Nach 35 Jahren feministischen Journalismus ist das Magazin An.Schläge in Existenznot und ruft anlässlich seines 35. Jubiläums zu einer Crowdfunding-Kampagne auf. Insgesamt braucht es den Abschluss von 666 Jahres-Abos, um das Überleben des feministischen und unabhängigen Mediums in naher Zukunft zu sichern. Im Gespräch mit Katharina Payk.
Katharina Payk ist leitende Redakteurin bei An.schläge, lehrt an verschiedenen Universitäten im Bereich Gender Studies und Religion und schreibt unter anderem auch für das Missy Magazin. Mit The Gap hat sie sich über das Herzblut der Gesichter hinter dem Heft, das rauschende Geburtstagsfest im WUK und über die Zukunft des An.Schläge-Magazins unterhalten.
Braucht ihr tatsächlich genau 666 Abos? Ist schließlich eine sehr verdächtige Zahl…
Ja, es waren bei unserer Berechnung tatsächlich 666 neue Abos nötig, um unser Fortbestehen zumindest für eine gewisse Zeit zu sichern. Natürlich spielt man auch gerne mit einer solch teuflisch-genialen Zahl.
Ein Jahres-Abo gibt’s bereits um 38 Euro. Überweist man höhere Beträge, gibt es spezielle Goodies. Bei einem Betrag von 150 Euro wird man beispielsweise von der Anschläge-Illustratorin Lina Walde gemalt. Wie viele solche »Feminist Superheroines« mussten denn bisher gezeichnet werden?
Es gab nur fünf Porträt-Angebote. Die Feminist Superheroine ist eine beliebte Rubrik im Heft. Wahrscheinlich gingen deshalb auch recht schnell alle fünf Porträt-Angebote weg.
Ihr habt in den letzten Wochen zur Unterstützung aufgerufen und auch vermehrt »Testimonials« für die Bewerbung eurer Kampagne gesucht. Wer sind die »bekanntesten« Unterstützer_innen bisher?
Da gibt es einige. Von berühmten Popmusiker_innen und Politikerinnen, über Schriftsteller_innen, bis hin zu Ikonen aus Kunst und Wissenschaft. Es waren keine geringeren als die Band Tocotronic, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Claudia Roth, die allseits bekannte Schriftstellerin Christine Nöstlinger, die große Künstlerin Valie Export und die Pionierin der feministischen Sprachwissenschaft Luise F. Pusch mit dabei, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Gefreut hat uns jedes einzelne Testimonial-Statement – egal wie bekannt die Personen sind – und vor allem auch die viele Unterstützung aus der Gruppe der Leser_innen, die unsere Inhalte liken und teilen und den Unterstützungsaufruf in ihren Kreisen verbreiten.
An.schläge hat im Jahr 1983 seine Arbeit aufgenommen. Was hat sich – im Vergleich zu An.Schläge im Jahr 2018 – am evidentesten am Magazin verändert? Was hat sich (abgesehen von der Digitalisierung) an eurer Arbeitsweise verändert?
Ich denke, dass sich vieles in der Produktion vereinfacht hat durch die Digitalisierung, aber auch dadurch, dass es mittlerweile immerhin Anstellungsverhältnisse, wenn auch zu geringe, gibt. Wir bringen die Magazine, wenn sie von der Druckerei geliefert werden, immer noch eigenhändig zur Post – nicht gerade das Non plus ultra eines Redakteurinnenjobs-, aber immerhin müssen wir sie nicht mehr selbst etikettieren.
Immer wieder gab es natürlich Veränderungen im Design. Meine Kolleginnen erzählten mir von schier endlosen Diskussionen über Schriftarten und Cover-Neugestaltungen. Inhaltlich bildet das Magazin immer aktuelle Debatten ab und geht mit der Zeit: Etwa wurden neue Gender-Schreibweisen aufgenommen, wobei die »alten« durchaus auch noch verwendet werden. Trans*- und Inter*-Rechte in die zu erkämpfende Geschlechtergerechtigkeit mitzudenken, ist für alle im Kollektiv selbstverständlich. Vielleicht gibt es heutzutage mehr solcher Inhalte als früher im Heft, wenn auch da immer noch mehr geht meines Erachtens.
Und was ist gleich geblieben?
Viele Inhalte wiederholen sich, weil sich die Anliegen einfach nicht erledigt haben. Wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen beispielsweise, Ungleichgewicht in der Kindererziehung, das Bedürfnis nach Self-Empowerment in Bereichen wie Sexualität und Arbeit…
Gleichgeblieben ist auch, dass die Arbeit bei An.schläge immer mit einem gewissen Maß an Selbstausbeutung einhergeht. Leider.
Wie viele Personen arbeiten im Schnitt an einer Ausgabe An.schläge? Wie sehr seid ihr auf ehrenamtliche Mitarbeiter_innen angewiesen?
Es sind drei angestellte Redakteurinnen, mit übrigens nur insgesamt eineinviertel Stellen, die die Ausgabe maßgeblich produzieren, aber mitgestalten tut das ganze Kollektiv, bestehend aus derzeit neun ehrenamtlichen Redakteurinnen. Ohne die (ohnehin prekären) Anstellungen wäre es nicht möglich, eine Ausgabe herzustellen. Unentbehrlich ist auch die (leider nur) Zehn-Stunden-Stelle unserer Buchhalterin und Aboverwalterin. Zu einer Produktion hinzu kommen auf Honorarbasis bezahlte Grafiker_innen, Korrekturleserinnen, Webseitenbetreuerinnen usw. Wer nicht mit Herzblut dabei wär, würde die Jobs nicht machen. Keine_r kann davon leben.
Ihr habt kürzlich zu eurer großen Geburtstagsgala im Wiener WUK geladen. War der Abend für euch ein Erfolg? Was waren eure Highlights?
Es war ein berührender und überwältigender Abend mit über 500 Gästen und einem tollen Support auf der Bühne. Die Musikerinnen und Künstlerinnen haben ein super Programm gemacht. Mein Highlight war, dass (fast) das ganze Redaktionskollektiv einmal kurz richtig sichtbar wurde, nämlich als wir auf der Bühne vorgestellt wurden. Einmal den Leser_innen zu zeigen, wer – zumindest momentan – hinter dem Heft steckt, finde ich total wichtig. Deshalb haben wir auch das Jubiläumsheft „Wir feiern uns selbst“ genannt und stellen uns darin vor, (historische) Anekdoten aus dem Redaktionsalltag inklusive. Das derzeitige Kollektiv ist natürlich nur ein Fragment der an.schläge-Geschichte. In 35 Jahren haben viele verschiedene Mitarbeitende ihr Herzblut in die Herstellung dieses außergewöhnlichen Magazins gesteckt.
Was würdet ihr euch für die nächsten 35 Jahre Anschläge wünschen?
Dass feministische Anliegen viel mehr in der (medialen) Öffentlichkeit publiziert und verhandelt werden. Natürlich wollen wir uns nicht überflüssig machen, aber das Ziel feministischen Aktivismus sollte schon sein, dass Geschlechtergerechtigkeit als Querschnitt in allen Bereichen des Lebens thematisiert und angestrebt wird, auch in diversen Medien. Wünschenswert wäre, wenn Mainstream-Medien mehr feministische Inhalte transportieren, mehr noch, als es jetzt immerhin ein wenig Trend geworden ist.
Für An.schläge selbst wünsche ich mir, dass dieses einzigartige Magazin mit seinem kritischen Blick weiter besteht. Einzigartig, weil An.schläge immer mit einem gewissen Misstrauen jegliche Themen in Politik, Gesellschaft und Kultur auf Sexismus und Rassismus etc prüft und dabei gleichzeitig immer auf die selbstermächtigenden Aspekte von queeren und feministischen Debatten hinweist und diese unterstützt.
Was wir uns immer wünschen sind: bessere, d. h. weniger prekäre Arbeitsbedingungen für die Redakteurinnen* und mehr Vielfalt im Redaktionskollektiv. Bisher gab es nur eine Person of Color unter uns – und das ist auch schon lange her. Auch Nicht-Akademikerinnen würden unsere Perspektiven im Heft bereichern und erweitern.
Unterstützen könnt ihr die Kampagne hier. Zur Website des An.schläge-Magazins geht´s hier.