Der Vorstadtcasanova – Rainhard Fendrich wird 70

Ende Februar feiert Rainhard Fendrich seinen 70. Geburtstag. Bei The Gap möchten wir dieses Jubiläum entsprechend würdigen und haben Kultur- und Medienschaffende gebeten, zu Rainhard Fendrich Stellung zu beziehen.

© RJF Musik / Marcel Brell

Als Person und Künstler bietet der Jubilar viel Diskussionsstoff. Ob als prägende Figur der heimischen Musikszene, Moderator von »Herzblatt«, Schauspieler oder öffentliche Persönlichkeit – seit den 1980er-Jahren ist Rainhard Fendrich konstant präsent und bewegt sich dabei oft an der spannenden Schnittstelle zwischen nationalem Heldentum, Vereinnahmung und Polarisierung. Deshalb haben wir eine Reihe von Kultur- und Medienschaffenden aus der erweiterten The-Gap-Community gebeten, einen kurzen, prägnanten Text zu formulieren, der sich kritisch bis wertschätzend mit dem Jubilar auseinandersetzt.

Aktuelle Musik von Rainhard Fendrich gibt es übrigens auch: Das Album »Wimpernschlag« ist am 31. Jänner 2025 bei RJF Musik erschienen. Ab April geht’s auf ausgedehnte Tour.


Der Nino aus Wien

Musiker

Der Nino aus Wien (Bild: Florian Rainer)

Lieber Rainhard F.,

wir sind einander noch nie begegnet, und doch läufst du mir schon mein ganzes Leben lang über’n Weg. Erst letztens hat meine Mutter zu mir gesagt: »Weißt du eigentlich, dass du als Kleinkind durchgehend das Album ›Voller Mond‹ mit uns gehört hast? Das lief in Dauerschleife, und du hast immer bei ›Der Wind‹ mitgesummt.« Musikalische Früherziehung nennt man das vielleicht – und mit deinem schönsten Album zu beginnen, ist wohl ein guter erster Schritt in deine Welt. »Mit 15 ist die Zeit, wo’s alle ehrlich manen«, das stand mir damals alles noch bevor, ich war gerade zwei geworden.

In meiner Umgebung gibt es ein paar Leute, die behaupten, du hast nur zwei, drei gute Songs, und der Rest ist inhaltsarme Kommerzmusik. A Bledsinn … Wenn diese Leute dich zufällig im Radio hören, kommen sie dann doch nicht drum rum, deinen Kommerzsong auswendig mitzusingen. Da kann man machen, was man will. Ich habe auch erst später herausgefunden, wie hintergründig vieles ist, wie poetisch, mit deinem ganz eigenen Blick auf das Leben und die Welt. Neben »Malibu« und »Tränen trocknen schnell«, die Wiener Welthits sind, beeindrucken mich immer wieder diese Songs von dir, die fast zu gut versteckt auf Alben schlummern. Die erst geweckt werden müssen. »Der Drachen« auf »Blond«; oder das Fußballlied auf »Brüder«; oder »A jeder is zum hab’n«. Leiwande Scheiben. Ich würde gerne »Zwischen eins und vier« covern, aber trau mich kaum. Auch wenn ich Wien schon bei Nacht gesehen hab. Dafür haben wir in der Schule immer »Razzia« gesungen. Gustav ans an Gustav zwa. Und »Strada del Sole« ist seit Jahren ein Fixpunkt bei meinen Soundchecks. Mein Lieblingslied bleibt aber seit etwa 35 Jahren »Der Wind«. Treibt mich an und passt in meine Welt. Wenn das kein Beweis ist.

Vielleicht lebst du auch in deiner Welt, und du nimmst offenbar viel wahr um dich herum and beyond. Stay focused! Ich wünsche dir, lieber R. Fendrich, alles Gute zum 70. Geburtstag. Das neue Album werde ich durchhören.

Respect, Nino (aus Wien)

PS: Ich habe in der Zeit gelesen, dass du in Favoriten wohnst. Wer weiß, vielleicht sind wir fast Nachbarn.

Der Nino aus Wien alias Nino Mandl ist einer der umtriebigsten Musikschaffenden des Landes. Zuletzt erschienen: »Endlich Wienerlieder« (2024).


Rahel

Musikerin

Rahel (Bild: Daria Savytska)

»Hallo Rahel, magst du einen Text zu Rainhard Fendrich schreiben?« – »Nein«, denke ich, denn meine Sozialisierung hatte mehr mit Trommelkreisen als mit der österreichischen Leitkultur zu tun. Doch dann will ich es wissen: Wer ist diese rätselhafte Feen-drich-Gestalt? So, gleich singt mir der Rainhard ins Ohr: »Vor mir is jede kniat, i hab’s bei ana jeden bracht, hab no aus alle Hofratstöchterl Schlampen g’macht.«

Mir wird klar, warum die zeitgenössischen Feen-driche und Falcos immer noch so viel Aufmerksamkeit genießen. Viele aktuelle Männerstars sind Teil einer langen österreichischen Macho-Macho-Tradition. Der Danzer sang: »I hob scho haufnweis de Hasn übas Glanda bogn. Da kenn i nix, und überhaupt, de woins jo so. Zerscht tuan sa se no ziern und mochn an auf zimperlich und nachher schreibns mein Namen do aufs Damenklo.« Ein bisserl früher dichtete der Kreisler ein lustiges Femizidlied: »Lola mit den Engelsminen legt’ ich auf die D-Zugschienen. Lilli, Lene und Marianne starben in der Badewanne.« Und auch der Falco hatte seine »künstlerische« Mordfantasie.

Die breitentaugliche wienerische Männermusik kokettiert seit jeher mit dem Strizzi, der halt nicht anders kann: Der Strizzi liebt den Rausch und die Macht und benutzt die Frau entweder als Zeitvertreib oder als Vergewaltigungsobjekt. »Strizzi«, so nannte man in Wien Zuhälter (»strýc« aus dem Tschechischen: Onkel), und bis heute gilt das Wort als Bezeichnung für kleine Buben. Spreche ich hier am Ende also nur von (Fendrichs) Jugendsünden?! Macho Machos sterben jedenfalls ned aus.

Rahel macht Musik, die zwar nach Austropop, aber definitiv nicht nach Fendrich klingt. 2024 veröffentlichte sie ihr Debütalbum »Miniano«.


Stefan Niederwieser

Musikjournalist

Stefan Niederwieser (Bild: Joseph Schimmer)

1989 weht ein »Wind of Change« durch Europa. Sogar durch Österreich. Die 80er-Jahre hatten es in sich: AKH-Skandal, Weinskandal, illegale Waffenlieferungen, Versicherungsbetrug inklusive Sechsfachmord und die Waldheim-Affäre. Kurt Waldheim wurde 1986 trotz seiner möglichen Beteiligung an Kriegsverbrechen der Wehrmacht zum Präsidenten von Österreich gewählt. Das Land steht etwas braun und in der Welt reichlich isoliert da.

In dieser Atmosphäre schreibt Rainhard Fendrich in seinem Haus im fernen Florida »I Am from Austria«. Zweimal blitzt im Text Kritik an diesem Österreich auf, dann aber wird man von einem Sturzbach der Gefühle mitgenommen, dessen man sich nicht erwehren kann. Der Song wird politisch vereinnahmt.

Und Fendrich muss immer wieder klarmachen, dass er für Toleranz und Menschlichkeit einsteht. In seinem Song ist Österreich nicht einfach nur eine Fahne, eine Hymne oder ein Punschkrapferl. Österreich ist auch eine Katastrophe. Aber die Sehnsucht bleibt unüberwindbar. In genau dieser Ambivalenz gibt es kaum eine bessere klandestine Bundeshymne.

Stefan Niederwieser war von 2011 bis 2016 Chefredakteur von The Gap. Er gestaltet den Podcast »100 Songs – Geschichte wird gemacht« für Ö1, Co-Host ist Robert Stadlober.


Barbara Kaufmann

Filmemacherin

Barbara Kaufmann (Bild: Ivo Kaufmann)

Mein Jahr mit Andrea

Depression ist Leben im Zwischenzustand. Man ist wach, kann aber nicht aufstehen. Man ist müde, schläft jedoch nicht. 2003 war so ein Jahr in meinem Leben. »Depressive Episode« klingt nach einer kurzen Zeit. Nach einer Serienfolge. Es wurde eine ganze Staffel. Ich lag viel. Am Sofa, im Bett, im Krankenhaus. Und ich las viele Promimagazine. Niemals wieder war mein Interesse am Leben anderer so groß wie damals, als ich selbst keines hatte.

Irgendwann war sie plötzlich da: Andrea Fendrich. Laut, direkt, wütend. Eine Frau, die von ihrem Mann verlassen worden war. Die sich offenbar jahrelang um seine Karriere und seine Kinder gekümmert hatte. Die alles im Griff zu haben schien. Und nun mit Fragen bombardiert wurde, die einfach unwürdig waren. Zu ihren angeblichen Affären. Dazu, »kalt und berechnend« zu sein. Ich gewöhnte mich an Andrea Fendrich. An die wöchentlichen Geschichten, an ihr lautes Lachen, an ihre Bestimmtheit.

Ich glaube heute, ich identifizierte mich mit ihr, diesem Gefühl, zur Seite geräumt zu werden, einfach so. Irgendwann nach diesem Jahr erholte ich mich von der Depression und mit ihr verschwand auch mein Interesse an Andrea Fendrich. So untreu ist die depressive Promimagazin-Leserin. Wenn sie wieder selbst ein Leben hat, braucht sie das der anderen nicht mehr.

Vor Kurzem habe ich sie gegoogelt. Es geht ihr gut und sie kann »den Rainhard jederzeit anrufen«. Wenn sie will. Es ist also auch für sie gut ausgegangen. Hoffentlich.

Barbara Kaufmann ist Filmemacherin und Autorin. 2023 veröffentlichte sie ihren ersten abendfüllenden Dokumentarfilm »Juli«, in dem sie sich der Geschichte ihrer Uroma annähert.


Drehli Robnik

Filmwissenschaftler

Drehli Robnik (Bild: privat)

Ich sah ihn zum einzigen Mal live bei einer »Star-Gala« 1982 in der Wiener Stadthalle. Ich war wegen Blümchen Blau und vor allem Chuzpe dort (zu jung, um sie an hipperen Orten zu sehen).

Fendrich spielte, so erinnere ich mich, in Strickweste solo mit Klampfe, etwa »Kommune« oder »Razzia« mit der Hook »Gustav ans an Gustav zwa«. Von einer Kommune hatte ich vage Vorstellungen, aber Polizei-Schmählieder auf Deutsch waren mir vertraut, weil damals verbreitet, auch im Ö3-Zielgebiet: Falcos »Kommissar«, Extrabreits »Polizisten«, viel besser Drahdiwaberls »Supersheriff« und abseitiger »Scheiß Polizei« vom Hotel Morphila Orchester rund um Peter Weibel.

Die genannten Fendrich-Stücke im Protestsong-Nachgang variierten eine brachialironische Konstruktion: Die Intonation und der Jargon jeweils gedisster Personen(kreise) werden in direkter Rede performt – Empörung der Eltern, deren Kind in eine Kommune zieht; Ressentiment und Gewalt bei der Polizei; obsessiver Auto-Fetischismus (»Zweierbeziehung«). Das wird dabei auf- und vorgeführt.

Beim Debüthit »Strada del Sole« allerdings trat das Vorführen austro-xenophober Italienerklischees (»Katzelmacher«-Memes) in den Hintergrund zugunsten ihrer Klospruch-Reenactment- und Mitgröl-Potenziale: »Dem hau i die Zähnt ei’!« (aus maskuliner Potenzpanik), »Auf Italien pfeif’ i«. Biedere Ironie als Freibrief: Im Hitformat, im Lokalkulturkanon erlaubt sie das, lädt ein zum Schimpfen auf orientalisierte »Gfrieser«.

Es folgte Heimatstolz-schmettern-Dürfen im Balladentarnmantel der Kleinbürgergrübelei, dienlich als polizeiliches Beschallungstool zu Pandemiebeginn.

In so many words: nein.

Drehli Robnik lehrt nicht nur an der Uni und schreibt (wissenschaftliche) Bücher, er legt unter anderem auch regelmäßig bei der Sonntag’sdisco im Flucc auf.


Austrofred

Musiker

Austrofred (Bild: Ingo Pertramer)

Zum Fendrich fällt mir als Erstes ein, dass mir einmal eine Person, die kein Fan von meinen Queen-Austropop-Variationen gewesen sein dürfte, in mein früheres Homepage-Gästebuch geschrieben hat: »Shame on you, Austrofred, der Rainhard Fendrich würde sich im Grab umdrehen!« Darüber muss ich heute noch lachen.

Gott sei Dank ist der Fendrich nicht tot, auch wenn das seinem Leumund nicht schaden täte, wenn man dem alten In-Wien-musst-erst-sterben-et-cetera-Bonmot vom Falco Glauben schenken will, weil mir kommt vor, er hat in der jungen Pop-Generation kein rechtes Standing. Wieso, kann ich mir nicht wirklich erklären.

Klar, er war ein bisschen zu spät dran für die innovative erste Austropop-Phase und ist gleich in die uncoole eingestiegen, was aber die konkrete Qualität gerade seines Frühwerks keineswegs schmälert. Anfang der 90er war er dann ein bisschen gar allgegenwärtig, mit »Millionenshow« und »Herzblatt« und romantischen Komödien und weiß der Teufel was; so einem gönnen viele einen Dämpfer, den er sich kokstechnisch gleich selbst besorgt hat. Nüchtern betrachtet hat er aber sicherlich fünf oder mehr Nummern, für die ich persönlich mir einen Finger abhacken täte. Tu ich natürlich nicht, sonst halten mich alle für einen Tischler.

Besonders hervorheben möchte ich seine Gabe im Finden von exaltierten Reimwörtern und im gesanglichen Verschleifen derselben, sodass sie ganz nonchalant wirken. Eine Disziplin, in der ihm maximal der Spitzer von der EAV das Wasser reichen kann. Hörempfehlung dazu: »Ich bin ein Negerant, Madame«.

Der Austrofred ist für seine Austropop-Veredelungen von Queen-Hits bekannt. Außerdem hat er schon das eine oder andere Buch geschrieben. Zuletzt: »Gänsehaut – Unerklär­liche Phänomene erklärt«.


Blacky Schwarz

Musikmanager

Franz Christian »Blacky« Schwarz (Bild: Lukas Beck)

Mitte der 70er-Jahre begann ich, in der Musikbranche in unterschiedlichen Bereichen sowohl bei Plattenfirmen als auch bei Künstlern zu arbeiten, bis ich 1989 Verlag und Management von Georg Danzer übernahm.

Es war 1980, als ich Rainhard Fendrich erstmals getroffen habe. Er saß anlässlich der Promotion für sein Album »Ich wollte nie einer von denen sein« mit seinem Manager in der Kantine des Funkhauses in Wien und wartete auf einen Interviewtermin. Danach sahen wir uns viele Jahre lang nur gelegentlich bei diversen Branchenveranstaltungen.

Erst 1997, als Rainhard die Idee zu einem Benefizkonzert für Obdachlose in Wien hatte und daraus die legendäre Formation Austria 3 entstand, lernten wir uns näher kennen. Nach dem viel zu frühen Tod von Georg, der mir zuvor offenbar noch »die Rutsch’n« gelegt hatte, wurde ich Rainhards Tourmanager. In den fast 20 Jahren unserer Bekannt- und auch Freundschaft konnte ich ihn von unterschiedlichen Seiten kennenlernen.

Erstens: als den großartigen Songschreiber und humorvollen Interpreten, was besonders bei den zahlreichen Konzerten von Austria 3 zutage trat. Die spontanen Moderationen der drei Protagonisten riefen immer wieder Lachsalven des Publikums hervor.

Zweitens: als einen großzügigen Chef und Gastgeber. Nach erfolgreichen Tourneen lud Rainhard meistens alle seine Musiker und die Crew zu einem von ihm so genannten »Erntedankfest« ein. Auch während der Konzertreisen in den gemeinsamen sieben Jahren sorgte er immer wieder – sogar an spielfreien Tagen – für das Wohl seiner Mitstreiter. Die Zusammenarbeit war zwar nicht immer einfach, die entstandenen Konflikte konnten allerdings meistens rasch aus dem Weg geräumt werden.

Drittens: …

Franz Christian »Blacky« Schwarz ist seit 1977 in der Musikbranche tätig, unter anderem als Manager von Georg Danzer. 2021 gab er den Gedenkband »Georg Danzer. Sonne und Mond« mit heraus.

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