Das Debütalbum von Inner Tongue besticht durch gefühlvollen, experimentellen Pop und eine sanfte, aber bestimmte Soulstimme. Eine außergewöhnliche Vorgeschichte hat es außerdem.
Der Wiener Musiker und Produzent Inner Tongue ist jemand, der sich nicht unbedingt in den Vordergrund drängt. Dabei müsste er sich mit seiner sanften Soulstimme wahrhaftig nicht hinter der Handvoll bis jetzt veröffentlichter Songs verstecken. Aber weder scheint Scheu der Grund dafür zu sein, noch kalkulierte PR. Es ist eher die selbstbewusst gewählte Zurückhaltung eines Künstlers, der auf sein Inneres hört, Inner Tongue eben, und deshalb auch keinen Lärm um seine Person machen muss. So entstand ein bisschen ein Mythos um den Musiker und Produzenten, vor allem nachdem letzten Sommer der äußerst ausgereifte Track »Dig Deeper« erschienen war – und Inner Tongue plötzlich mit James Blake und Sohn verglichen wurde. Wer ihn hörte, wollte mehr und bekommt das jetzt auch.
Inner Tongue zeigt auf »Favours« mit gefühlvollem, experimentellem Pop, wofür er steht. Dem Geheimtippstatus entwächst er dabei auf alle Fälle. Das zweigeteilte »Lamac«, das als Opener und Closer fungiert, klingt wie ein einziges fettes Statement und gehört zum Spannendsten, was das Album zu bieten hat. Eine große Entwicklung seit den Popballaden der Anfangstage – deshalb verwundert es auch ein bisschen, dass diese ebenfalls auf »Favours« Platz finden. Um das alles, die Platte und ihren Zauber ein bisschen besser zu verstehen, sollte man allerdings die unglaubliche Vorgeschichte ihrer Entstehung kennen.
Gegen die Stille ankämpfen
Vor fünf Jahren erlitt der Musiker eine äußerst seltene Stimmstörung. Er verlor die Kontrolle über seine Stimme und musste sich einer schwierigen Operation unterziehen. In der Genesungsphase begann er – vorerst noch rein instrumental und nur für sich selbst – zu komponieren, um gegen die Stille anzukämpfen. Seine Stimme kam nämlich erst nach einiger Zeit zurück. Ein großes Glück für ihn und alle, die jetzt sein Debütalbum zu hören bekommen: Sie funktioniert in den verschiedensten Varianten von sphärisch (»Wallbreaker«) bis hin zu ziemlich cool (»Next Life«) und wirkt trotz ihrer Zartheit immer bestimmt und stark. An die Assoziationen mit großen Sängern – jetzt auch noch mit Rhye – muss sich Inner Tongue wohl gewöhnen.
»Favours« von Inner Tongue erscheint am 25. Mai 2018 bei Mount Silver Records. Am 11. Juni wird das Album im Porgy & Bess in Wien live präsentiert.