In der Gaming-Hautevolee gehört es zum guten Ton, From Softwares jüngsten Streich zu feiern. Dabei ist das Spiel zwar hervorragend, aber weder perfekt noch für jeden Geschmack.
Es ist nicht ungewöhnlich in der Welt des distinguierten Geschmacks, dass Genüsse als besonders hochwertig betrachtet werden, die sich nicht gleich oder nicht allen erschließen; seien das geschlürfte Austern im feinen Restaurant, Minimal Techno im Club oder die 149 Minuten von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« (Im Musikunterricht haben wir damals darum gebeten, statt diesem Film wieder Musiktheorie lernen zu dürfen). Klar, die schönsten Blüten einer Kunstform finden sich oft nicht in den zugänglichsten Werken. Aber da schwingt schon auch ein Elitismus mit, der es den Eingeweihten ermöglicht, sich von den Laien abzugrenzen.
»Elden Ring« ist das einstiegsfreundlichste From Software Spiel in der »Souls«-Tradition. Und das spricht Bände. Denn das verstörend faszinierende Lands Between, das verspielte Dungeon-Design und die so gefeierten, unbarmherzig aber meisterbar fordernden Bosskämpfe bleiben allen verwehrt, die sich nicht erst einmal durch sperrige Menüs und schwurbelige Item-Beschreibungen kämpfen wollen, um dann vielleicht das versteckte Tutorial zu übersehen.
Wie seine geistigen Vorgänger erklärt »Elden Ring« viel zu wenig und versteckt seine Spielmechaniken vor ungeübten Augen. Das hat seinen Reiz und seine Daseinsberechtigung. Nicht jedes Spiel muss für jede und jeden einladend sein. Aber doof ist dieses Gatekeeping trotzdem. Vor allem wenn es von »Souls«-Veteranen in sozialen Medien zelebriert wird. Das fühlt sich nämlich weniger wie ein »Schau noch einmal genauer hin!« an und mehr wie ein »Was? Du hast das originale Deamon Souls nicht zum Release gespielt?!«.
Wenn sich jetzt die 10/10-Reviews stapeln, dann wirkt das schon ein bisschen entkoppelt vom Rest der Welt der SpielerInnen. »Elden Ring« ist auf seine Weise hervorragend. Aber ein perfektes Spiel ist es mitnichten. Es ist auch nicht perfekt, in dem was es sein will. Das haben Spiele wie »Nioh 2« aufgezeigt, die bei aller Treue zum Vorbild in Teilbereichen – sogar beim Kampfsystem – durchaus Verbesserungspotenziale gefunden haben. So entsteht hier ein bisschen der Eindruck, dass da Menschen »Elden Ring« für perfekt erklären, weil für sie From Software definiert, was ein gutes »Souls«-Like ist. Sie haben’s ja schließlich erfunden. Und da gehören die sperrigen Menüs, die überforderte Kamera, die fehlenden Erklärungen und die mehr als kryptisch erzählte Geschichte eben dazu.
Ich möchte »Elden Ring« allen ans Herz legen, die den hart erarbeiteten Triumph nach Phasen der Überforderung mögen; allen, die beim Entdecken nicht gerne in eine Richtung gestupst werden. Und natürlich allen, die sich auf eine Spurensuche machen wollen, nach Fragmenten von skurrilen Geschichten. Aber wie seine Vorgänger ist »Elden Ring« kein Meisterwerk, dass man entweder verehrt oder nicht verstanden hat. Es ist ein eindrucksvolles Spiel für eine bestimmte Neigungsgruppe. Frustrationsmomente gehören zum Konzept, ergeben sich aber durchaus auch aus Design-Schwächen. Und wer sich mit diesem Spiel das erste Mal ins »Souls«-Universum stürzt, lasst sich am besten dabei helfen.
»Elden Ring« ist bereits für PC und Konsolen erschienen.