»Conference Of Trees« ist unfassbare Klangkunst, die es vermag, den Hörer in eine psychedelische Trance zu versetzen, klar und liquid zwischen Leben und Tod schwimmend wie kristallklares Bergquellwasser vom Dorffriedhof.
Ambient, Minimal Music, Dub, Techno. Was kommt danach? Das sechste Album von Hendrik Weber aka Pantha du Prince gibt die Richtung vor, was elektronische Musik in den 20er-Jahren des neuen Jahrhunderts zu erreichen vermag. »Conference Of Trees« reichert Webers seit jeher oft einmalige Soundcollagen mit Naturholzklang, Glockenspiel und engelsgleichen Chören an. Was dabei rauskommt, ist nichts weniger als ein wahr gewordener Traum.
Der während des Konsums von »Conference Of Trees« entstehende Hörrausch ist kontemplativ-ätherisch – und ein in seinem Charakter natürlich gezeugtes Folgekind der Vorvorgängerplatte »Elements Of Sound« (2013). Aufgenommen mit dem Bell Laboratory, welches den Pantha-du-Prince-Trademark-Sound »Minimal-Techno-Ambient-Dub« mit spirituellem Glockenklang verwoben hat. Es ist kein Zufall, dass die Glocken auch während der »Conference Of Trees« läuten, schließlich hat Weber nach dem eher stromlinienförmigen, unpersönlichen, clubtauglich gemixten Indie-Electronica-Amalgam »The Triad« (2016) das Bell Laboratory erneut zur Fusion einer gemeinsamen spirituellen Vision eingeladen.
Dem Albumtitel entsprechend sind neben dem Glockenspiel auch zahlreiche, mitunter exotische Holzinstrumente beteiligt: der Sound des Waldes, von Menschenhand in Musikinstrumente verwandelt. Diese Metapher ist wortwörtlich zu nehmen: In den Liner Notes des Albums dankt Weber zahlreichen ambitionierten InstrumentenbauerInnen dafür, »visionary holy instruments« aus heimischen wie fremdländischen Hölzern erschaffen zu haben. So hören wir während der Baumkonferenz eigens hergestellte Vibraphone, Marimbas, Holzdrums, Monochord-Akustikgitarren, Kantele, Cellos – auch ein Wurlitzer-Electronic-Piano ist dabei.
Die pure Transzendenz
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Aufnahmen ist der Einsatz von mehrstimmigen Chören. Sie formen von Anfang bis Ende eine glasklare, spirituelle Illumination, die sich bereits im Opener »Approach In A Breeze« in pure Transzendenz auflöst. Was wir hier hören, ist weder Techno noch experimentelle Musiktheorie, sondern eine Art sakrale Messe. Der Chor – geführt und bestehend aus Yvonne Roth, Pola Lia Schulten, Friedrich Paravicini und Hendrik Weber selbst – berührt und verzaubert.
Es fühlt sich so an, als ob man – ganz ohne Yoga, Isolationstank, Gesundheitstee oder LSD – in tiefe Trance verfällt, in der die astral-heiligen Engelschöre Körper und Seele reinigen. Der aus Wachsen und Vergehen geformte Zyklus der oft zehn Minuten langen Stücke wird ein Fluss, der an die mystischen Nach-Tod-Zustände der Bardo-Wandlungen des tibetanischen Totenbuchs erinnert. In »Lichtung«, der erhabensten und abschließenden Collage dieses Meisterwerks der Wandlungen, kehrt die Menschenseele als Tropfen am Boden des Waldes zurück, aufgezogen von Wurzeln, die älter sind als menschliche Dynastien. Bäume – die stillen Begleiter aller Komödien, Tragödien und Wandlungen, deren Audienz schon zu Zeiten der griechischen Tragödien den Menschen sicher war.
Ohne noch den Text der Albuminnenhülle gelesen zu haben, war dieses Gefühl bereits ganz persönlich spürbar. Ohne ein Wort zu singen oder Narrative mit denkender Sprache zu verkleiden, trägt dieses Meisterwerkalbum den Klang von Liebe und Verlust in sich: Es bilden sich Geschichten im Kopf – über Spiritualität und Tod, über einem ewigen Kreislauf folgende Seelen, als Kollektiv verbunden mit dem Naturgeist dieses Planeten und dem Boden, unter dem diese Seelenmusik entstand: mit Bäumen überzogene Täler und Berge, vom Frühlingstau bis zum ersten Frost. Ein gelebtes Leben im Zeitraffer.
Nach diesen ersten Impressionen liest man dann den Eröffnungssatz auf der Albumhülle: »Die Konferenz der Bäume ist meiner Großmutter Ama gewidmet, die in Liebe starb während diese Aufnahmen entstanden.« Und dann fängt Hendrik Weber an zu danken: unserem Planeten, dem Mutterschiff Erde. Allen Bäumen, Wäldern und heiligen Pflanzen. Jenen von uns, die sich für das Klima einsetzen. Und besonders hervorgehoben: Den »mountain people living holy«, die den Garten Eden bewahren, in dem sie unsere Bäume schützen und pflanzen. Was andernorts als esoterischer Hippie-Shit gelesen werden könnte, klingt hier durch und durch persönlich und authentisch. Die Liste der Danksagungen ist lang und von Liebe, Empathie und Dankbarkeit erfüllt. Diese drei Attribute hört man jeder Note des Albums an.
Elektronische Meditationen
»Confernce Of Trees« hat das Potenzial, ein Klassiker der elektronischen Musik zu werden. Als Referenzpunkte in Sachen Tiefe, Tonalität und Originalität böten sich zuallererst Kraftwerks »Autobahn« (1976), der »Blade Runner«-Soundtrack von Vangelis (1982) und die beiden »Selected Ambient Works«-Alben von Aphex Twin (1992/94) an. Was diese sich in der Musikgeschichte fest verankerten Kultalben mit »Conference Of Trees« von Pantha du Prince verbindet? Es sind persönlich-authentische, stilprägend sich ins kollektive Unterbewusste eingebrannt habende, hypnotisch-ätherische, elektronische Meditationen; das Pfeifen auf Massenappeal; Musik als das Ideal einer ernsthaften sakralen Messe.
Kurz gesagt, ohne Hype, ohne zu übertreiben: »Conference Of Trees« von Pantha du Prince ist ein Meisterwerk. Ich kann mich nicht daran erinnern, als Musikliebhaber und Journalist zuletzt ein Album zwei Tage in Dauerrotation gehört zu haben. Als Doppel-LP am Plattenspieler, wo man periodisch die Seiten von A bis D wechselt. Der Sound fängt einen langsam ein, wie eine psychedelische Droge. Bis man merkt, wie tief er in einen eindringt, ganz ohne schwitzend ekstatischen Dancefloor-Techno, ganz ohne Post-Post-Post-Kunstambiente. Sondern rein und kristallklar wie Bergquellwasser vom Dorffriedhof.
Wer sich beeilt und/oder das Glück hat, noch Karten zu ergattern, kann sich seine Dosis spirituelles Erwachen übrigens auch live abholen: Pantha du Prince bespielt heute, also am 8. März, das Wiener Flex. Es wird spannend, inwieweit sich die organisch auf Silberscheibe oder schwarzem Wachs konservierte bis ins letzte Detail erfüllte Messe in ein Live-Ambiente übertragen lässt. Wird Hendrik Weber vielleicht gar von einem echten Engelschor begleitet?
»Conference Of Trees« von Pantha du Prince ist am 6. März 2020 bei Modern Recordings erschienen. Die nächsten Livetermine lauten: 8. März, Wien, Flex — 9. März, Ljubljana (SI), Cankarjev Dom — 24. und 25. März, Berlin (DE), Volksbühne — 29. März, Frankfurt am Main (DE), Künstlerhaus Mousonturm — 30. März, Hamburg (DE), Uebel & Gefährlich.