Die Wiener Gruppe Downers & Milk wagt in der Apokalypse die Flucht nach vorne – mit großartig dunklem und zugleich hoffnungsvollem Kammerpop.
Auf den Rücken legen. Tief durch die Nase einatmen. Langsam bis fünf zählen. Ohne Anstrengung ausatmen. Langsam bis fünf zählen. Wiederholen bis Entspannung einsetzt. Gähnen erwünscht. Oder, wie es Downers & Milk sagen würden: »Breathe in and yawn / Breathe in and yawn.«
Das Folk-Noir-Duo, dessen Name eine Fährte Richtung Einschlafen legt, bietet zumindest an, sich dieser Welt mit entspanntem Habitus zu widersetzen. Was bleibt einem schon groß über, wenn alles dem Untergang geweiht scheint? Wobei, Downers & Milk haben sich doch für anderes entschieden: für die Flucht nach vorne, für die ganz große Geste, für großartig dunklen und gleichzeitig hoffnungsvollen Chamber-Pop, so facettenreich und verspielt, so anziehend und reizvoll, dass keine Referenz gescheut werden muss. Nein, was das live insgesamt sieben Menschen umfassende Projekt auf seinem Debüt – eine EP namens »Zozo« gab’s schon 2018, ein Leyya-Cover erst 2020 – abliefert, macht ganz und gar nicht müde.
Das Ende ist nah!
Gar aufrüttelnd wird von Anfang an (im bockstarken »Islands») vom Weltenende erzählt: mit dem Gewitter der Akustischen, dem verschleppten Klavier, das zum Rundumschlag ausholt, mit Bläsern sowie apokalyptischen Geigen – und dann dieses dunkle Timbre. Da reißt sich die Welt aus Angstrespekt gleich wieder zusammen. Dazu passend: »Fuck your prayers / Fuck your gods / Your ghosts and spiritual thoughts / The whole world is drowning / And faith can’t save you / no whit.«
Vom Glauben abzufallen droht auch, wer erfährt, dass die Stücke über mehrere Jahre zusammengetragen wurden. Das hört man nicht. Zu verbunden die zynischen Texte, zu verwoben die Geschichte eines Aufbruchs: von der Apokalypse über die Belanglosigkeit in ihr, von geborgten Jahren mit heiligen Kriegen in goldenen Feldern bis hin zu versöhnlichen Tönen, die eben das kleine Fünkchen Hoffnung am Ende sehen.
Musikalisch klingt das mal nach den Bad Seeds, mal nach Calexico, mal nach Adam Green, mal nach dem Glimmern einsamer Wüstenstädte – immer aber nach Nordamerika, jener Weltgegend, die einst für diesen Aufbruch stand. Wenn du nur fest daran glaubst und tief genug einatmest, kannst du es noch spüren.
Das Album »Songs of Fear and Flight« von Downers & Milk ist heute, also am 26. Februar 2021, auf dem bandeigenen Label Closing Time erschienen.