Der neue Kurator der Festwochen trennt sich ab diesem Jahr vom Clubformat Hyperreality. Trennungen bedeuten aber nicht immer ein Ende – optimistischere Menschen sprechen vielmehr von einem Neuanfang.
Und genau so ein Neuanfang vollzieht sich aktuell bei Hyperreality. Das erfolgreiche Club- und Festivalformat, das ursprünglich unter dem Dach der Wiener Festwochen veranstaltet wurde, wird künftig unabhängig weiter bestehen. Die handelnden Personen – allen voran Kuratorin Marlene Engel – bleiben zumindest teilweise dieselben. An Motivation mangelt es nicht. Die größte Herausforderung wird künftig wohl die Finanzierung, die nun nicht mehr über die stark subventionierten Festwochen gesichert ist. Um die Hyperreality-Kasse etwas aufzubessern, findet am Freitag in der Grellen Forelle ein »Fun-Raiser« statt: Die Forelle-Menschen stellen den Club, die MitarbeiterInnen und Artists wie Fauna, Jung an Tagen, Farce sowie Battle-Ax ihre Zeit und die BesucherInnen hoffentlich genug Geld zur Verfügung, um Hyperreality auch 2019 zu ermöglichen.
Marlene Engel und Therese Kaiser erzählen im Interview, wie man ein Festival ohne fixes Budget plant, was sich durch die Trennung von den Wiener Festwochen ändert und welche Acts sie sich für 2019 wünschen würden.
Aus Hyperreality by Wiener Festwochen wurde Hyperreality ohne Wiener Festwochen – verändert sich durch die Unabhängigkeit von den Festwochen etwas am Konzept oder an der Umsetzung?
Marlene Engel: Das Konzept ändert sich sowieso jedes Jahr ein wenig. Ein Kernstück des Festivals sind globale Club- und Soundkultur und damit Szenen, die sich schnell weiterentwickeln. Um da als Festival mitzuhalten und am Puls der Zeit zu bleiben, muss man ebenso wandlungsfähig sein und immer wieder neue Formate ausprobieren. 2019 wird das Festival an zwei statt nur an einem Wochenende stattfinden – jeweils am Freitag und am Samstag. Der Fokus wird noch stärker auf den Bereichen Club und Emerging Artists liegen. Ob es eine richtig große Open-Air-Bühne gibt ist noch offen – ich hoffe es sehr. Die Programmideen dafür sind jedenfalls da. Zwischen den Wochenenden ist mit der dann dort vorhandenen Technik ein Workshop- und Vermittlungsprogramm geplant – ebenfalls eine Neuerung.
Viele der Kulturtanker arbeiten in Strukturen, die sich an wirtschaftliche (und damit verkaufsorientierte) Felder wie Marketing oder Presse angliedern. Wir sind als Kunst- und Kulturfestival gemeinnützig und können unsere Struktur nun an den Anforderungen von Programm und Publikum orientieren, statt uns nur nach dem Verkauf zu richten. Im neuen Team sind ausschließlich Menschen, die sich ebenso für die Musik und die Inhalte des Festivals interessieren wie für ihre Teilbereiche. Menschen, die die Kultur verstehen, aus der die Musik, die wir am Festival zeigen, entsprungen ist. Das bereichert das Festival auf allen Ebenen und sorgt dafür, dass vor allem auch die politischen Inhalte gesamt mitgetragen werden.
Die größte Schwierigkeit besteht wahrscheinlich in der Finanzierung. Wie sieht die Situation da aktuell aus, welche Gespräche gibt es vielleicht auch mit der Stadt? Was wäre euer Ziel?
Marlene Engel: Das Referententeam der Kulturstadträtin ist sehr nett und hilfreich, aber über die Beratung und bestehende Fördertöpfe hinaus gibt es keine Hilfestellung. Grundsätzlich versucht die Stadt aktuell, den Bereich der Musikförderung, MA 7, zu erneuern. Das ist längst überfällig. Aber ob hier tatsächlich die Situation der Wiener Musikszene verbessert wird, bleibt fraglich. Ich habe das Gefühl, dass sowohl Potenzial als auch die tatsächliche Größe dieser Szene massiv unterschätzt werden.
Die heimische Förderszene hat da den Anschluss – nicht nur in Wien – ja schon länger verloren. Es ist kaum Geld für nicht-klassische Komposition vorhanden. Von der Initiative Mit der Stadt reden gibt es dazu ein sehr ausführliches Paper, das die Herausforderungen an die hiesige Musikszene und Vorschläge für Verbesserungsmöglichkeiten zusammenfasst. Das gesamte Paper ist nicht online, aber für die Grundforderungen kann man hier unterschreiben.
Therese Kaiser: Marlene und ich arbeiten derzeit an unterschiedlichen Projekten zur Gegenfinanzierung, die sowohl das Bestehen des Festivals sichern können, aber gleichzeitig nicht die gerade erst gewonnene Unabhängigkeit aufgibt.
Marlene Engel: Hier gibt es viele Probleme und viel Nachholbedarf, aber auch Chancen. Auch wenn das kein Festival ist, ich finde Konzepte wie Resonate spannend. Hier werden alle Nutzerinnen zu Teilhaberinnen der Streamingplattform.
Der Termin für das Festival ist ja bereits fixiert, gleichzeitig ergeben sich vermutlich auch viele Unsicherheiten durch die Trennung von den Wiener Festwochen. Wie geht man das in der Planung an? Plant ihr für eine ähnliche Besucherkapazität?
Marlene Engel:
Therese Kaiser: Die meisten Festivals oder Projekte können nicht mit einem fixen Budget angegangen werden. Ich denke, das Wichtigste ist, ein gutes Mittelmaß zu finden – zwischen der Notwendigkeit, Programm zu fixieren, auch wenn noch gar kein Geld da ist, und gleichzeitig immer auch Exit-Strategien zu haben, falls alles schief läuft. Das Festival wird auf jeden Fall stattfinden. Und je nachdem, wie viel Budget wir aufstellen, werden einzelne Teilbereiche des Festivals ermöglicht. So ein Festival bzw. Projekt »modular« zu planen, ist sicherlich in Sachen Budgetsicherheit am besten.
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