Seit über 20 Jahren begeistert das Colours of Ostrava Musikliebhaber*innen aus ganz Europa. Wir waren vor Ort und wissen jetzt, warum es als eines der Highlights der Festivalsaison gilt.
Da ist es also, das Gelände des Colours of Ostrava, das mich schon bei der Recherche vorab geflasht hat. Allein die Einbettung in die ehemaligen Gründe der Witkowitzer Eisenwerke macht das Festival zu etwas Besonderem. Es passt gut zum riesigen Areal, dass das Colours überbordend im Angebot und auffallend breit in der Mischung angelegt ist.
Anfänglich noch im Stadtzentrum angesiedelt, hat sich das Festival seit 2002 zum kulturellen Fixpunkt entwickelt – mit bis zu 50.000 Besucher*innen. Das braucht halt auch a Wengerl mehr Platz. Die im Privatbesitz befindlichen Eisenwerke boten sich als ideale Lösung an. Nur 20 Minuten vom Zentrum mit den Öffis oder sieben Minuten mit einem dieser neumodischen Fahrtdienste (Obacht, die alten Taxis kassieren ordentlich ab!) machen das Erreichen und potenzielle Around-the-clock-Versinken leicht.
Freundliche Preise
Was das Auge abseits des Industrieflairs gleich mal erkennt, ist die gesellschaftliche Breite, die sich am Gelände rege tummelt: vom Kleinkind bis zur Oma, Freaky-Vibez-Festival-Kids neben Bankbeamten, vom Hippie bis zum Physiker, Kinderwagen neben Rollstuhl. Ein eher ungewohntes Bild, das sich auch wohltuend im smoothen, friedlichen Feel abbildet. Gefördert wird das zudem per sozialer Staffelung der Preise – bis hin zu freiem Eintritt; wobei die preisliche Gestaltung mit 140 Euro für vier Tage generell schon recht freundlich angelegt ist.
Das Krügerl und das legendäre Kofola-Cola pendeln sich bei drei Euro ein. Mannigfaltiges Essen – vom klassischen Langos über die ganz superen Bramboráky-Puffer bis hin zu vollwertiger Küche – bleibt ebenso freundlich im Rahmen. Ach ja, das Colours ist mittlerweile ein bargeldloses Festival. Der Feldversuch, es vielleicht doch mit money in the pocket zu probieren, erwies sich als sinnlos. Dafür geht mit Karte oder Zahlung per Smartphone alles rasch und unkompliziert. Beständige Versuche, Kids mit Euros für eine Bierlieferung zu bestechen, kamen nur partiell gut an.
Sattes Programm
Mit über 150 Acts auf über 20 Bühnen ist das Colours of Ostrava satt aufgestellt. Die Programmierung ist klug quer durch die Genres angelegt. Es ist praktisch alles vertreten: von Klassik über die dort nicht so negativ konnotierte Volksmusik, World, Reggae, EBM und Techno bis hin zu allen Farben der gegenwärtigen Popularmusik. Zugpferde wie One Republic (Hysterie!), Macklemore (ein bisserl gar saubere Disney-Show ohne Tiefe, aber auf Level), Interpol (cool und grandios, wie es sein muss), Niall Horan (One Direction, durchaus ehrlich bemüht am Weg), Sleaford Mods (rotzig vom Feinsten, es funkt sogar im großen Rahmen) bis zur beseelten Brazil-Legende Gilberto Gil (erstaunlich stark, nahe an besten Jamiroquai-Tagen) und Wunderwuzzi Jacob Collier (wunderbar überbordend) geben schon was her.
Ein paar Minuten entfernt diskutiert man über europäische Belange, es gibt Workshops, Theater wird gespielt, Filme werden gezeigt, während andere bei Kunstausstellungen gustieren oder große Puppen in der Kinderzone die Gen Alpha begeistern. Da braucht es mitunter harte Entscheidungen, was den Vorzug erhält.
All das ist stetig umgeben von den Kolossen des Hüttenwerks, die lange Gänge bilden und schon mal zum Verlaufen verleiten. Dann landet man eben bei einem Dance-Event – und ab geht die wilde Fahrt. Oder es tut sich plötzlich um die Ecke mitten im Getürm ein Sandstrand auf und man versinkt beim Relaxen in den nicht sparsamen Eindrücken. Vorzugsweise mit einem Bier in der Hand, zumindest. Und mit einem breiten Lächeln, das gar nicht mehr Pause macht.
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