Die Künstlerin Heidrun Holzfeind präsentiert ihre erste Einzelausstellung, Strictly Private, eine sensible Analyse menschlichen Zusammenlebens. Seit 9. Feber präsentiert sie eine neue Werkgruppe in der Bawag Contemporary.
Auf Foto und Video bannt Holzfeind mit Fingerspitzengefühl Interaktion und Lebensräume heutiger und gestriger Menschen. Besonders ausgeleuchtet wird das Leben in Großwohnbauten, die, damals noch ein kommunal-sozialer feuchter Traum, heute der Schrecken so manchen Wohnungssuchenden sind. Schwerpunkt der Ausstellung ist die, von ihren vier bisherigen, neueste Werkgruppe, welche sich mit dem vergessenen Architekten Ernst Schwadron auseinandersetzt und uns faszinierende Einblicke auf sein Leben und Wohnen bietet. Eine Aufarbeitung der Emmigrierungsgeschichte des jüdischen Schwadrons wird mit Markierungen und Andeutungen seiner früheren Wohnung unterstrichen und wirft so die Frage auf: Was bleibt noch übrig von einer Wohnung wenn der Mensch ausgezogen ist?
In Ihrer neuesten Werkgruppe setzen sie sich mit dem Wiener Architekten Ernst Schwadron auseinander. Warum gerade er?
Heidrun Holzfeind: Die ganze Recherche, beziehungsweise das Ergebnis dazu kam durch die Einladung der Bawag für die Ausstellung. Ich begann mich mit der Geschichte des Hauses zu beschäftigen und bin auf die Familie Schwadron gestoßen, die hier ihre Schauräume und Büros hatte. Ein Sohn der Familie, Ernst Schwadron, war Architekt und wird zur Wiener Moderne gezählt. Da ich mich mit Modernismus auseinandersetze und das also genau mein Thema war, hat es sofort bei mir geläutet.
Als ich darauf herausgefunden habe, dass er 1938 nach New York auswanderte hat es ein zweites Mal geläutet. Ich dachte mir nur: Da ziehe ich nach 15 Jahren New York zurück nach Wien und recherchiere dann jemand der nach New York gezogen ist. Ich war sofort extrem fasziniert und habe angefangen mehr über diesen Mann zu recherchieren. Neben einer Diplomarbeit einer Kunsthistorikerin Winterling und seine designten Möbel auf Ausstellungen des MAKs oder Kunsthalle gibt es nicht viel über ihn. Er ist praktisch vergessen gewesen. Recherche in Bibliotheken und einer Reise nach New York, um dort sein Haus zu finden, das einzige bekannte Bauwerk, dass er außerhalb Wiens architektonisch baute, waren nötig um die Spuren von Ernst Schwadron aufzuspüren.
Ernst Schwadron musste von Wien nach New York flüchten, Sie sind von New York nach Wien zurückgekehrt. Haben sie daraus Parallelen gezogen?
Parallelen würde mir jetzt zu weit gehen aber es hat mich schon interessiert, wie man seinen Hintergrund, in welchen man aufgewachsen ist, in eine neue Kultur, in diesem Fall die amerikanische, transportiert. Es gibt diese für Immigranten auch typische Nostalgie für das Verlorenen. Es bekommt einen ganz eigenen Stellenwert.
Das Zentrum der Ausstellung dieser Werkgruppe bietet der große weiße Teppich im Foyer. Was hat es mit diesem auf sich?
Die damalige Frau von Schwadron, Erna Lederer hat diesen entworfen. Es gibt diesen Artikel über Schwadrons Penthouse Wohnung die fünf Stockwerke über der heutigen Ausstellung liegt. Kennengelernt hatte er sie eigentlich als Kundin, als er ein Haus für Ihren damaligen Ehemann entwarf. Sie ließ sich scheiden und heiratete neu, aber nur für kurze Zeit, wie sich herausstellte. Den Teppich habe ich nur auf Fotos der Wohnung gesehen und er war erstens irrsinnig schön und weiters steht er auch wie ein Symbol dieser Fragen für mich. Der Fragen: Was bleibt jetzt über von dieser Wohnung? Wo sind die ganzen Objekte hingekommen? Was konnte er auf seiner Flucht mitnehmen? Wurde es verkauft, beschlagnahmt, weggeschmissen? Andeutungen von Kaminsimsen und Wandverkleidungen der Ausstellung sollen diese Fragen aufwerfen.
Sie schreiben auf ihrer Webseite sie interessieren sich besonders für einfache Menschen an was für eine Art Mensch denken sie dabei?
Das kommt recht gut in meiner Videoarbeit heraus. Ich arbeite zwar viel mit Architektur, aber eigentlich interessieren mich vielmehr die Menschen, die darin wohnen. Egal ob Schauspielerin, Bibliothekar oder Student. Es geht mir um die Lebensweisen und den Mensch an sich.
In Ihren Arbeiten kommt sehr ihr Interesse an der Interaktion zwischen Menschen und ihrem Umfeld zutage. Man redet immer von der sozialen Isolation in Großbauten. Wie haben sie das empfunden?
Das war immer einer meiner Ausgangspunkte und Fragestellung. Die ursprünglichen utopischen Pläne des Modernismus drehen sich quasi darum, wobei ein Unterschied zwischen den sozialistischen und kommunistischen Bauten herrscht. Meine Frage war immer: Gibt es den Gemeinschaften in diesen Wohnbauten?
Da gibt es eigentlich interessante und unterschiedliche Antworten dafür. Es gibt Leute, die schon sehr lange in diesen Gebäuden wohnen und ihre eigene Gemeinde ausgebildet haben. Man hat doch scheinbar das Bedürfnis seine Nachbarn zu kennen. Da gibt es im Collonel Park, den ich in meiner Videoarbeit dokumentiert habe, einen Mann, der in seiner Wohnung eine Art Videolibrary führt und Nachbarn seine Video ausborgen können. Ein anderer Mann nimmt die Post an für Leute, die unter Tags nicht zu Hause sind . Es gibt diese kleinen Systeme die in diesen Bauten, auch sehr anonym, funktionieren können. Andererseits gibt es dann auch Menschen, die sich vollkommen uninteressiert für ihre Nachbarn zeigen. In Polen habe ich ebenfalls eine Video-Dokumentation dieser eher kommunistischen Wohnblöcke gemacht. Dort hört man einfach sehr viel durch von den Nachbarn, da versteht man einfach dass Bewohner gar nicht wissen wollen wer da über oder neben ihnen wohnt.
Ich wollte nie, wie in einem klassischen Dokumentarfilm, eine These zeigen, für mich sieht man anhand dieser Beispiele, dass diese utopische Idee des Zusammenlebens doch noch funktionieren kann, es aber immer darauf ankommt.
Heidrun Holzfeind – Strictly Private
9. Feber – 1. April 2012, Bawag Contemporary