David Schiessers aktuelle Ausstellung im Bregenzer Kulturraum DWDS erzählt in surrealen Momenten von Menschen, Fischen und allem, was dazwischen liegt.
»Man kann über Hugo von Montfort sagen, was man will, aber Laute spielen kann er. Gerade lässt er den letzten gezupften Ton ausklingen, als er ein Zwicken im Zeh spürt. Ein Zander nagt an seinem Strumpf. Und dann hebt Hugo seinen Kopf und vor ihm ergießt sich eine Masse an Fischen, als hätten die Kutter der Welt ihre Netze vor ihm entleert.«
Was der Berliner Künstler David Schiesser (geboren 1989) mittels Sprachkunst und großformatiger Aquarelle ersinnt, ist fantastische Illustration und futuristisch interpretierte Mittelalterästhetik gleichermaßen. Im Zusammenspiel von Text und Bild entblättert Schiesser ein Szenario, das die ungleichen Akteure Fisch und Mensch einander näherbringt. Er erzählt vom Landgang der Bregenzer Bodenseefische während der Pandemie. Dass glitschige Zeitgenoss*innen sich langsam ihren Weg über das Kopfsteinpflaster bahnen, bekommen dauerstreamende Lockdown-Bäckerei-Kund*innen in Schiessers Gedankenwelt gar nicht mehr mit. Dieses literarische Bild steht gleichberechtigt neben dem im oben zitierten Text erwähnten Lautenspieler, der sich im grafischen Stil des Künstlers wiederfindet. Der gebürtige Offenbacher verbindet in seinen Zeichnungen Aquarelle und Wandinstallationen, mit denen er die surrealen letzten Monate verarbeitet, eine Brücke zwischen Traumwelt und kühler Realität, zwischen Instinkt und Bewusstsein, Fisch und Fleisch. Wer oder was nimmt hier Land? Werden Fische zu Menschen, ist es umgekehrt – oder trifft gar keins von beiden zu?
Progressiv, niederschwellig
Als Bühne dient dem 32-jährigen Künstler der Bregenzer Kulturraum Die Wiedergeburt des Schaufensters, kurz: DWDS. Das dahinterstehende Kollektiv hat es sich zur Aufgabe gemacht, jungen Künstler*innen »Platz für progressive Konzepte, Werke, Prozesse sowie deren Blickwinkel« zu bieten und ihre Arbeiten so niedrigschwellig wie möglich an die Öffentlichkeit zu bringen, um damit die »Barrieren des konventionellen Kunstkonsums« abzubauen.
David Schiesser schloss 2018 sein Kunststudium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach ab. Seine Arbeiten wurden bereits in verschiedenen Gruppen- und Einzelausstellungen (2020: Sattelkammer, Bern; 2019: Blake & Vargas, Berlin bzw. Salon Kennedy, Frankfurt) gezeigt. »Invasion der Geschuppten« ist noch bis 30. Oktober 2021 im DWDS in Bregenz zu sehen.
Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 189 ist dies: »Finissage« von David Schiesser.