Zinn machen auf »Chthuluzän«, ihrem zweiten Album, mit so ziemlich allem Schluss. Mit dem Patriarchat, mit dem Anthropozän und mit der Popmusik.
Irgendwann musst du mit dem Aufhören anfangen, im besten Falle noch, bevor es zu spät ist – selbst wenn sich schon immer darüber streiten ließ, wann das denn sei. Auch Zinn, die immer schon Ohren und Saitenschläge am Puls der Zeit hatten, nehmen Reißaus, ziehen zwar nicht der Musik den Stecker, nicht sich selbst, aber dennoch ist ihr zweites Werk »Chthuluzän« ein Album voller Abschiede. Aus der heimischen Musikszene zum Beispiel, die Zinn mit ihrem selbstbetitelten Debüt 2020/21 im Sturm erobert haben – als neues heißes Ding, wenn man das so sagen kann. Sie sind jetzt bei Staatsakt und somit wie Bipolar Feminin oder Resi Reiner den Weg zu einem deutschen Label gegangen. Da könnte man auch einmal nachfragen. Detektiv*innen, ihr seid dran!
Zinn machen außerdem – und das ist in toxischen Beziehungsverhältnissen immer ein guter, mutiger und richtiger Schritt – Schluss mit dem Patriarchat. Nicht umsonst heißt der vermeintliche »Hit« auch »Stirb Patriarchat stirb!«. Aber sie machen auch gleich mit dem ganzen Anthropozän Schluss, dem Zeitalter der Menschheit. Die hatte ihre Chance. Ausgang bekannt: Kapitalismus, Ausbeutung, Opfermythen und der ganze Dreck.
Bitte Donna Haraway lesen
Zinn heißen die Hörenden stattdessen schon im nächsten Zeitalter willkommen, dem titelgebenden Chthuluzän, das vom Mit-Werden und Sich-Verwandt-Machen mit allen Lebewesen geprägt ist. Bitte Donna Haraway lesen, sonst suchmaschinen – darüber könnten wir monatelang reden. Selbiges über die Musik zu tun, ist ebenso 10/10-komplex, wenngleich die Instrumentierung bei Zinn wie bei kaum einer anderen kontemporären österreichischen Gruppe als Katalysator des Inhalts dient. Text-Bild-Scheren sind für andere da. Die Lyriken sind Dramen des Moments, Pamphlete im positiven Sinne mit negativen Bestandsaufnahmen, die entsprechende Klangwelten fast schon erzwingen. So hören wir auf den zehn Stücken experimentellen, doomigen Düsterfolk mit überraschend dominanten dunkelwelligen, feedbackigen Synths, die sehr engmaschig dem meist ernsten Begehren nur wenig Entlastung bieten. Und so verabschieden sich Zinn mit »Chthuluzän« vor allem auch von der Popmusik. Und das ist nur konsequent.
Das Album »Chthuluzän« von Zinn ist heute, also am 9. Februar 2024, bei Staatsakt erschienen. Am 28. März ist die Band im Flucc in Wien live zu sehen.