Kleine Umwege im Studium zu nehmen können sich viele Studierende mittlerweile nicht mehr leisten. Dabei bergen gerade diese oft wichtige Meilensteine.
Die Frage, ob sie schon mal vom Begriff »Bummelstudent« gehört hat, muss die 20-jährige Erasmus-Studentin Maria Revert, die aus Madrid in ein Pop-up-Dorm in der Seestadt Aspern gezogen ist, lachend verneinen. Im Spanischen gibt es kein solch negativ aufgeladenes und medial ausgeschlachtetes Äquivalent für diesen Ausdruck. Vermutlich wurde nicht einmal der 82-jährige spanische Pensionist Jose Luis Iborte Baque als solcher bezeichnet, obwohl er 13 verschiedene Studienfächer abgeschlossen hat – darunter Kunstgeschichte, Anglistik, Romanistik, Germanistik, Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaft und Allgemeinmedizin. Geht es um die österreichischen Universitäten, fällt der Begriff genauso häufig wie das Wort »Bologna« in einem Kontext, der mit der Stadt per se eigentlich nichts zu tun hat. Nicht einmal Wanda konnten an diesem semantischen Ungleichgewicht etwas ändern.
Studieren finanzieren
Die 28-jährige Boku-Studentin Donna sieht den Ausdruck in einem etwas positiveren Licht: »Um sich im Studium erstmal zu orientieren und zu schauen, wohin die Reise geht, fehlt vielen einfach der notwendige finanzielle Rahmen. Obwohl es ja an sich nichts Schlechtes wäre, sich dafür ein bisschen mehr Zeit lassen zu können und die Uni als Bildungseinrichtung, statt als pure Ausbildungsstätte zu sehen.« Wer neben dem Studium arbeitet, hat für solche Bildungsreisen in die Welt der verschiedenen Curricula allerdings weder Zeit noch Geld. Die vom Verfassungsgerichtshof beschlossene Abschaffung der Studiengebührenbefreiung der berufstätigen Studierenden, die die Mindeststudienzeit bereits überschritten haben, bringt Bologna, BummelstudentInnen und Studiengebühren momentan wieder in den bildungspolitischen Diskurs zurück. Innerhalb der Universitätenkonferenz, der die Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, vorsteht, wird bereits diskutiert, ob es sich die Universitäten vorstellen könnten, berufstätigen Studierenden bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze die Studiengebühren wieder zurückzuerstatten. An der Akademie wird ein solches Rückzahlungsmodell bereits praktiziert – allerdings für alle Studierenden, die Studiengebühren bezahlen müssen.
Die Debatte um die Studiengebühren brodelt schon seit Jahrzehnten leise vor sich hin, kocht hin und wieder mal über, wie 2009 während der »Uni brennt«-Bewegung, bewegt sich aber eher im moderat aufgeregten Bereich irgendwo zwischen »Dahinwurschteln« und »eh wurscht«.
Moderat werden, laut neuem Regierungsprogramm, auch die Studiengebühren künftig ausfallen. Geht es nach Eva Blimlinger, sollte der staatliche Bildungsbereich allerdings von jeglichen Gebühren befreit sein – »es gibt schließlich kein Lehrgeld, es gibt kein Schulgeld, deshalb soll es auch keine Studien(geld)beiträge geben.« Wenn schon Studiengebühren, dann müssen diese unbedingt mit anderen Maßnahmen verknüpft sein: »Das Stipendienwesen und hier vor allem die Anspruchsberechtigungen sollten grundlegend reformiert werden und sich stärker vom elterlichen Bezugssystem abkoppeln. Zweitens sollte die Familienbeihilfe an die Studierenden ausbezahlt werden, wenn diese nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Drittens müssen die Betreuungsrelationen verbessert werden.« Auch Christa Neuper, Rektorin der Karl-Franzens-Universität Graz, spricht sich gegen einen Ansatz aus, der ein inklusives System verhindert und das Studium zu einem Exklusivangebot für finanzstarke Schichten macht.
Bei Wiedereinführung der Studiengebühren für alle braucht es allerdings auch ein gut durchdachtes und transparentes Stipendiensystem. Donna, die mit 28 Jahren schon aus vielen Teilen des Vergünstigungsnetzes für Studierende herausgefallen ist, stützt sich bei alltäglichen Ausgaben, wie Wohnen, Nahrungsmitteln und öffentlichem Verkehr, auf ihr Selbsterhalterstipendium. Die Höhe ihres Stipendiums beträgt monatlich 801 Euro, dafür sind 30 ECTS im Jahr vorzuweisen. »Hätte ich mir während meiner Berufstätigkeit nicht einen kleinen Polster zusammengespart, wäre vieles an Freizeitspaß nicht drin und Urlaube sowieso nicht«, erklärt sie ihr Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben, das sie ohne genauen Finanzplan zu überblicken versucht. »Ich war glücklicherweise noch nie in der Situation Angst davor zu haben, die nächste Miete nicht bezahlen zu können. Mit dieser psychischen Belastung auch noch erfolgreich zu studieren, ist vermutlich unmöglich.«
Seite 2: Die Wohngelegenheit als Sparmöglichkeit