Der Next-Gen Shooter in der Zeitschleife hat seine Macken, ist aber zu erfrischend anders, um ihm das krumm zu nehmen.
Digitales Spielen, das war für mich lange immer wieder eine neue Entdeckungsreise. Von Grund weg. Weil immer wieder eine Welt neu entschlüsselt und erschlossen werden musste, mit all ihren Regeln und Geschichten. Dass das mit wachsender Spieleerfahrung abnimmt ist dem Medium nicht anzukreiden. Und auch »Deathloop« bedient sich ganz gehörig aus der allgemein zugänglichen Bausteinkiste. Aber während ich in zu vielen Spielen nur testen muss, wie lang die Ausweichrolle unverwundbar macht oder welche Items es sich zu sammeln lohnt, um mich zuhause zu fühlen, haben die Arkane Studios hier aus bekannten Teilen ein Spiel gebaut, das trotz einschlägigen Vorerfahrungen entschlüsselt werden will.
Erzählerisch geht’s hier um einen grobschlächtigen Herren, der aus einer Zeitschleife voller mehr oder minder vernunftbegabter Gewalttäter:innen auf einer ominösen Insel entkommen möchte. Immer wieder von vorne, mit immer mehr Information und nach und nach auch immer besserer Ausrüstung. Die zentralen Figuren hinter dem Zeitschleifenkult gilt es zu eliminieren. Alle an einem Tag.
Das zu ermöglichen ist die spieldynamische Herausforderung: Vier Areale müssen zu verschiedenen Tageszeiten erkundet werden. Zum einen, um Informationsschnipsel zu kombinieren und Mordgelegenheiten zu entdecken. Und zum anderen, um mithilfe sammelbarer Energie einzelne Waffen und Fähigkeiten von einem Loop in den nächsten zu retten. Der Rest geht nämlich mit jedem Tod flöten.
Im detektivischen Erforschen der ständig wiederkehrenden Vorgänge auf der Insel greifen Spieldynamik und Erzählung wunderbar ineinander; begleitet von provokanten Funksprüchen, die als Kommentare zum ständigen Zurückgeworfen-Werden ein bisschen an »Hades« erinnern. Die Stimme aus dem Funkgerät ist dann üblicherweise Julianna, eine Assassinin, die an unseren leidlichen Bemühungen und Rückschlägen ihre helle Freude zu haben scheint. Und hinter Julianna verbirgt sich der nächste Kniff des Spiels: Sie taucht immer wieder in der Spielwelt auf und macht Jagd auf den grantigen Helden. Und hinter ihrem Tun verbirgt sich – sofern in den Einstellungen so festgelegt –, ein menschliches Hirn. Denn neben dem Storymodus kann »Deathloop« auch aus Juliannas perspektive gespielt werden, um anderen Spielenden in die Suppe zu spucken. Ein bisschen »Dark Souls« steckt also auch in diesem Spiel.
Dieser Hauch menschlicher Gerissenheit tut dem Erlebnis durchaus gut, denn die computergesteuerten Feinde sind wieder einmal erstaunlich berechenbares Schlachtvieh. Und darin besteht – neben einigen technischen Holperern – die größte Schwäche des Spiels: Um ein Level vom generischen Fußvolk zu säubern, braucht es selbst ohne nennenswerte Shooter-Skills oft keine der vielen supernatürlichen Fähigkeiten, derer man im Laufe des Spiels habhaft werden kann. Ob schleichend oder mit glühenden Schlagbolzen, die Opfer scheinen sich ihrer Wiedergeburt – zu Recht – sicher zu sein und dem Tod willig entgegenzulaufen.
Deshalb, und weil sich die Invasion anderer Spielender ausschalten lässt, ist »Deathloop« aber auch ein Shooter für Menschen, denen das Genre sonst wenig gibt; oder solchen, die zwar gern ein bisschen ballern, die aber keine Motivation oder Zeit haben, mit dem hohen Level auf den Servern mitzuhalten.
Um’s auf den Punkt zu bringen: »Deathloop« ist kein fein geschliffenes Meisterwerk, aber ein hervorragendes Spiel, das Aspekte des neugierigen Spielerlebens wieder auf die kommerziell potente Vorderbühne holt, die in den letzten Jahren immer ausschließlicher bei den Indies zu finden waren.
»Deathloop« ist bereits für PC und PS5 erschienen.