Der behördliche Erlass »gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen nach § 15 Epidemiegesetz« zieht in Österreichs Kulturbranche seit Dienstag finanzielle Katastrophen nach sich. Wir haben Kulturschaffende und VeranstalterInnen gefragt, wie sie die Lage einschätzen und was sie nun von der Politik fordern.
Am Dienstag, den 10. März, gab die Bundesregierung bekannt, dass Großveranstaltungen zumindest in den nächsten Wochen abgesagt werden müssen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Dabei sind die Veranstaltungsrestriktionen Teil des Konzepts »Social Distancing«, das in Zeiten der globalen Pandemie zur wichtigsten Strategie geworden ist. Zusammenkünfte von mehr als 100 Personen indoor und 500 Personen outdoor sind seit dem behördlichen Erlass des Sozialministeriums untersagt – besonders für Kulturschaffende, Festivals und VeranstalterInnen eine mitunter existenzbedrohende Maßnahme. Bevor am heutigen Freitag weitere Schritte seitens der Regierung bekannt gegeben worden sind, haben wir Statements aus der Kulturbranche gesammelt.
Thomas Diesenreiter – Kulturplattform Oberösterreich
»Das teilweise Veranstaltungsverbot ist medizinisch notwendig und nachvollziehbar, um die weitere Ausbreitung des Corona Virus zumindest zu verlangsamen. Und dafür gibt es in der Kulturszene auch großes Verständnis, obwohl die Folgen drastisch sind: Bei uns prasseln die Veranstaltungsabsagen nur so herein. Was bedeutet das in der Folge?
Zuerst sind einmal besonders die gemeinnützigen Kulturvereine bedroht. Denn dank der vielen Kürzungen der Vorjahre sind kaum Rücklagen vorhanden, die Finanzlage ohnedies sehr angespannt, viele Vereine haben auch Schulden. Im Gegensatz zur Hochkultur, wo die Eintrittseinnahmen oft nur 10-20% der Kosten abdecken, betragen die Eigeneinnahmen bei unseren gemeinnützigen Kulturveranstaltern im Schnitt 60-80%. Das bedeutet, dass ohne Eintritte und Gastroeinnahmen natürlich die Bilanz tiefrot wird. Die Fixkosten für Raummieten, Strom, Heizung und Personal laufen ja weiter, auch sind viele Veranstaltungen bereits vertraglich fixiert, Flüge wurden schon gebucht, Druckwerke in Auftrag gegeben, etc. Es entstehen also wegen des kurzfristig angesetzten Verbots dennoch Kosten während die Einnahmen ausbleiben. In der Folge fürchten wir eine Konkurs- und Kündigungswelle, wie sie Österreichs Kulturlandschaft noch nicht gesehen hat. Und da entsteht ein Dominoeffekt: Denn bei Vereinen gibt es ja auch die Privathaftung der Vorstandsmitglieder, die zwar hoffentlich angesichts der Umstände nicht schlagend wird, aber dennoch als Damoklesschwert über uns hängt. Und das geht noch weiter: Auch den vielen KünstlerInnen, die in der Mehrheit selbstständig sind, brechen fast die gesamten Einnahmen weg, genauso den VeranstaltungstechnikerInnen, die oft als EPUs am Markt auftreten. Erschwerend kommt hinzu, dass es ja vermutlich nicht bei einem dreiwöchigen Teilverbot bleibt. Es ist angesichts der Entwicklung in anderen Ländern anzunehmen, dass das Verbot nicht nur verlängert, sondern auch weiter verschärft wird.
Zusammengefasst: Das ist die größte Bedrohung für Österreichs Kultursektor, die wir je gesehen haben. Und während es klar ist, dass die öffentliche Hand die Ausfälle bei den eigenen Häusern abfangen wird müssen, ist es bei den nichtkommerziellen und kommerziellen Playern total unklar, wie es weiter geht. Das Pandemiegesetz regelt zwar theoretisch Einnahmenentfälle. Allerdings ist fraglich, ob dies aufgrund des gewählten Paragraphen im Erlass bei dem jetzt geltenden Teilverbot schlagend wird. Unabhängig davon: Der Staat muss jetzt in die Tasche greifen und besonders den gemeinnützigen Sektor unterstützen. Wir reden hier von größeren Millionenbeträgen, die notwendig sind. Ansonsten wird in Österreichs Kulturszene kein Stein auf dem anderen bleiben.«