Alle Jahre wieder blickt unsere Redaktion auf die popkulturellen Highlights der letzten zwölf Monate zurück. Mit streng subjektivem Blick. Was Kami Kleedorfer aus 2022 besonders in Erinnerung bleiben wird, könnt ihr hier nachlesen.
Ich habe das Gefühl, dass sich die großen, internationalen Musikfirmen immer mehr und auch ganz bewusst in die Abhängigkeit von digitalen Plattformen begeben. Sie nehmen dabei die Beschneidung der künstlerischen Freiheit und Kreativität in Kauf, nur um den (zeitlichen) Vorgaben zu entsprechen. Bin nicht sicher, ob das gut geht … Erfreulich finde ich hingegen, die Entwicklung der österreichischen Szene; der Schwung der vergangenen Jahre wird durch harte Arbeit fortgesetzt – gut so!
Auf persönlicher Ebene habe ich ein paar echte Highlights zu vermerken, unter anderem meinen Guest-Mix für das Label Shango Records, das mit seinen Organic-House-Releases einen wirklich tollen Job macht.
Top 10 Singles / EPs 2022
Coss – »WannaCry« (Metanoia)
Ob Label-Chef Coss 2017 vom WannaCry-Computervirus betroffen war, ist leider nicht überliefert. Die gleichnamige EP zeigt jedenfalls, dass auch elektronische Musik mit Ecken und Kanten eine Fan-Base hat und das Publikum im wahrsten Sinn des Wortes bewegen kann.
Kariyan – »Im Traum wird geschlafen« (Amselcom)
Mit kleinen, verführerischen Melodien und einer ausbalancierten Instrumentierung zwischen Elektronik und Akustik macht Kariyan in Wien und weit darüber hinaus auf sich aufmerksam. Das zeigen unter anderem seine Releases beim Label Amselcom, wo seine Musik bestens aufgehoben ist.
J Patterson & Constantijn Lange – »Nightshades EP« (Heimlich Musik)
Trompete und Keyboards, J Patterson und Constantijn Lange ergeben ein perfektes Duo, das die Vibes von akustischen und elektronischen Elementen mühelos verbindet. Ein für Heimlich Musik eher untypischer Track, der durch die beiden Remixes gut in das Repertoire eingebettet wird.
Sydney Seymour – »Cuentos de hadas« (Trndmsk)
Dies ist ein Parade-Track, wenn es darum geht, Slow House zu erklären: Downtempo mit fetten Bässen und repetitiven Elementen, wodurch die Stimmung langsam, aber eindringlich aufgebaut wird. Ideal zum relaxten Reinkippen.
T.U.R.F. – »Keep Moving« (Exploited Records)
Disco is not dead! Die Vibes haben sich seit den 70ern des vorigen Jahrhunderts deutlich verändert, sind härter und bunter geworden, aber das grundsätzliche Fun-Feeling ist noch immer vorhanden.
Jennifer Vanilla – »Body Music« (Sinderlyn)
Manchmal haben die simplen Arrangements einfach die Nase vorn. Wenn alles schön zusammenpasst, kann auch wenig vollkommen ausreichen, um einem Song Power zu verleihen. Genau das ist hier der Fall. Nice!
Apnoea – »I Can’t Take My Eyes off You« (Stripped Down Records)
Apnoeas zweiter Release beim österreichischen Label Stripped Down sorgt für ein erfreuliches Wiederhören. Die Vocoder-Vocals und das leicht verpeilt klingende Beat-Gerüst geben dem Track einen unwiderstehlichen Drive.
Raidho feat. T. Etno – »Jaguar Dance« (Sol Selectas)
Basierend auf dem Techno-Klassiker »Knights of the Jaguar« produzierte der polnische Musiker Raidho eine akustiklastige, runtergepitchte Interpretation des Songs. Die Anleihen beim Original und das Arrangement gehen ein meditatives Bündnis ein.
David Dorad – »Murmel EP« (Kiosk ID)
Bald nach der Wende verschlug es David Dorad vom ostdeutschen Halle nach Berlin. Offensichtlich, um Techno und House in der Stadt groß zu machen. Mit diesem Anspruch spielt und produziert Dorad bis heute Musik und wagt sich dabei an und über die Genregrenzen. Ein Release mit Biss und Witz.
Richard Dorfmeister, Stefan Obermaier, Madrid de los Austrias – »Canita Brava« (G-Stone Recordings)
»Canita Brava« ist eine sehr interessante Produktion: Dorfmeister, die beiden Jungs von Madrid de los Austrias und Stefan Obermaier, quasi als Vertreter der Next Generation, gehen gemeinsam ins Studio und bringen vier leichtfüßige, geschmeidige Tracks auf einer EP heraus. Nice. Weitere Songs sind zu erwarten.
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