2012 findet die größte Ausstellung der Welt zum 13. Mal statt, ab heuer unter der Leitung von Carolyn Christov-Bakargiev. Erste Künstlernamen sind bereits bekannt.
Alle fünf Jahre blüht Kassel auf und wird zur Pilgerstätte für Kunstinteressierte aus aller Welt, die sich über die aktuelle Kunst informieren und sie unmittelbar erleben wollen. Aber die »Documenta« ist wie keine andere Großausstellung: seit fünfzig Jahre greift sie immer wieder in die jeweils aktuelle Kunstdiskussion ein, macht sich die eine oder andere Haltung zu eigen und löst damit manchmal auch Kontroversen aus. Dass die »Documenta« eine so weitreichende Zukunft haben würde, daran hat in den 1950er-Jahren noch keiner gedacht: Heute zählt sie über eine halbe Million Besucher pro Ausstellung.
Born In The 1955
Seit ihrer Gründung durch Arnold Bode im Jahr 1955 macht die »Documenta« die Stadt Kassel zu einem Zentrum der Gegenwartskunst und schrieb die Schau maßgeblich an der Geschichte der Kunst mit. Die erste »Documenta« 1955 wurde nach dem Trauma der damals jüngsten deutschen Geschichte in einem politisch besonderen Kontext ins Leben gerufen. Denn als sich Arnold Bode, zehn Jahre nach dem Ende des NS-Regimes gemeinsam mit Werner Haftmann daran machte, in Kassel eine Bestandsaufnahme der modernen Kunst nach 1905 vorzunehmen, ging es ihm auch darum, den Deutschen einen »demokratischen« Überblick über das Kunstgeschehen in der westlichen Welt zu bieten.
Die künstlerische Leiterin der 13. »Documenta«, Carolyn Christov-Bakargiev, sieht in diesem Kunstereignis mehr als eine Ausstellung. Laut ihr wird der »Documenta 13« kein vorgefasstes kuratorisches Konzept zugrunde liegen, sondern sie soll »wie in einer Choreografie vielfältige Materialien, Methoden und Wissensformen« zusammenführen, die die »heterogenen Ontologien« und »paradoxen Bedingungen des heutigen Lebens« zum Ausdruck bringen.
Die Vorbereitungen für den Sommer 2012 laufen gerade auf Hochtouren: Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler ist bereits eingeladen und bereitet ihre Projekte vor. Als Vorspiel zur Ausstellung der »Documenta 13« und als Teil von ihr wurde bereits eine Reihe öffentlicher Aktivitäten ins Leben gerufen, darunter eine Konferenz in Turin im September 2009, die seit Juni 2010 stattfindenden AND AND AND-Projekte, die Installation »Idee di Pietra« von Giuseppe Penone im Karlsaue-Park, die eine Hommage an die »7000 Eichen« des Künstlers Joseph Beuys ist, und die Vorführung von Pierre Huyghes Film »The Host and the Cloud« im Kasseler Gloria-Kino im Februar 2011.
Außerdem veröffentlichte die »Documenta 13« und der Hatje Cantz Verlag, die Serie der »100 Notizen – 100 Gedanken« mit Beiträgen von Autoren verschiedenster Disziplinen. Die Bandbreite reicht von dem Anthropologen Michael Taussig über die Philosophen Donna Haraway und Christoph Menke, die feministische Kulturtheoretikerin Griselda Pollock sowie die politische Philosophin Susan Buck-Morss bis hin zu der Dichterin Romaine Moreton und dem Wissenschaftler Anton Zeilinger und schließt auch zahlreiche Künstler mit ein. Eine ausführliche Leseliste, die es ermöglicht zu erforschen, wie Denken entsteht und wie es dem Herzen des Wieder-Vorstellens der Welt zugrundeliegt.
Trauma
Konflikt und Trauma, Zerstörung und Verlust sind die Schlüsselbegriffe der 13. »Documenta«. Anders als ihre Vorgänger, will Carolyn Christov-Bakargiev die Stadt stärker in die Ausstellung einbinden. Auf ihren Spaziergängen durch Kassel erkannte sie wie sehr die Stadt im 2. Weltkrieg zerstört wurde und wie tief das Trauma noch in den Bewohner steckt. Das Leitmotiv der kommenden »Documenta« wird also: Zusammenbruch und Wiederaufbau.
Am 9. Juni 2012 öffnet das »Museum der hundert Tage«, wie die »Documenta« auch genannt wird, seine Pforten in Kassel. Und wieder ist davon auszugehen, dass sich eine »Documenta« formen wird, deren erklärter Anspruch es ist, ganz nahe bei den Künstlern zu sein und ab heuer auch zur Stadt selbst.
Documenta 13
9. Juni – 16. September, Kassel, Deutschland