Nach zwei Jahren der Corona-Einschränkungen ist das Crossing Europe in Linz heuer auf dem Weg zurück zu einer Art Normalbetrieb. Das neue Leitungsduo setzt dabei auf Konsolidierung und Kontinuität. Am Donnerstag wird das Programm des Filmfestivals präsentiert.
Ihr habt im Oktober gemeinsam die Leitung des Crossing Europe übernommen – von Christine Dollhofer, die nach 18 Jahren beim Festival zum Filmfonds Wien gewechselt ist. Schon zuvor habt ihr das Festival in anderen Positionen mitgeprägt. Darf man von einer gewissen Kontinuität ausgehen?
Sabine Gebetsroither und Katharina Riedler: Ja, das darf man. Für uns beide ist die dezidiert europäische Ausrichtung des Festivals, die Christine Dollhofer über viele Jahre praktiziert hat, quasi die DNA von Crossing Europe. Wir kennen Linz und das Kinopublikum in der Stadt sehr gut, und darum wissen wir um das Standing des Festivals – es ist enorm wichtig, dass Ausrichtung, Größe und »Verpackung« einer Kulturveranstaltung zur Stadt passen. Darum passt das Legere, Niederschwellige von Crossing Europe unserer Meinung nach sehr gut zu Linz. Allein die Vorstellung, dass man hier ein Red-Carpet-Festival aufziehen wollen würde, bringt wohl jede*n zum Schmunzeln … Wir führen viele Dinge weiter, weil sie funktionieren, gerade auch im Bereich der Festivalorganisation. Kleinigkeiten haben wir adaptiert, neu gedacht, auch im Programm. So haben wir heuer etwa erstmals ein europäisches Kurzfilmprogramm.
Welche Ziele habt ihr euch fürs erste Jahr gesteckt?
Man muss gerade nach zwei Jahren Pandemie sehr pragmatisch sein. Die vergangenen beiden Festivalausgaben waren nicht einfach, 2020 musste das Festival abgesagt werden – und es wurde dann in mehreren Teilen über das restliche Jahr »nachgeholt«. Und 2021 mussten wir verschieben und eine »Corona-Ausgabe« stemmen. Darum ist es uns wichtig, dass wir uns dieses Jahr konsolidieren – und das auf allen Ebenen. Der große Umbruch, der wird dieses Jahr nicht kommen. Und vieles wollen wir auch gezielt weiterführen, aber Ideen für Neues gibt es schon – dann für 2023.
Wo seht ihr Crossing Europe auf der österreichischen bzw. europäischen Festivallandkarte? Anders gefragt: Wie würdet ihr die Positionierung des Festivals bzw. die Abgrenzung zu anderen Festivals beschreiben?
Interessanterweise gibt es in Europa nur eine Handvoll Filmfestivals die eine »rein« europäische Programmausrichtung pflegen. Crossing Europe ist eines davon – und wir sind mit sechs anderen Filmfestivals mit europäischer Ausrichtung in einem internationalen Festivalnetzwerk zusammengeschlossen: MIOB – Moving Images Open Borders. Innerhalb von Österreich schließen wir quasi die Lücke zwischen Diagonale mit ihrem Fokus auf österreichisches Filmschaffen und der Viennale, die ja mehr oder weniger »alles« – die ganze Welt – abdecken soll. Zudem liegt unser Schwerpunkt auf der Präsentation einer Generation von jungen Filmemacher*innen aus Europa – besonders in den zwei Wettbewerbssektionen »Competition Fiction« und »Yaaas! Competition« – und wir forcieren auch unsere Yaaas!-Jugendschiene, die sich gezielt an 15- bis 20-Jährige richtet.
Nach einer langen Phase des Friedens herrscht seit einigen Wochen wieder Krieg in Europa. Wie wirkt sich diese Entwicklung auf das Festival aus?
Dadurch, dass Film ein Medium ist, das nicht wahnsinnig schnell reagieren kann, ist es natürlich nicht so, dass es Filme gibt, die etwa schon auf die Ukraine-Situation Bezug nehmen. Aber auch Filme, die nicht direkt auf das aktuelle Geschehen Bezug nehmen, können ja einen Anstoß zum Nachdenken geben. Und so sehen wir es auch ganz stark im diesjährigen Festivalprogramm. Gewisse Dinge, die zu einem Konflikt wie dem in der Ukraine führen – sei es ein totalitäres Regime, ethnische Konflikte, problematische politische Settings aus dem 20. Jahrhundert –, die sind ja in ganz Europa zu finden.
Auch wenn ein Film des Festivalprogramms jetzt nicht in der Ukraine spielt, sondern in einem anderen Land, wo es auf politischer Ebene ähnliche Mechanismen gibt, kann er auch zu einem Erkenntnisgewinn führen. Was wir etwa mit einem unserer Eröffnungsfilme, »Journey to the Sun«, zeigen wollen: diese massiven Auswirkungen eines Krieges auf die Zivilbevölkerung. Kinder, die von der Caritas aus dem Nachkriegs-Wien nach Portugal verschickt wurden, um sich zu erholen. Die Protagonist*innen, die noch leben, erzählen, wie es war, als Fünfjährige nach Portugal zu kommen, niemanden zu kennen, die Sprache nicht zu können … Es ist uns wichtig, dass wir dem Publikum ermöglichen, das »bigger picture« zu sehen.
Auf welche inhaltlichen Schwerpunkte und Highlights darf sich das Publikum in Linz besonders freuen?
Abseits des Filmprogramms werden wir heuer auch die musikalische Nightline wiederbeleben – wenn auch pandemiebedingt noch in abgespeckter Form. Zum Filmprogramm: Diversität im Programm ist uns wichtig, und dass es im Rahmen des Festivals unterschiedlichste Dinge zu entdecken gibt, durchaus auch für unterschiedliche Geschmäcker. Zudem ist es uns auch ein Anliegen, zu zeigen: Europa ist vielfältig und vielsprachig. Da sehen wir uns auch in der Tradition von Christine Dollhofer. Und es geht uns neben Inhalten und Themensetzungen im Besonderen um Filmkunst. Was kann Film bzw. was kann Film leisten, als »siebte Kunst«, in Zeiten, wie wir sie derzeit erleben? Und als nächsten Schritt möchten wir versuchen, das Kino auch wieder als sozialen Raum ins Bewusstsein zurückzubringen.
Das Crossing Europe Filmfestival findet von 27. April bis 2. Mai in Linz statt. Das Filmprogramm ist ab 14. April online, am selben Tag beginnt auch der Ticketvorverkauf.