich stehen mehrere Hundert Plätze in ehemaligen Asylunterkünften frei, die Miete ist bereits auf Jahre bezahlt.«
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