Als zentrale Institution der Stadt Wien für zeitgenössische Kunst soll das Programm der Kunsthalle Wien unter der neuen künstlerischen Leiterin Michelle Cotton die diversen Communitys der Stadt widerspiegeln. Diese Woche eröffnen die ersten Ausstellungen.
Den Anfang macht die erste Einzelausstellung zum Werk von Aleksandra Domanović in Österreich. Auf über 1.000 Quadratmetern werden im ersten Stock der Kunsthalle Arbeiten aus den Bereichen Skulptur, Video, Druck, Fotografie und digitale Medien gezeigt. Die Ausstellung vereint teils neu beauftragte Arbeiten aus den letzten 18 Jahren, die geprägt sind von der Informationskultur und den Massenmedien der Post-Internet-Ära.
Einige ihrer Werke befassen sich speziell mit dem Westbalkan. Eine neue Version des Videoessays »Turbo Sculpture« (2009/2024) aktualisiert etwa Domanovićs Online-Forschung zu einem regionalen Phänomen des 21. Jahrhunderts: global bekannte Prominente in Monumenten zu verewigen.
Fragen von Geschlecht und Identität
Weitere Arbeiten greifen direkt auf Wissenschafts- und Technologiegeschichte bzw. das Filmgenre Science-Fiction zurück, um Fragen von Geschlecht und Identität zu thematisieren. Eine groß angelegte Installation aus dem Jahr 2014 mit dem Titel »Things to Come« befasst sich mit der Darstellung von Frauen in populärer Science-Fiction.
An anderer Stelle werden figurative Motive wie ein Porträt von Präsident Josip Broz Tito oder eine von dem Wissenschaftler Rajko Tomović entworfene Roboterhand neu interpretiert. In daraus resultierenden Skulpturen und Drucken werden futuristische, post-gender, post-humane Körper imaginiert.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien – sie wird am 4. September in Anwesenheit von Aleksandra Domanović eröffnet – ist die bislang größte Präsentation der Werke der 1981 in Novi Sad geborene Künstlerin, die an der Universität für angewandte Kunst in Wien Grafikdesign studierte.
Zeitgleich wird auch ein 62 Meter langes Wandbild von Nora Turato vorgestellt, das ein Jahr lang zu sehen sein wird. Es handelt sich dabei um eine Auftragsarbeit, die im öffentlich zugänglichen Bereich am Museumsquartier-Gebäude präsentiert wird und für Passant*innen sichtbar ist, während sie den äußeren Bogen des Museumsquartiers durchqueren.
Machtstrukturen der Sprache
Nora Turato (geboren 1991 in Zagreb) nutzt in ihren Arbeiten Sprache als Ausgangsmaterial und thematisiert spielerisch die Machtstrukturen ihrer gesprochenen und geschriebenen Form. Dabei greift sie auf eine Vielzahl textlicher und typografischer Quellen zurück, wobei sie Wörter und Phrasen aus Werbung, Massenmedien, SMS- und E-Mail-Konversationen zitiert und diese auf Emaillepaneele oder direkt auf Wände malt. Dieselben Fragmente werden auch in Büchern oder Skripten für Videos und Performances zu längeren textbasierten Werken collagiert.
Das neue Werk wird die gesamte Länge des Kunsthalle-Gebäudes im Museumsquartier nutzen, um einen Schrei darzustellen. Das von der verwendeten Schriftart bis hin zur kontrollierten Ausführung akribisch angefertigte Wandgemälde steht in direktem Kontrast zu seinem Text, der eine der ursprünglichsten und ungehemmtesten Ausdrucksformen nachahmt. Anders als der »Urschrei« bezieht sich »Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!« nicht auf ein einzelnes, persönliches Trauma, sondern auf den »unaufhörlichen Nachrichtenzyklus und den Zustand der Welt, mit dem wir alle konfrontiert sind und in dem dieser Schrei die einzige vernünftige Form nicht nur des Loslassens, sondern auch des Ausdrucks ist«.
Aleksandra Domanović
5. September 2024 bis 26. Jänner 2025
Kunsthalle Wien Museumsquartier
Nora Turato – Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!
5. September 2024 bis 14. September 2025
Kunsthalle Wien Museumsquartier Vitrine